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Abschied vom österreichischen Währungssystem?

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Am 31. Jänner 1973 endete die Amtsperiode des Präsidenten der österreichischen Nationalbank, Wollgang Schmitz. Damit scheidet — wie nur zu recht festgestellt wurde — eine Persönlichkeit aus dem österreichischen und internationalen Währungswesen, der es in den fünf Jahren der Amtstätigkeit mit Redlichkeit, Sachverstand und sehr viel Fleiß gelungen ist, zur Gestaltung der nationalen und der internationalen Währungspolitik einen sichtbaren Beitrag zu leisten. Damit scheidet, und' das ist wichtig hervorzuheben, ein Mann aus der österreichischen Währungspolitik, der sich von den Wirtschaftspolitikern der Bundesregierung — insbesondere aber von Finanzminster Hannes Androsch — vor allem dadurch unterschied, daß er die Stabilität des österreichischen Schillings über alle anderen Anliegen stellte.

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Am 31. Jänner 1973 endete die Amtsperiode des Präsidenten der österreichischen Nationalbank, Wollgang Schmitz. Damit scheidet — wie nur zu recht festgestellt wurde — eine Persönlichkeit aus dem österreichischen und internationalen Währungswesen, der es in den fünf Jahren der Amtstätigkeit mit Redlichkeit, Sachverstand und sehr viel Fleiß gelungen ist, zur Gestaltung der nationalen und der internationalen Währungspolitik einen sichtbaren Beitrag zu leisten. Damit scheidet, und' das ist wichtig hervorzuheben, ein Mann aus der österreichischen Währungspolitik, der sich von den Wirtschaftspolitikern der Bundesregierung — insbesondere aber von Finanzminster Hannes Androsch — vor allem dadurch unterschied, daß er die Stabilität des österreichischen Schillings über alle anderen Anliegen stellte.

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Der Abgang des Notenbankpräsidenten war — und zwar ausschließlich — parteipolitisch motiviert. Ein für die sozialistische Bundesregierung sehr unbequemer Streiter für die Stabilität des österreichischen Schillings wurde gefeuert, um vorerst einem Mann Platz zu machen, der sein Amt korrekt und meinungsneutral auffassen dürfte und dem nach einer kleinen Weile ein Sozialist in das Amt des Präsidenten der österreichischen Nationalbank folgen wird.

Präsident Schmitz wirkte in einer Zeit der fortgesetzt gestörten Währungsruhe. Seinem Abgang folgte ein neuerlicher Währungspekulationsstrudel, in den, ganz am Rande, auch Österreich einbezogen war. Den Kommentator des sozialistischen Zentralorgans „Arbeiter-Zeitung" veranlaßte das zur bemerkenswert offenen Äußerung, daß „die derzeit vor sich gehende Umbesetzung an der Spitze der Notenbank auch nicht gerade das Vertrauen der internationalen Spekulation stärken dürfte". Damit hatte er recht; daß er das im Regierungsorgan schreiben durfte, zeigte nur zu deutlich, daß es in der Sozialistischen Partei sehr geteilte Meinungen über die Richtigkeit der Ablöse von Wolfgang Schmitz gegeben hat und noch immer gibt. Der sozialistische Stabilitätsapostel und Generalrat der österreichischen Nationalbank, Karl Ausch, wollte schon vor Wochen wegen des inflationistischen Kurses der Bundesregierung sein Amt als Generalrat der Nationalbank niederlegen. Zuletzt ließ er sich von Parteifreunden überzeugen, daß es optisch besser sei, dies erst im Mai dieses Jahres zu tun. Dann aber ist das Ende einer Epoche perfekt; die Vertreter des Stabilitätskurses sind abgetreten: freie Bahn den Inflationisten in der Bundesregierung und in der neu besetzten österreichischen Nationalbank?

