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Abschied von der Macht

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In der „Provinz“ und weniger auf der Bühne der Bundespolitik wird sich in nächster Zeit das Schicksal der CDU und ihres Parteivorsitzenden Rainer Barzel entscheiden. In den Bundesländern hat die bei der Bundestagswahl unerwartet schwer geschlagene Partei die nächsten Wahlen zu gewinnen und damit die knappe Mehrheit im Bundesrat, der Vertretung de* Länder, zu behaupten. In den Bundesländern aber harren auch die Männer, die Barzel Parteivorsitz und nochmalige Kanzlerkandidatur streitig machen könnten.

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In der „Provinz“ und weniger auf der Bühne der Bundespolitik wird sich in nächster Zeit das Schicksal der CDU und ihres Parteivorsitzenden Rainer Barzel entscheiden. In den Bundesländern hat die bei der Bundestagswahl unerwartet schwer geschlagene Partei die nächsten Wahlen zu gewinnen und damit die knappe Mehrheit im Bundesrat, der Vertretung de* Länder, zu behaupten. In den Bundesländern aber harren auch die Männer, die Barzel Parteivorsitz und nochmalige Kanzlerkandidatur streitig machen könnten.

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Denn vor allem der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, schon einmal Gegner Barzels beim Kampf um die Kanzlerkandidatur und damals unterlegen, wird immer offener von den an Zahl wachsenden Barzel-Gegnern in der Unionspartei als der „neue Mann“ angepriesen.

Erst jüngst hat ihn der ehemalige CDU-Generalsekretär und Kie-singer-Paladin Bruno Heck als Bar-zel-Nachfolger empfohlen.

Mit Gerhard Stoltenberg befindet sich im äußersten Norden der Bundesrepublik, in Schleswig-Holstein, ein weiterer potentieller Kanzlerkandidat in Reserve, der sich jedoch vorerst zurückhält und seiner Stunde harrt.

Wenn diese beiden profilierten Politiker, von denen Stoltenberg nicht nur in der Landespolitik, sondern als Bundesminister auch auf überregionaler Ebene große politische Erfahrungen besitzt, auch eine Schwächung für die jetzige Position Barzels bedeuten, da sie gleichsam auf Abruf zur Nachfolge bereitstehen, so dokumentieren sie doch eine bisherige Stärke der CDU. Diese Partei, die zusammen mit ihrer Schwesterpartei CSU über 21 Stimmen im Bundesrat verfügt und damit um eine mehr als die SPD-ge-führten Länder, konnte in den vergangenen Jahren nicht nur in einigen Bundesländern feste Positionen aufbauen, sondern in der Landespolitik auch qualifizierte Kräfte einsetzen.

Gerade an dieser zuletzt stärksten Position der CDU will die SPD in nächster Zeit ihren Angriff beginnen, um aus der jüngsten Niederlage der Union einen Dauerzustand zu machen. Die Beseitigung der Unions-Mehrheit im Bundesrat kannte dabei nach dem Konzept der Regierungspartei mit einer Schwächung der möglichen Barzel-Nachfolger Hand in Hand gehen. Da die SPD eine von Kohl oder Stoltenberg geführte CDU wohl mehr zu fürchten hätte als eine unter Leitung Barzels, könnte sie mit einem Sieg in deren Hausmachten, in den Bundesländern Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein, zwei Fliegen auf einen Schlag treffen.

Mut gibt den Sozialdemokraten vor allem das letzte Bundestagswahlergebnis, das in beiden Bundesländern erhebliche Stimmenverluste der Union gegenüber den vorhergegangenen Landtagswahlen aufwies. Die Rechnung zu machen, daß bei den nächsten Landtagswahlen in Kohls oder Stoltenbergs Imperium ein ähnliches Ergebnis zu erwarten sei, heißt allerdings wieder einmal Landtags- und Bundestagswahlen in unerlaubter Weise zu vergleichen.Diesem Fehlschluß war die CDU schon bei der letzten Wahl erlegen.

So wird es für die SPD vor allem darauf ankommen, welche Kandidaten sie den lokalen CDU-Matadoren entgegenzusetzen hat. In Schleswig-Holstein soll es Lauritz Lauritzen sein, derzeit Verkehrsminister und zuvor Wohnungsminister. In Rheinland-Pfalz Wilhelm Dröscher. Im Fall Lauritzen, dessen Spitznamen „Lau Lau“ auch etliches über seine Ausstrahlungskraft verrät, wäre ein Kandidat gegeben, der zwar das Flair des Bundespolitikörs b' /itzt, aber neben Stoltenberg etwas abfällt. Dröscher stellt den beharrlich landespolitisch arbeitenden Politikers dar, der sich ausrechnet, bei seiner schrittweisen Annäherung an die CDU nun das Ein- und Uberholen des Gegners schaffen zu können, auch wenn ihm selbst das Charisma für einen „Landesvater“ fehlt.

Ähnlich problematisch müssen aus der Sicht der SPD auch die anderen Versuche, Landesregierungen der Union aus dem Sattel zu heben, gesehen werden. Erhard Eppler, jetzt als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit für Entwicklungspolitik zuständig, soll in Baden-Württemberg Filbingers CDU übertrumpfen. Wenn auch der engagierte Protestant etliche Wähler mit seiner von christlichem Ethos getragenen Politik ansprechen kann, muf er doch, nicht zuletzt durch seine Steuerreformpläne als „links“ verschrien, mit Widerstand bei der sparsamen und auf persönlicher Wohlstand bedachten Schwaber rechnen.

Ob es dem ehemaligen “Oberbürgermeister von München und jetzigen Wohnungsbauminister, Vogel, gelingt, die CSU in Bayern zu schlagen, mag erst recht als fragwürdig erscheinen. Sollte Strauß vielleicht in die Landespolitik gehen und Vogels Gegner im Kampf um die bayerische Ministerpräsidentschaft sein, scheint es selbst bei Beachtung mancher in Bayern in letzter Zeit gewachsener Kritik an Strauß dennoch fraglich zu sein, ob die SPD einen Sieg schafft. Im Bundestag versuchte sich Vogel etwa schon als klarer Kontrahent von Strauß zu profilieren, was Öen Wunsch aufkommen ließ, es nicht Sitte werden zu lassen, daß im Parlament „auf jeden Strauß ein Vogel“ kommt.

Gefährlicher wahrscheinlich als die personelle Konfrontation in den bisherigen Bundesländern könnte der CDU der Plan der Regierungsparteien werden, die Länderneuordnung wieder in Angriff zu nehmen, was auf eine Reduzierung der Zahl der Bundesländer hinausliefe. Mit der Einordnung der Stadtstaaten Hamburg und Bremen in die umliegenden Bundesländer aber würde sich die SPD in den neuen Ländern, Nordwest- und Nordoststaat getauft, sichere Mehrheiten verschaffen. Auch die wohl unvermeidliche Auflösung des Saarlandes würde den Verlust eines sicheren CDU-Ministerpräsidenten bedeuten. In jeder Hinsicht muß also daher die CDU }n nächster Zeit auf der Hut sein, ihre Basis in den Ländern zu halten, da bei der labilen Struktur dieser Partei auch noch ein Verlust dieser Positionen für sie wohl für längere Zeit den Abschied von der Macht bedeuten würde.

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