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Abschied von Stephan Trochta

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Am 6. April starb an den Folgen eines Gehirnschlages im Alter von 69 Jahren der Bischof von Leitme-ritz, Stephan Kardinal Trochta. Mit ihm starb der letzte noch regierende Bischof der sechs böhmischen Diözesen mit neun Millionen Katholiken. Die Bischöfe von Budweis und Brünn sind bereits vor einiger Zeit verstorben und wurden seither nicht ersetzt. Der Bischof von Königgrätz darf sein Amt nicht ausüben. Nur die Erzbistümer Prag und Olmütz werden durch von Rom ernannte Administratoren verwaltet.

Mit Kardinal Trochta ging einer der großen Helden der heutigen Kirche dahin. Geboren 1905 in Mähren, wurde er 1932 zum Priester geweiht. Da er Saiesianer war, hatte er den größten Teil seiner Studien in Turin absolviert. Während der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei mußte Trochta mehrere Jahre in den Konzentrationslagern Theresien-stadt, Dachau und Mauthausen, ähnlich wie der spätere Erzbischof von Prag, Monsignore Beran, verbringen. Im Jahre 1947 wurde er zum Bischof von Leitmeritz ernannt, einer Diözese, die bis zum Jahre 1945 zu 60 Prozent von Deutschen und nur zu 40 Prozent von Tschechen bewohnt worden war und deren Ordinarius in der Regel ein Deutscher' zu sein pflegte. Als er sein Amt antrat, waren alle Deutschen schon vertrieben, bis auf wenige Reste, denen er zeitlebens, fern von jedem nationalen Chauvinismus, ein guter Hirte war und denen er in ihrer schweren Lage half, so gut er konnte.

Nach der kommunistischen Machtergreifung wurde Trochta von 1949 bis 1953 in seiner Bischofsresidenz unter Hausarrest gehalten und schließlich verhaftet. Zehn Monate dauerte seine Untersuchungshaft bis sein Prozeß, in dem er wegen Hochverrat und Spionage angeklagt war, abrollte. In diesen zehn Monaten war er von ostdeutschen und russischen „Fachleuten“ auf den Prozeß „vorbereitet“ worden. Wie in allen ähnlichen Fällen wurde der Gefangene durch Drogen willenlos gemacht, und dann wurde ihm der Prozeß Wort für Wort eingelernt. Aber auch in Trochta steckte ein kleines Stück Schwejk: Schon in kürzester Zeit merkte er, daß die Drogen infolge seiner schweren Zuckerkrankheit bei ihm nicht ansprachen. Aber diese Erkenntnis ließ er seinen „Präparatoren“ nicht anmerken. Er lernte brav den Prozeß auswendig. Und als es dann zur öffentlichen Verhandlung kam, sagte er das Gegenteil von dem, was man ihm eingetrichtert hatte. Dennoch wurde er zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. 1960 wurde er begnadigt unter der Bedingung, daß er seinen bischöflichen Beruf nicht ausübe, sondern, wie viele tausende Priester in der Tschechoslowakei, als Arbeiter sein Leben friste.Er war dann in Prag Molkereiarbeiter und soll einige Zeit auch als Anstreicher tätig gewesen sein. Natürlich hielt er sich, wie so viele seiner Kollegen, nicht an das Gebot, keine Seel sorge zu betreiben, sondern übte sie, soweit er konnte, weiter aus. Diese Arbeiiterpriester in der Tschechoslowakei hatten einen außerordentlichen Erfolg. Sie kamen mit Schichten zusammen, an die sie früher nie herangekommen wären. Ihre große Hilfsbereitschaft, ihre Ehrlichkeit (in Kolchosen werden mit Vorliebe Priester als Kassaverwalter verwendet, da sie die einzigen sind, die nicht stehlen), ihre Kameradschaft strahlten dermaßen aus, daß ihre Kollegen nach dem Grund dieser Haltung trugen und so plötzlich auf das Christentum stießen. Der Erfolg dieser Arbeiterpriester war oft so groß, daß das Regime vielen schließlich die offizielle Seelsorge erteilte, da es sie dann besser unter Kontrolle hatte. 1962 erlitt Trochta einen Herzinfarkt und mußte in Pension gehen. Er lebte zunächst kümmerlich in Prag und später mit Beran zusammen in Radvanov bei Tabor. 1968, im Prager Frühling, nach fast 20jähriger Amtsbehinderung, wurde für ihn ein Rehabilitierungsverfahren eingeleitet, das am 3. August 1968 mit völliger Annullierung des seinerzeitigen Urteils endete. Ehemalige Gefangene, deren Prozeß annulliert wird, erhalten in der Tschechoslowakei eine Entschädigung von 1000 Kronen pro Jahr. Ein Bettel, der nicht einmal den Titel einer Entschädigung verdienen kann. Kaum rehabilitiert, feierte er im Prager Veitsdom eine feierliche Messe sowohl für die Opfer des NS-Regimes wie der stalinistischen Verfolgung. Kurz darauf konnte er nach Leitmeritz zurückkehren und seine Funktionen als Ordinarius wieder aufnehmen. Während seiner Abwesenheit war Leitmeritz durch Monsignore Oliva administriert worden, einen Kapitelvikar, den das Prager Regime eingesetzt hatte. Aber Trochta war ein Mährer (wie auch Tomasek von Prag), er kam somit aus dem Land des Ausgleichs, aus dem Land, das gegen alle Gewalttätigkeiten ist. Und so fand denn auch keine Vertreibung des bisherigen Kapitelvikars statt, sondern die Ablöse ging in ausgesprochen nobler Form vor sich.

Dr. Trochta war im Konsistorium vom 28. April 1969 „in pectore“ (das heißt, ohne Nennung seines Namens) zum Kardinal ernannt worden. Am 5. März 1973, während eines Geheimen Konsistoriums anläßlich der Kreierung von 30 neuen Kardinälen, gab der Papst die In-pectore-Er-nennung Trochtas bekannt. Als Begründung dafür, daß er 1969 den Namen Trochta nicht bekanntgegeben habe, nannte der Papst die Tatsache, daß damals „der verehrungswürdige Kardinal Beran noch am Leben war. Nun hat er diese Welt verlassen“. Kardinal Trochta war einer der großen, stillen Helden der Kirche. Um so schwerer ist sein Verlust für die böhmischen Länder.

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