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Absehbare Probleme, die gelöst werden können
Die meisten internationalen Prognosen jur die westlichen Industriestaaten rechnen in den achtziger Jahren mit einem Wirtschaftswachstum, das sich in der Größenordnung von drei Prozent real bewegen wird. Das scheint zwar angesichts der jüngsten Entwicklung eher optimistisch, wird aber nicht ausreichen, um jenen Grad der Vollbeschäftigung zu erreichen, der in den sechziger Jahren üblich war. Welche Entwicklungsaussichten bestehen in dieser internationalen Landschaft für Österreich?
Die meisten internationalen Prognosen jur die westlichen Industriestaaten rechnen in den achtziger Jahren mit einem Wirtschaftswachstum, das sich in der Größenordnung von drei Prozent real bewegen wird. Das scheint zwar angesichts der jüngsten Entwicklung eher optimistisch, wird aber nicht ausreichen, um jenen Grad der Vollbeschäftigung zu erreichen, der in den sechziger Jahren üblich war. Welche Entwicklungsaussichten bestehen in dieser internationalen Landschaft für Österreich?
Die österreichische Wirtschaft ist im „Goldenen Zeitalter“ rascher gewachsen als die Westeuropas. Dadurch konnte Österreich den Rückstand aufholen, der in der Ersten Republik entstanden war.
Aber auch die Phase nach dem Einbruch 1974/75 meisterte Österreich besser als alle anderen westeuropäischen Staaten. Nicht nur übertraf sein Wirtschaftswachstum das der meisten übrigen Staaten dieser Region, sondern es gelang in allen Jahren seither, die Vollbeschäftigung zu erhalten und das - im Gegensatz, etwa zu der Schweiz - bei steigenden Beschäftigungszahlen.
Die Ursachen für diese erstaunliche Entwicklung liegen einerseits zweifellos in einer Wirtschaftspolitik, die als „Austro-Keynesianismus“ bezeichnet wurde. Diese besteht u.a. darin, daß die expansive Budgetpolitik nicht durch eine Abwertung gegen eine Handelsbilanzpassivierung abgesichert wird, sondern umgekehrt durch eine Hartwährungspolitik.
Dadurch wurde Österreich vom internationalen Inflationsverbund abgekoppelt. Allerdings konnte diese Kombination nur unter österreichischen Bedingungen auf dem Lohnsektor funktionieren, weil die Lohnsteigerungen relativ rasch auf niedrige Raten zurückgeführt wurden und dadurch die Kosten nicht über den Zuwachs bei den Handelspartnern hinausgingen.
An die Seite dieser Maßnahmen trat eine recht wirksame Arbeitsmarktpoli- . tik. Allerdings erwiesen sich die Abwehrmaßnahmen gegen die Passivierung der Leistungsbilanz längerfristig als unzureichend.
Vor allem deshalb stellt sich die Frage, ob es der österreichischen Wirtschaft auch in Zukunft gelingen werde, das Wachstum Westeuropas zu übertreffen oder zumindest im Rahmen dieser Entwicklung zu bleiben. Diese Frage wird gern durch das Aufzählen einer Reihe von Problemen beantwortet, die schon seit langem als die heiklen Punkte der österreichischen Wirtschaft betrachtet werden, aber auch solchen, die das Resultat der Sonderentwicklung seit 1974 darstellen.
Zu ersteren gehört die Annahme, daß sich die österreichische Wirtschaftsstruktur nicht rasch genug den Änderungen der in- und ausländischen Nachfrage anpasse, ferner, daß zu geringe Anstrengungen zur Erforschung und Entwicklung neuer Technologie unternommen würden, daß die Exporte
in die EG integrationsbedingt nicht mehr sehr stark zunehmen würden, aber aus eben diesem Grund mit einem weiteren Abbröckeln der Marktanteile in der EFTA zu rechnen sei, welcher Prozeß dadurch verschärft würde, als sich die Wettbewerbsfähigkeit und die Erträge der Industrie von der Arbeitskosten- und Wechselkursseite gegenüber der Zeit vor 1974/75 verschlechtert hätten und die Importabhängigkeit weiter wachsen werde.
Nun soll man alle diese Argumente keineswegs gering schätzen, sie verlieren aber zumindest dann einiges an Relevanz, wenn sie zumindest teilweise schon diskutiert wurden, bevor Ende der sechziger Jahre der längste Aufschwung der österreichischen Nachkriegsgeschichte einsetzte. Schwerer wiegen jene, die sich aus der Entwicklung der letzten Jahre ergeben haben.
Das vergleichsweise rasche Wachstum der österreichischen Wirtschaft in einer stagnierenden Umwelt, das Steigen des Wechselkurses, der zumindest kurzfristig starke Druck auf die Ertragsmargen führte zu einer spürbaren Passivierung der Leistungsbilanz, wel
che 1976 (einschließlich der statistischen Differenz) 16 Milliarden Schilling ausmachte, 1977 aber bereits (allerdings einschließlich von Vorziehkäufen) 29 Milliarden Schilling oder rund 3,5 Prozent des Brutto-Inlandspro- dukts erreichte.
Angesichts dieser Entwicklung vollzog die österreichische Wirtschaftspolitik zumindest teilweise eine Schwenkung, indem sie ein Maßnahmenpaket mit Steuererhöhungen zur Entlastung des Budgets und Dämpfung der Importnachfrage einführte. Tatsächlich sank das Defizit der erweiterten Leistungsbilanz 1978 auf sechs Milliarden Schilling (0,7 Prozent) und blieb auch 1979 mit rund zwölf Milliarden Schilling (1,3 Prozent des Brutto-Inlands- produkts) in bescheidenem Rahmen, schnellte aber 1980 wieder auf 27 Milliarden Schilling hinauf.
Solche Leistungsbilanzdefizite können zwar ohne Schwierigkeiten finanziert werden, doch würde ihre Kumulierung über einen längeren Zeitraum die Auslandsverschuldung und die Belastung der Ertragsbilanz vermutlich unerwünscht steigern. Damit liegt aber die Vermutung nahe, daß die Wirtschaftspolitik sich genötigt sähe, einen besonders kräftigen autonomen Aufschwung frühzeitig zu dämpfen.
Zieht man freilich jene Positiva in Betracht, welche bisher die Stärke der
österreichischen Wirtschaft waren, nämlich die gut funktionierende Koordination der wirtschaftspolitischen Schritte, welche eine effiziente Einkommenspolitik auch mit sozialem Frieden verband und damit vergleichsweise niedrige Inflationsraten garantierte, dann könnte auch Österreich eine durchschnittliche Steigerung des realen Brutto-Inlandsprodukts um etwa drei Prozent erreichen.
Das allein würde freilich kaum ausreichen, um die Vollbeschäftigung wie bisher aufrechtzuerhalten. Vor allem in der ersten Hälfte der achtziger Jahre ist mit einem kräftigen Angebotszuwachs auf dem Arbeitsmarkt von rund 150.000 unselbständigen Arbeitskräften zu rechnen.
Mit dieser Darstellung sollte den zeitgenössischen Jeremiaden keine weitere hinzugefügt, sondern nur dargelegt werden, daß wir auf wirtschaftlichem Gebiet in den achtziger Jahren einigen Problemen gegenüberstehen. Diese sollten keinen Anlaß zur Resignation oder einer Flucht in Traumwelten bieten, sondern eine Herausforderung, welcher energisch und zielstrebig zu begegnen wäre.
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