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Abtreibung soll kein Tabu sein!

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Zwei Beiträge zum Thema Straffreiheit der Abtreibung (FURCHE 6 und 7/ 1989) gaben Anlaß zu heftiger Diskussion. Wir bringen zwei ausführliche Stellungnahmen von Lesern.

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Zwei Beiträge zum Thema Straffreiheit der Abtreibung (FURCHE 6 und 7/ 1989) gaben Anlaß zu heftiger Diskussion. Wir bringen zwei ausführliche Stellungnahmen von Lesern.

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Man kann Grit Ebner, der man für viele Verdienste als langjährige Generalsekretärin der „Aktion Leben“ danken soll, in vielem beipflichten, was sie in ihrem Artikel „Tabu Abtreibung“ ausdrückt, ganz sicher dem, daß man den Frauen, die ungewollt schwanger wurden, hilft, zu ihrem Kind zu stehen. Daß man aber ihr ungewolltes Kind „gesetzlich gerechtfertigt“ töten läßt, ist letztlich wohl keine Hilfe für diese Mutter und ganz sicher ein klares Unrecht gegen dieses Kind.

Ein Kind, das Mann und Frau, Vater und Mutter zwar nicht wollen, aber doch zeugten, muß aus menschlicher Verantwortung ihr Kind bleiben. Jeder Mensch hat

ein Recht auf sein einmal begonnenes Leben, und es ist gröbstes Unrecht, menschliches Leben bewußt auslöschen zu lassen, nur weil es uns ungelegen kommt.

Wenn der „heutige Zeitgeist“ an der wissentlichen Zerstörung des Lebens eines Kindes offenbar nichts findet, dann ist der heutige Zeitgeist ein Zeitungeist, dem wir eindeutig zu widersprechen haben.

Der Paragraph 96 des Strafgesetzbuches ist eine Heuchelei. Er erklärt die Abtreibung für generell verboten, die darin geschriebene Fristenregelung erlaubt aber, ein ungewolltes Kind straffrei zu töten, wenn das Kind nicht älter als drei Monate ist und wenn diese Abtreibung nach „ärztlicher Beratung“ von einem graduierten Mediziner durchgeführt wird. Welche Ungeheuerlichkeit!

• Ein Kind ist ein individueller Mensch von der Empfängnis an, was wissenschaftlich einwandfrei dokumentiert ist. Es abzutreiben, ist vor oder nach dem dritten Schwangerschaftsmonat eine vorsätzliche Tötung und deshalb eine Straftat. Wie eine solche Strafe aussieht, hat der Richter nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts zu entscheiden.

• Wie heute die ärztliche Beratung aussieht, weiß man, besonders, wenn sie von der Person erfolgt, die dann auch die Abtreibung durchführt. Sie ist fast immer eine Farce.

• Daß die Abtreibung von einem graduierten Mediziner durchgeführt werden muß, wenn sie straffrei sein soll, ist eine weitere Heuchelei, denn unser Strafgesetz verbietet sonst jedem Arzt die bewußte Tötung eines Menschen. Das Gesetz verführt daher die dem Leben verpflichteten Ärzte, gegen ihr Berufsgesetz zu verstoßen.

Die mit knapper Mehrheit beschlossene und vom Verfassungsgericht bestätigte „Fristenlösung“ ist deshalb eine folgenschwere, ungeheuerliche Entscheidung gewesen.

Die Gesetzgeber, die verantwortlichen Juristen, die dies dulden, die Mediziner, die es fertigbringen, ein Kind statt zur Welt zu bringen beim Abtreibungsakt umzubringen, die Erwachsenen, Mütter und Väter und andere, die

den Tod dieses Kindes wünschen, begehen schweres Unrecht, denn sie machen sich am Tod dieses Kindes schuldig. Am meisten schuldig sind die Gesetzgeber und die tätig werdenden Mediziner.

Es ist nicht nur utopisch zu meinen, die Wiedereinführung der Strafbarkeit der Kindestötung durch Abtreibung sei „überholt und nicht mehr problemadäquat“, wie Ebner in ihrem Artikel meint. Denn wenn die vorsätzliche Tötung eines Menschen, auch eines ungeborenen, nicht mehr strafwürdig ist, dann können wir alle Staatsgesetze abschaffen, denn es gibt wohl keine wichtigeren Gesetze als die zum Schutz des menschlichen Lebens.

Ich teile daher die Meinung von Christof Gaspari, wenn er hofft, die am Gesetz der „Fristenlösung“ schuldig Gewordenen mögen endlich zur Einsicht kommen und mit einem Gesetz einer gerechten Strafbarkeit der Kindestötung durch die Abtreibung dem Kind zum Schutz seines Lebens verhelfen, auch in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Sie würden damit den Menschen wenigstens auf weltlicher Ebene helfen, eine solche Untat am ungeborenen Kind erst gar nicht Wirklichkeit werden zu lassen.

Wozu haben wir denn Strafgesetze, wenn nicht zur Verhütung

von Straftaten, soweit als nur möglich. Es wäre eine politische Großtat edelsten Ausmaßes, wenn die Verursacher und Ver- schulder dieses ungerechten Gesetzes bekennen könnten und bekennen würden, daß sie einem Irrtum unterlagen.

Daß es trotzdem immer Menschen gab und geben wird, die gegen ein wohlbegründetes Strafgesetz verstoßen, ist leider wahr und Wirklichkeit, berechtigt aber nicht das Abschaffen eines derart notwendigen Gesetzes.

Hier wäre dann das von Grit Ebner erwähnte Feld der menschlichen Hilfe zu sehen: konkrete, materielle und mitmenschliche Hilfe. Es ist keine Frage, daß Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, „unter einem für sie unerträglichen Druck“ stehen. Aber es ist auch keine Frage, daß die Straffreiheit der „Fristenlösung“ sie viel eher in diese Drucksituation bringt.

Ebner erwähnt auch die Bibelstelle von der Ehebrecherin und Jesus. Ja, Jesus, sagte, wer ohne Schuld sei, werfe auf diese Frau den ersten Stein. Er sagte aber nicht, ihr Tun sei keine Schuld. Nein, er vergab ihr die Schuld aus Barmherzigkeit und sagte ihr: Gehe hin und tue es nicht mehr!

Es steht noch einiges anderes im Neuen Testament über den Ehebruch, über Mann und Frau, über die Ehe, die Untreue, über die Kinder und über das Töten. Auch Jesus will uns mit seinen Gesetzen helfen, diese nicht zu übertreten.

Grit Ebner hat dahingehend recht, daß wir aufgerufen sind, diesen seinen Weg zu gehen und dem Leben zu dienen. Ist es aber kein Dienst am Leben, wenn auch weltliche Gesetze das Leben zu schützen trachten?

Der Autor ist Vorstand der Univ.-Klinik für Kinderheilkunde an der Universität Innsbruck.

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