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Abtreibspezialistin Radauer neuerlich schwer belastet

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Wenn am 3. Juli die nächste Nummer der deutschen Illustrierten „Stern” erscheint, wird sich die Wiener Abtreibspezialistin Mihaela Radauer hüten, diese im Wartezimmer ihrer Ordination aufzulegen.

Würden sie nämlich den Fall der jungen Österreicherin Brigitte Reinmüller kennen, den der „Stern” beschreibt, kehrten sie der Radauer-Praxis wahrscheinlich augenblicklich den Rücken.

Ende des vorigen Jahres, so die Illustrierte, kam das schwangere Mädchen, knapp 16 Jahre alt und als Küchenhilfe in Baden Württemberg arbeitend, mit ihrem Freund hilfesuchend in ihr Heimatland: zur Abtreibung zu Radauer.

Heute weiß Reinmüller, daß ein Schwangerschaftsabbruch auch bei geübten Fließbandabtreibern nicht so problemlos ist, wie das leichthin festgestellt wird: Schon bei der Rückreise in die BRD plagten sie starke Schmerzen.

„Als ich dann noch hohes Fieber kriegte und stark blutete, mußte ich sonntags ins Kreiskrankenhaus. Der diensthabende Arzt”, erzählte sie „Stern”-Redakteurin Uta König, „war außer sich vor Wut. ,So ein Pfusch, so eine Schweinerei', hat er gesagt.”

Die „Schweinerei”: Nach schweren Entzündungen an Gebärmutter und Eileitern als Folge des Eingriffes in der Wiener Abtreibpraxis befürchten die Ärzte, daß die junge Frau ihr Leben lang unfruchtbar bleiben wird.

Das sind die Folgen, mit denen Brigitte Reinmüller nach dem Abbruch zu kämpfen hat.

Aber auch für Mihaela Radauer scheint dieser Fall Folgen zu haben: Der Wiener „Stern”-Redakteur Walter Kratzer übermittelte Gesundheitsminister Herbert Salcher in der ersten Junihälfte hiezu sämtliche Unterlagen und ärztliche Atteste.

Und Minister Salcher schaltete sich sofort ein: Am 12. Juni erteilte er Weisung, in dieser Angelegenheit ein Disziplinarverfahren gegen die praktische Ärztin Mihaela Radauer einzuleiten. Sechs Tage später teilte der Disziplinar-anwalt der Ärztekammer dem Minister mit, daß der Fall Reinmüller in den Fall Radauer, in dem nun schon mehrere Verfahren anhängig sind, miteinbezogen und um ihn erweitert wird.

Sollten sich im Rahmen dieses Disziplinarverfahrens konkrete strafrechtliche Verdachtsmomente ergeben, ist die Behörde zudem verpflichtet, Strafanzeige zu erstatten. Etwa: Strafanzeige wegen schwerer Körperverletzung.

Vor Jahresfrist bekam Radauer wegen ihrer Werbemethoden (FURCHE 39/79) eine relativ milde „Disziplinarstrafe der Untersagung der Berufsausübung für die Dauer von drei Monaten unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren” aufgebrummt.

Durch die zusätzlichen Verfahren könnte nun nicht nur die bedingte Strafe in eine unbedingte umgewandelt werden, die Untersagung der Berufsausübung könnte Radauer noch empfindlicher treffen. Die Höchststrafe würde ein fünfjähriges Berufsverbot bedeuten.

Nicht weniger unangenehm dürfte Radauer eine andere „Stern”-Enthüllung sein, bei der es ebenfalls um einen eklatanten Verstoß gegen unser Ärztegesetz geht: geschildert werden die Erfahrungen, die der praktische Arzt Wilhelm Stürmer aus Memmingen (BRD) mit der Wiener Abtreibspezialistin machte.

Stürmer erhielt von ihr kürzlich nicht nur ein vorgedrucktes Dankschreiben, sondern auch - im weißen Kuvert - eine Provision für die Vermittlung einer Patientin zur Abtreibung um 900 deutsche Mark. „350 Mark hat mir Frau Doktor Radauer per Post geschickt”, berichtete er der Illustrierten offen, „nachdem ich eine Schwangere zu ihr in die Praxis überwiesen hatte”.

Anders aber als Standeskollegen, die dieses Geld bereitwillig einstreifen, war der Memminger Arzt empört über diese Zumutung. Er steckte die Provision nicht in die eigene Tasche, sondern gab sie am 14. April der Patientin zurück. „Ich warentsetzt über dieses Maklergeschäft”, zieht er einen Schlußstrich und die Konsequenz: „Einmal und nie wieder”.

Nicht alle denken freilich so wie Wilhelm Stürmer - und kassieren ungeniert für ihre Zutreiberdienste. In Deutschland laufen diese Provisionen unter dem Titel „Honorar Tür Nachbehandlung”.

Der Haken dabei: eine solche „Nachbehandlung” wird in der Bundesrepublik Deutschland auf Krankenschein abgerechnet. Daher ist das „Honorar” genau das, was es nicht sein darf: eine Provision.

Dazu der Paragraph 9 des österreichischen Ärztegesetzes: „Dem Arzt ist verboten, für die Zuweisung von Kranken an ihn oder durch ihn eine Vergütung, gleich welcher Art, zu versprechen, sich oder einem anderen zusichern zu lassen, zu geben oder zu nehmen ...”.

Wer dagegen verstößt, macht sich nicht nur einer Verwaltungsübertretung schuldig, die mit einer Geldstrafe zu bestrafen wäre, unter Umständen ist diese Geschäftemacherei auch gerichtlich strafbar.

Nicht nur der internationale Kodex über die „Medizinische Ethik”, der in den frühen Nachkriegsjahren von der Generalversammlung des Weltärztebundes beschlossen wurde, auch die einschlägigen deutschen Rechtsbestimmungen verbieten die „Annahme von Geld” für die Zuweisung von Patienten.

Daher will auch kein deutscher Arzt, der nachweislich Patientinnen zur Abtreibung nach Wien vermittelt hat, je einen Groschen - pardon: Pfennig - von Radauer an Provisionen erhalten haben. Indem sie Radauer decken, schützen sie sich selbst vor den Folgen.

Radauer selbst hat wahrscheinlich auch nie damit gerechnet, daß ein Arzt, der ihr einmal eine Patientin schickt, das Geschäft mit der Abtreibung auf dieser Basis verabscheut. Aber anstatt der weiteren Zuweisung, die sie sich von Wilhelm Stürmer mit „kollegialer Hochachtung” erhofft hat, stehen ihr durch dessen Mißachtung solcher Maklergeschäfte nur weitere Schwierigkeiten ins Haus.

Mit der vorübergehenden Sperre ihrer Ordination durch die Wiener Gesundheitsbehörde (FURCHE 25/80) war das Geschäft nur kurzfristig gestört. Jetzt könnte es bald zerstört sein.

Offiziell versucht Mihaela Radauer zwar noch optimistisch zu sein und den Enthüllungen positive Seiten abzugewinnen: als kostenlose Reklame, die ihr Geschäft erst recht belebt.

Inoffiziell hört man jedoch bereits anderes: Sie und ihre Zutreiber plagen Zukunftsängste. Und so mancher Geschäftspartner plant einen Abbruch: den der Geschäftsbeziehungen.

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