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ABSCHIED VOM OKOSOZIALEN WEG?

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Ein „Ja" oder„Nein" zu einem EG-Beitritt hängt entscheidend davon ab, wie gut die Konzepte sind, die die EG hinsichtlich der Agrar-, Ernährungs- und Umweltpolitik anzubieten hat.

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Ein „Ja" oder„Nein" zu einem EG-Beitritt hängt entscheidend davon ab, wie gut die Konzepte sind, die die EG hinsichtlich der Agrar-, Ernährungs- und Umweltpolitik anzubieten hat.

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Mit der Forderung, daß Österreich der „Feinkostladen Europas" werden sollte, wird eigentlich indirekt zugegeben, daß in den großen Agrarzonen der EG, wo die Masse der Lebensmittel erzeugt wird, diese Produktion mit weniger Rücksicht auf Natur und Umwelt geschieht, als bei uns. Wenn man unserem „Feinkostladen" gute Chancen in Europa einräumt, dann ist das zwar günstig für die Bauern, aber auch ein Beweis, daß die Agrar-und Umweltpolitik der EG nicht unseren Vorstellungen entspricht.

Man kann nun nicht sagen, daß die EG im Agrarbereich nichts für die Umwelt und die Lebensmittelqualität übrig hätte. Hier die wichtigsten Beispiele: Wer Flächenprämien als Ausgleich für reduzierte Getreidepreise erhalten will, muß 15 Prozent seiner Ackerfläche (falls er mehr.als 92 Tonnen produziert), stillegen. Wird die stillgelegte Fläche nicht für die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe verwendet, ist es gut für Boden und Um weit, wenn der Acker im Rahmen der Fruchtfolge „rasten" kann.

Wer Prämien für reduzierte Rindfleischpreise erhalten will, muß bis 1996 die Viehbesatzdichte auf zwei Großvieheinheiten je Hektar reduzieren. Das ist ebenfalls gut für Umwelt und Grundwasser.

□ Es gibt Beihilfen für die Stillegung von Flächen und solche für die Ex-tensi vierung der Erzeugung und damit auch für den biologischen Landbau.

□ Es gibt auch Beihilfen für „um-

weltgerechte und den natürlichen Lebensraum schützenden landwirtschaftliche Produktionsmethoden". Bedingung für die Inanspruchnahme dieser Beihilfe ist allerdings, daß alle Bauern in einem bestimmten geographisch abgegrenzten Gebiet mittun.

Eigentliche Triebfeder für alle diese Maßnahmen, von denen die Bauern Gebrauch machen können oder nicht, war nicht die Ökologisierung der Landwirtschaft, sondern die Reduzierung der Überschußproduktion.

Die von allen geschätzte österreichische Kultur- _

landschaft ist das Ergebnis einer klein- und mittelbäuerlichen Landwirtschaft mit einer möglichst vielseitigen Wirtschaftsweise. Wenn Getreidebaubetriebe -einer kürzlich erfolgten Äußerung des Präsidenten der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau zufolge - eine Größe von 600 bis 1.500 Hektar haben sollten und ein Getreidebauer erst mit 315 Hektar ein Einkommen von 50.000 DM im Jahr erwirtschaften kann - bei der Viehzucht brauch man dazu 50 Kühe -, dann besteht kein Zweifel, daß wir uns bei solchen Betriebsgrößen von unserer schönen Landschaft und vom größeren Teil der Bauern verabschieden müssen. Was man heute Strukturwandel nennt, heißt immer noch Wachsen oder Weichen.

Vor einem Jahr sah sich die EG veranlaßt, die Notbremse zwecks

Eindämmung der Ausgaben für die Überschußverwertung in Form einer starken Senkung der Agrarpreise zu ziehen. Die Überschußverwertung war nicht mehr zu finanzieren. Und dies bei einem Agrarpreisniveau, das ohnehin ein Fünftel bis ein Viertel unter dem österreichischen liegt. Der Preisrückgang soll durch Direktzahlungen ausgeglichen werden.

Der Erfolg dieser Maßnahme im Hinblick auf die Überschußreduzierung ist allerdings noch offen. „Als Folge der hohen Prämienzahlung wird

die Rindfleischproduktion stimuliert und die Überschußerzeugung im bisherigen Umfang fortgesetzt werden," stellt dazu etwa ein führender Beamte des rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsministeriums fest.

Solange die Ökologie nicht zum agrarpolitischen Ordnungsprinzip erklärt wird - und das ist derzeit in der EG noch weniger der Fall als in Österreich (wir wären mit der ökosozialen Agrarpolitik wenigstens gedanklich und zum Teil auch in der Praxis schon ein Stück weiter) -, werden bei so

niedrigen Preisen die kleineren und mittleren Bauern geringe Zukunftschancen haben.

Der von unseren Agrarpolitikern vielgelobte Schwenk in der EG-Agrarpolitik (verstärkte Verwendung der Steuermittel für Direktzahlungen statt für Überschußfinanzierung) ist sicher das kleinere Übel. Ziemlich unisono hört man aber aus dem nördlichen EG-Raum, daß die Ausgleichszahlungen die Einkommensverluste durch die Preissenkungen nicht wett machen und daß der damit verbundene Bürokratismus gewaltig sei (vom Land- zum „Antragswirt"). Auch werde damit neuem großen Schwindel, vor allem in den südlichen EG-Ländern, Tür und Tor geöffnet. Schon bisher sind 80 Prozent der EG-Agrar-förderung an nur 20 Prozent EG-Bauern gegangen. Da die Prämien an Flächen und Tierzahlen gebunden sind, bekommen wieder die Großen das meiste Geld. Die ursprünglich geplante soziale Komponente bei Gewährung der Direktzahlungen wurde nicht durchgesetzt. Die großen sind eben auch in der EG politisch mächtig.

Fast alles deutet derzeit auch darauf hin, daß die Beiträge Österreichs nach Brüssel für die EG-Agrarpolitik und die Aufwendungen, die nötig sind, um Österreichs Bauern einigermaßen zu erhalten, zusammen unsere Steuerzahler weit mehr kosten werden, als wenn wir zur Erreichung des gleichen Zieles nicht bei der EG wären.

Die bisherige österreichische Agrarpolitik war auf jeden Fall, trotz vieler berechtigter Kritik an ihr, besser und erfolgreicher als jene der EG. Wollen wir uns wirklich von der ökosozialen Agrarpolitik verabschieden?

Ing. Josef Willi ist Geschäftsführer des Studienzentrums für Agrarökologie in Innsbruck.

Wünsche an die EG-Politik

(jw)- Wäre die Produktionsdrosselung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Umwelt, die Qualität und den geringeren Verbrauch nichter-neuerbarer Ressourcen erfolgt und hätte sie das Ziel verfolgt, befriedigende Erzeugerpreise zu sichern, so hätte die EÖ-Agrar-politik andere Wege gehen müssen. Folgende Instrumente, die auch von verschiedenen Fachleuten aus dem EG-Raum vorgeschlagen werden, hätten sich angeboten:

1. Eine Kombination

a) des flächendeckend wirkenden Instrumentes einer Abgabe auf Düngemittel und Pestizide,

b) mit gezielt wirkenden Subventionen für den Verzicht auf den Einsatz dieser umweltbelastenden Stoffe und

c) mit einer an den Anforderungen des Arten- und Landschaftsschutzes orientierten Honorierung ökologischer Leistungen. (Für all dies gibt es in Österreich gute Ansätze).

2. Extensivierung im Bereich der Tierhaltung durch flächendeckende Reduzierung des Großvieheinheitenbesatzes pro Hektar.

3. Verbot der Massentierhaltung („was immer das ist") beziehungsweise Einhebung einer Abgabe, die diese unwirtschaftlich macht (siehe Bestimmungen des Österreichischen Viehwirtschaftsgesetzes) .

4. Eventuell Steuerung des Inputs in landwirtschaftliche Produktionsverfahren über Betriebsmittelkontingente.

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