Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Absolute für die Union?
Die Meinungsforschungsinstitute prophezeien „kaum Überraschungen" für die erste gesamtdeutsche Wahl am 2. Dezember. Die Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP liegen demnach bei rund 55 Prozent.
Die Unionsparteien mußten bis vor einem Jahr vor der bevorstehenden Bundestagswahl zittern. Eine Reihe von Landtags- und Kommunalwahlen ging verloren. Positionen, die in der Oppositionszeit der siebziger Jahre erreicht wurden - wie etwa Niedersachsen, Berlin (West), München oder Frankfurt - mußten abgegeben werden. Zunehmend machte sich auch eine Stimmung gegen Helmut Kohl breit.
Die Schwächen der SPD, aber vor allem die deutsche Einigung und das dabei positive und allseits anerkannte Agieren des Bundeskanzlers haben für die CDU zumindest auf Bundesebene eine Trendumkehr bewirkt. Nicht zuletzt durch die gute Verankerung der CDU in Ostdeutschland wird für die Unionsparteien ein besseres Ergebnis als 1987 (44,3 Prozent) allgemein erwartet.
Die Sozialdemokraten hingegen konnten ihre seit 1982 bestehenden personellen wie ideologischen Schwierigkeiten nicht zum Besseren wenden. 1983 ist Hans-Jochen Vogel gescheitert, 1987 Johannes Rau - und diesmal wird es Oskar Lafontaine nicht besser ergehen.
Neben den personellen Schwächen, was die überzeugenden Kanzlerkandidaten betrifft, macht den Sozialdemokraten sicherlich die Abgrenzungsstrategie gegenüber den Grünen und neuerdings auch gegenüber der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), der ehemaligen kommunistischen SED, zu schaffen. So wird mit Sicherheit die SPD weitere vier Jahre auf ihre Chance warten müssen.
Und die könnte nicht schlecht sein, wenn einerseits der Einigungsprozeß zu große Opfer fordert, und wenn andererseits die SPD einen Kanzlerkandidaten aufweisen kann, der integrativ ist und breite Wählerschichten der Mitte ansprechen kann. Dieser könnte zum Beispiel der jetzige Ministerpräsident von Brandenburg, Manfred Stolpe, sein, der mit seiner sogenannten „Ampelkoalition" (SPD, FDP, Grüne) ein noch nie dagewesenes Regierungsmodell praktiziert. Ist dieses erfolgreich, wird man an ihm nicht vorbeigehen können.
Die Freien Demokraten sind immer noch stark auf ihren Ehrenvorsitzenden, Außenminister Hans-Dietrich Genscher zugeschnitten, neben Kohl der zweite Architekt der deutschen Einheit. Für sie kommt eine andere Koalition als die bisherige nicht in Frage. Man spricht für die FDP von einem zweistelligen Ergebnis.
Die Lage der Grünen ist seit der deutschen Einheit schwieriger geworden. Die von ihnen besetzten Themen wurden weitgehend auch von anderen Parteien übernommen - vor allem der Umweltschutz -, darüber hinaus ist das innerparteiliche Konfliktpotential gewachsen. Neben Realos, Fundis, Okosoziali-sten und anderen Gruppen sind die im sogenannten „Bündnis 90" vereinigten Bürgerrechtsgruppen Ostdeutschlands zum Parteienspektrum hinzugekommen, die zum Teil ganz andere ideologische Ansichten besitzen. Hier sind Konflikte schon vorprogrammiert. Allgemein schätzt man, daß die Grünen - nicht zuletzt wegen ihrer distanzierten Haltung zur deutschen Einheit -etwas abnehmen werden.
Nicht abzuschätzen ist das Abschneiden der PDS. Ihr rühriger und telegener Spitzenkandidat Gregor Gysi hat auch im Westen volle Säle. Das diesmal gültige Wahlrecht, wonach jeweils in Ost oder West fünf Prozent der Stimmen genügen, um in den Bundestag einzuziehen, macht es wahrscheinlich, daß die PDS ins Parlament kommt.
Interessant wird sein, wie die PDS im Westen abschneidet. Von einem solchen Erfolg wird das Weiterbestehen dieser Partei maßgeblich abhängen, denn bei der nächsten Bundestagswahl 1994 gilt die einheitliche fünf Prozent-Klausel für das ganze Bundesgebiet. Gysis Ziel ist eine linkssozialistische Partei, die der SPD und den Grünen Stimmen wegnimmt.
Von den Republikanern spricht im Moment kaum jemand. Bis vor einem Jahr wurde die reale Gefahr eines Bundestagseinzugs an die Wand gemalt, jedoch scheint dies nicht mehr der Fall zu sein.
Welche möglichen Überraschungen könnte es am 2. Dezember geben?: Eine absolute Mehrheit der Unionsparteien wäre eine solche. Zuletzt hat es sie 1957 unter Konrad Adenauer gegeben. Weiters ein bundesweites Absinken der Grünen unter fünf Prozent. Ein Absinken der PDS in Ostdeutschland unter fünf Prozent. Ein Ergebnis für die FDP deutlich über zehn Prozent. Ein relativ gutes Abschneiden der SPD und fast fünf Prozent für die Republikaner.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!