Die unheilvolle Entwicklung der österreichischen Wirtschafts- und Währungspolitik wurde auch in zahlreichen Stellungnahmen von der internationalen Presse herausgestrichen. Das hängt nicht zuletzt mit dem großen Ansehen, das Präsident Schmitz in der internationalen Währungspolitik genießt, zusammen. Immerhin war er der erste Notenbank-Gouverneur, der sich schon vor Jahren in einem Gutachten für den internationalen Währungsfonds für die Anwendung größerer Bandbreiten als Instrument zur Abwehr spekulativer Geldbewegungen einsetzte, ein Gedanke, der sich heute allgemein durchgesetzt hat. Immerhin notierte seine Reputation an der internationalen Meinungsbörse so hoch, daß Wolfgang Schmitz auch mehrmals als möglicher Chef der Weltbank und/ oder des Internationalen Währungsfonds genannt wurde. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", die „Wirtschaftswoche", die „Neue Zürcher Zeitung", die „Herald Tribüne" und viele andere bedeutende Zeitungen unseres Kontinents und aus Übersee bemerkten mehr oder weniger offen, daß am Beispiel des Abgangs von Schmitz sich die österreichische Bundesregierung einen Treppenwitz der internationalen Währungsgeschichte leiste. In einer nun schon sehr langen Phase fortgesetzter Währungskrisen wurde ein erfahrener Stabilitätspolitiker entlassen, damit der Spielraum der Expansionisten noch größer werde. Das muß zu denken geben!

Wenn Österreich in den letzten Jahren alle Währungskrisen relativ gut überstanden hat, so war das nicht zuletzt eine Folge des engen Zusammenwirkens von Nationalbank, Kreditapparat und Bundesregierung. Dieses enge Zusammenwirken war insbesondere in den letzten zwei Jahren argen Belastungsproben ausgesetzt, weil sich Finanzminister Androsch immer mehr bemüßigt sah, die Notenbank als Instrument der Bundesregierung einzusetzen. Immer öfter wurden sogenannte Währungsgipfel im Finanzministerium veranstaltet, die selten Ergebnisse und noch seltener Stabilitätserfolge brachten, jedoch immer dazu angetan waren, an der gesetzlich normierten Eigenständigkeit der österreichischen Nationalbank zu rühren. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen; die ständig steigenden Inflationsraten (1971: 4,7 Prozent; 1972: 6,3 Prozent; 1973: mutmaßliche 8 Prozent) sind die sichtbare und spürbare Folge der Wirtschaftspolitik eines — nun sagen wir — eigenwilligen Finanzministers.

Wohl meinte Finanzminister Androsch noch im November 1972 (anläßlich der 50. Wiederkehr der Gründung der österreichischen Nationalbank), daß „die Autonomie der Notenbank zu wahren und zu stützen sei, weil darin eine der Grundvoraussetzungen für eine gesunde Finanz- und Geldwirtschaft, ja für ein gesundes Staatswesen überhaupt gelegen ist", aber vieles deutet darauf hin, daß es ihm damit nicht Ernst genug ist, daß er" neuerdings — wofür die' persö'nalpoli-tischen Maßnahmen in der Notenbank sprechen — darauf drängt, die Autonomie der Nationalbank zu durchbrechen.

Die Argumente, die dagegen sprechen, hat Karl Sochor in seinem Buch „Koordinierung des Einsatzes gold- und finanzpolitischer Instrumente" zusammengefaßt. Sie lauten: • In einer „GefäMigkeitsdemokratie" sind die Forderungen der Interessenten an den Staatshaushalt so stark, daß sehr leicht der Ausweg in Kreditaufnahme und Geldschöpfung zu Lasten des Geldwertes gewählt wird, wenn die für die Finanzpolitik zuständige Stelle auch geldpolitische Instrumente zur Verfügung hat. Die Ziele, die einem Entscheidungsträger, wie Partei oder Verband, unmittelbaren Vorteil bringen, werden stärker in den Vordergrund gedrängt, als die der Allgemeinheit zugute kommenden Ziele. In diesem Zusammenhang heißt es in der Regierungsbegründung zum deutschen Bundesbankgesetz: „Denn wichtiger als alle noch so guten Gründe ist die Sicherheit der Währung, die oberste Voraussetzung für die Aufrechterhaltung einer Marktwirtschaft und damit letzten Endes einer freiheitlichen Verfassung der Gesellschaft und des Staates. Potentielle Interessenten einer Währungspolitik der gegenläufigen Entwicklung des Geldvolumens sind erfahrungsgemäß alle politischen Instanzen." • Es ist nicht notwendig, daß das Ziel der Geldwerterhaltung bewußt in den Hintergrund gerückt wird und weniger Gewicht erhält, als es' dem Willen der Mehrheit entspricht. Die Gefährdung der Kaufkraft tritt gar nicht unmittelbar auf, sondern ergibt sich erst nach einer gewissen Zeitspanne, bis die Nachfrage über das Angebot erweitert wird und Preissteigerungen auftreten. In gewissen Situationen kann die Vollbeschäftigung und das Wachstum vorübergehend durch die Inkaufnahme eines Geldwertverlustes angeregt werden, nicht aber auf die Dauer. Auf längere Sicht wird die Inflation das Wachstum gefährden.

Sicher ist, daß durch die Unabhängigkeit der Notenbank dem Handlungsspielraum der Wirtschaftspolitik einer Bundesregierung keine absolute Schranke gesetzt wird. In den meisten Ländern ist das Gesetz, das der Notenbank die Unabhängigkeit garantiert, ein einfaches Gesetz, das mit einfacher Mehrheit des Parlaments geändert werden kann. Jeder Konflikt — auch in Österreich — kann also letzten Endes im Sinne der parlamentarischen Mehrheit entschieden werden. Diese Entscheidung wird letzten Endes davon abhängen, welche Erfahrungen der Wähler mit der Politik der Notenbank bisher hatte und wie gut er über die Probleme informiert ist. In diesem Punkt leistete der scheidende Präsident sicherlich sehr wichtige Aufklärungsarbeit. Es war stets sein Ziel, die notwendigerweise unpopulären Maßnahmen der Notenbank allen Beteiligten und der breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen.

Noch zu einer Zeit, als man glaubte, die schleichende Inflation als Preis für Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung in Kauf nehmen zu müssen, war Schmitz — gleichsam als Währungagewissen des Landes — ein steter Mahner, die Stabilität der Währung aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen zu wahren. Dabei hat sich auch gezeigt, daß die Öffentlichkeit eine starke Stütze der Nationalbank darstellt und in Konflikten zwischen der Geld- und Finanzpolitik die Nationalbank in ihren Bemühungen um die Geldwertstabilität unterstützt. Wahrscheinlich haben sich auch daraus Konflikte zwischen dem Inflationisten und dem Stabilitätspolitiker ergeben; Konflikte, die letztlich zu einem partei- und machtpolitisch motivierten Ausscheiden von Schmitz geführt haben.

Beim Ausscheiden von Wolfgang Schmitz aus der österreichischen Nationalbank zählt der österreichische Schilling noch zu den angesehensten Währungen der Welt. Im letzten Jahr vermochte die Regierung mit ihrem inflationistischen Budget dem Schilling einigen Schaden zuzufügen. In diesem Jahr wird der Schaden — 8 Prozent Inflationsrate — noch größer sein. Zu Beginn dieses Jahres entschied sich die Regierung, mit der Umbesetzung an der Spitze der Nationalbank die volle Verantwortung für die Inlandspreisentwicklung zu übernehmen. Unter dem neuen Präsidenten Kloss dürfte der Nationalbank etwa die Aufgabe zufallen, die freie Konvertiblilität des Schillings bei festen Kursen zu garantieren, eine weniger währungspolitische, als währungstechnische Aufgabe/

Währungspolitik in Österreich wird jedenfalls bis 1975 im Finanzministerium gemacht werden. Daß das nicht gut gehen kann, haben die letzten Jahre sehr deutlich bewiesen.

Daß aber der Abgang von Schmitz nicht stärkere Reaktionen in Österreich ausgelöst hat, ist fast schon wieder unbegreiflich, wenn man bedenkt, was hier tatsächlich und mit welchen Folgen für die Zukunft des Schillings gespielt wurde.

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