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Abseits der Tagesparolen

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Es ist mir wurscht, was die anderen von mir sagen oder denken. Es kommt auf die besseren Nerven an. Ist dieser Herr von Einem begabt - die Nerven dazu hat er!“ Gottfried von Einem gibt sich im Selbstgespräch streitbar wie eh und je. Auch als Siebziger — er feiert am 24. Jänner Geburtstag — macht er kein Geheimnis daraus, daß ihn kaum interessiert, ob einer seine Opern und symphonischen Werke „altmodisch“ findet oder rückwärts gewandt. Einem, der Doyen unter den österreichischen Komponisten, argumentiert als überzeugter Demokrat heftig und nennt es schlicht und einfach engstirnige „Überheblichkeit“, wenn einer sich anmaßt, eine direkte Weiterführung der Tradition in der heutigen Musik als undenkbar hinzustellen.

Blickt man die lange Reihe seiner Werke zurück, merkt man, daß eigentlich alles, was seine Gegner ihm so gern vorgeworfen haben und ihm immer noch vorwerfen, nicht Verlegenheit ist und auch nicht Resignation, sondern zu den wesentlichen Stilmitteln seines Schaffens gehört. Einems Argument: „Es gibt nur eines, das ich nicht akzeptiere - Dilettantismus!“

Einem-Freund Hans Heinz Stuckenschmidt, einer der prominentesten deutschen Kritiker, würdigt den Komponisten: „Er verkörpert europäischen Geist... Immer abseits der Tagesparolen beobachtet er — ähnlich wie Boris Blacher und Benjamin Britten -, was in der Weltmusik der Epoche vor sich geht. Sein persönlicher Stil ist an alledem gereift und ein Stück europäischen Geistes geworden.“

Die Erfolge der Einem-Opern belegen das. „Dantons Tod“ (nach Georg Büchner), der soeben im Wiener Konzerthaus konzertant aufgeführte „Zerrissene“ (nach Johann Nestroy), „Der Besuch der alten Dame“ (nach Friedrich Dürrenmatt), „Kabale und Liebe“ (nach Friedrich Schiller) und „esu Hochzeit“ (nach einem Text seiner Frau Lotte Ingrisch) beweisen einerseits Einems Verhältnis zu großer Literatur, zu Sprache und Dramaturgie und zeigen andrerseits, mit welcher Souveränität er diese Libretti in Musik, in gesungene Partien „übersetzt“.

Für ein neues Musiktheaterstück, „Der Tulif ant“, den er „seine letzte Oper sein lassen will“, hat wieder Lotte Ingrisch den Text geschrieben. Die Uraufführung soll 1988 im Rahmen des Donau-Festivals auf Schloß Grafen-egg stattfinden, 1989 übersiedelt das Werk in die BRD.

Gottfried von Einem wurde offiziell 1918 als Sohn eines österreichischen Diplomaten in Bern geboren und erfuhr mit zwanzig während eines Verhörs durch die Gestapo, daß er der Sohn des ungarischen Grafen Laszlo Hunya-dy sei. Von diesem hat er jedenfalls die musikalische Begabung geerbt. Aber Einem erinnert sich, daß das Unglück der NS-Zeit für ihn auch Gutes zur Folge hatte: Er lernte Boris Blacher, seinen bedeutenden Lehrer, kennen und seine erste Frau, Lianne von Bismarck.

Als zweites „Unglücksmoment“ empfindet er noch das Jahr 1951, als er aus dem Salzburger Festspieldirektorium ausgeschlossen wurde, weil er Bert Brecht die österreichische Staatsbürgerschaft verschafft hatte und mit ihm eine Oper machen wollte (die über den Titel nie hinausgekommen ist).

Einem kam dann nach Wien. Der Bundestheaterverband gab ihm Aufträge, die Staatsoper spielte und spielt seine Werke. Auch als Symphoniker und Kammermusiker bekam er immer wieder Aufträge, sodaß er heute auf eine große Anzahl von Werken zurückblickt.

Als ein Journalist einmal den „Lebenskünstler“ Einem fragte, ob er in all den Jahren reich geworden sei, lachte der Komponist: „In der Gesamtsumme ergibt das sicher einen besseren Wein, einen echteren Schampus. Ja, ein paar Millionen werden es insgesamt schon gewesen sein. Ich habe mir meine Ansprüche leisten können, ohne Schulden zu machen.“ Das bedeutet heute: ein glückliches Leben im malerischen Weitra.

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