6936835-1983_13_05.jpg
Digital In Arbeit

Abtreibung im Wahlkampf

Werbung
Werbung
Werbung

Abtreibung im Wahlkampf: Das Thema ist natürlich explosiv, zumal es vorwiegend unter der Hand (und unter cjer Gürtellinie) abgehandelt wird.

„Ich kandidiere zum Nationalrat, um das Lebensrecht der ungeborenen Kinder wirkungsvoller vertreten zu können“, schreibt Johannes Wilde, Obmann der „Plattform Ärzte für das Leben“, auf einem Flugblatt, mit dem um Unterstützungserklärungen für eine Christlich-Soziale Arbeits-

gemeinschaft geworben wird, hinter der Martin Humer (Wai- ženkirchen) steht.

Diese Kandidatur entspricht gewiß redlicher Absicht, zumal „das beharrliche Schweigen je’ner Partei, die christliche Grundsätze verficht“ (so Clemens Hutter in den „Salzburger Nachrichten“ vom 18. März) viele Christen zu irritieren scheint.

Dennoch muß vor unüberlegten Konsequenzen gewarnt — und auf die Klärung einer unlogischen Argumentation gedrängt werden.

Sprecherinnen und Sprecher der ÖVP haben sich dazu bekannt, daß auch sie „kein Zurück zur. Bestrafung der Frau“ anstrebten, was von unterschwelliger SPÖ-Wahlpropaganda ja behauptet wird. Diese Klarstellung haben Kritiker als Gutheißen der jetzigen Fristenregelung gedeutet. Aus vielen schriftlichen und mündlichen Äußerungen führender ÖVP-Politiker ist eindeutig nachweisbar, daß diese Deutung nicht stimmt (vgl. FURCHE Nr. 11, S. 4).

Daß es auch der Kirche nicht um die Bestrafung von Frauen geht, haben selbst Bischöfe mehrfach beteuert (siehe auch S. 10). Und auch der zitierte SN-Kom- mentar nennt es Ablenkung von

wesentlichen Problemen, wenn man „den Gegnern der Fristenlösung die reaktionäre Bosheit unterschiebt, Frauen bestrafen zu wollen“.

Also: Niemand will Frauen bestrafen, aber dennoch wirft man der Volkspartei vor, sie sei zu feig, die Abschaffung der Fristenregelung (eine „Lösung“ ist Umbringen ja wahrlich nicht) zu vertreten. Das aber ist noch feiger.

Wer so argumentiert, muß deutlich werden: Ja, ich bin für eine Wiedereinführung der Bestrafung der Frau! Oder: Das Gesetz muß geändert, an der Straffreiheit der Frau aber festgehalten werden!

Nun sprechen in der Tat mehrere Gründe gegen die Wiedereinführung der Strafdrohung. Ein nur vordergründig-taktischer: Wenn die ÖVP sie verlangt, verliert sie todsicher die Wahl, und selbst wenn ein Arzt (wogegen alle Erfahrung spricht) ins Parlament gewählt würde, der dieses Gesetz abandern möchte, erreicht er als einer von 183 garantiert nichts.

Nun kann man sagen: Gelegen oder ungelegen — das muß die ÖVP trotzdem fordern, und wenn sie mit fliegenden Fahnen untergeht!

Abgesehen davon, daß eine Al- les-oder-nichts-Politik auch nicht christlich wäre, spricht gegen diese Strafdrohung auch die Erfahrung: Als es diese noch gab, wurde vermutlich fast so viel abgetrieben wie heute — und kaum jemand überführt und bestraft!

Schließlich der Hauptgrund: Abtreiberinnen zu bestrafen, ver

fehlt in vielen Fällen die wirklich schuldige Person. Wie oft treiben der Kindesvater, die (bisweilen sich sogar „fromm“ gebende) Verwandtschaft, eine mitleidlose Umwelt eine werdende Mutter in einen Schwangerschaftsabbruch! Ein solcher ist eine so große Belastung für die meisten Frauen, daß kaum eine ihn leichtfertig beschließt. Frauen für die Schuld anderer zu bestrafen, wäre nicht christlich.

Das schwebt wohl auch namhaften Vertretern der Kirche vor, wenn sie die Strafdrohung nicht mehr anvisieren. Wenn das dann aber auch eine politische Partei nicht tut, wäre es doppelzüngige Heuchelei, ihr das vorzuwerfen.

Also gar nichts tun? Das wäre angesichts geschätzter 100.000 Abtreibungen pro Jahr sehr schlimm. Eines Tages werden, so ist zu hoffen, das auch die Sozialisten einsehen.

Wofür die „Aktion Leben“ seit langem eintritt (und die ÖVP auch), das sind Gesetzesänderungen wie Trennung von beratendem und abtreibendem Arzt, Beschränkung auf Gynäkologen, Verbot der gewerblichen Werbung durch Geschäftemacher, anonyme Motiverhebungen.

Katholische Ärzte wie Univ.- Prof. Hugo Husslein vertreten vehement die Meinung, daß dem Skandal der Abtreibung „nur durch die Kontrazeption“ beizukommen ist. Was natürlich nicht heißt, daß wahllos beliebige Verhütungsmethoden propagiert werden sollen!

Was deutlich gesagt werden muß ist: Leichtfertig Schwangerschaften zu „riskieren“ (was nachweislich von vielen Abtreibungswerbern getan wird), weil man „im Notfall“ ja abtreiben kann, ist eine schwere sittliche Verfehlung. Da bleibt auch für kirchentreue Christen noch viel Aufklärungsarbeit zu tun.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung