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Abwertungsgerüchte oder Dolchstoßlegende?

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Wenn in diesen Tagen der Herr Bundeskanzler, sein Finanzminister und der Gewerkschaftsbundpräsident über die Abwertungsspekulation gegen den österreichischen Schilling sprechen, dann glaubt der informierte Zuhörer seinen Ohren nicht zu trauen. Hier wird systematisch eine neue Dolchstoßlegende für das Versagen der sozialistischen Wirtschaftspolitik während der letzten sieben Jahre aufgebaut.

Wer sind und wo sitzen denn die wirklichen Urheber der jüngsten Abwertungsspekulation? Wieso kommen gewisse Daten über Devisenabflüsse überhaupt in die Öffentlichkeit? Laut dem letzten Wochenausweis der Nationalbank vom 30. September 1977 betrugen die Devisenabflüsse 3,5 Milliarden Schilling. Das Fernsehen, das doch sicher kein Hort der Spekulanten und der Opposition ist, nannte viel höhere Zahlen!

Wenn also selbst das regierungsnahe Fernsehen beunruhigende Daten veröffentlicht, die entweder falsch sind, oder, falls richtig, besser bis zur Veröffentlichung des nächsten Wochenausweises der Na-

tionalbank geheim bleiben sollten, können dann die Manager und Wirtschaftstreibenden, die für ihre Firmen und nicht für die Währungspolitik verantwortlich sind ruhig und gelassen bleiben?

Es gehört zum Wesen der Marktwirtschaft, daß alle Menschen ihre wirtschaftlichen Dispositionen, auf Grund der ihnen legal zukommenden Informationen so treffen, daß sie dęp. größten Gew.inn erzielen. Wenn jemand annimmt, daß die oder die Aktie, Grundstücke in der oder der’Gegend ihren Wert Stark verändern werden, so wird er sie kaufen öder verkaufen, je nachdem ob er einen Preisanstieg oder einen Preisrückgang erwartet.

Genau so verhalten sich Export- Import-Kaufleute und Wirtschaftstreibende im Außenhandel, wenn sie annehmen, daß sich der Kurs einer Währung ändern wird. Wort- auf gründen nun die im Wirtschaftsleben stehenden ihre Meinung? Auf bloße Gerüchte?

Kurzfristig mag solches schon Vorkommen. So gab es beispielsweise auch 1968 einmal ein Abwertungsgerücht über den Schilling.

Natürlich verdächtigte auch die damalige ÖVP-Regierung die SPÖ-Opposition, dieses Gerücht lanciert zu haben. Damals aber ge-, nügte ein Dementi und schon war die Abwertungsspekulation gestoppt. Abwertungsgerüchte allein lösen nämlich keine lang andauernde Spekulationswelle aus. Das Spekulieren auf eine Abwertung durch den Kauf von ausländischen Banknoten oder den Transfer von Geldern ins Ausland, auf ausländische Sichtguthaben, ist sehr kostspielig und verletzt zudem die strengen österreichischen Devisengesetze.

Eine Aufwertung der DM und damit Abwertung des Schilling gegenüber der DM um beispielsweise 10 Prozent in einem Jahr bringt weniger Ertrag als der Kauf von österreichischen Anleihen, da DM-Banknoten und DM-Sichtein- lagen im Ausland keine Zinsen bringen.

Die verschiedenen Spekulationswellen gegen den österreichischen Schilling in den vergangenen Monaten wurden nicht durch Gerüchte, sondern durch die monatlichen Veröffentlichungen der Ergebnisse der österreichischen Handelsbilanz, der Defizite in der Zahlungsbilanz und der Entwicklung der Fremdenverkehrseinnahmen sowie die wöchentlichen Veröffentlichungen des Wochenausweises der Nationalbank ausgelöst.

Wie sollen sich denn die im Außenhandel tätigen Manager eine fundierte Meinung über Österreichs Wechselkurs bilden, wenn nicht durch Beobachtung dieser Daten? Auf Regierungserklärungen kann man sich doch nicht ausschließlich verlassen, man denke nur an das vorjährige Versprechen des Finanzministers, keine zusätzlichen Steuern mehr einheben zu wollen.

Eine unbedachte Äußerung des Bundeskanzlers kann allenfalls dazu beitragen, die Termindevisenkurse der ausländischen Währungen ansteigen zu lassen, die Erklärungen eines Oppositonspoliti- kers vermögen dies kaum. Jeder Wirtschaftstreibende weiß ja, daß es einen Regierungswechsel nicht vor 1979 geben kann, und den Wechselkurs bestimmt die Regierung autonom, zumindest so lange, wie die Nationalbank noch Devisenreserven besitzt.

Auslösendes Moment für die jüngste Abwertungsspekulation war das Krisenpaket der Regierung. Die Einhebung einer Luxus-

Steuer von zusätzlich 12 Prozent auf in 36 Zollpositionen enthaltene Waren wirkt für die betroffenen Waren wie eine Abwertung um 12 Prozent, hat außerdem aber den angenehmen Nebeneffekt, die Einnahmen der Regierung zu erhöhen. Es handelt sich eben um eine Abwertung des Schillings der Österreicher, die sich gerade ein Auto, einen Fotoapparat, Juwelen, Pelze, usw. kaufen wollen.

■w-v ie bloße Ankündigung dieser I § neuen Steuer hat. jętzt eine KäufweÜe der ab i. 1.1978 mit einer Luxussteuer belegten Waren ausgelöst. Diese Waren müssen überwiegend importiert werden, deswegen werden sie ja auch der Luxussteuer unterworfen, und daher steigt jetzt das Handelsbilanzdefizit extrem stark. Importe kann man aber nicht mit Kreisky-Worten, nicht einmal mit burgenländischen Wählerstimmen, sondern nur mit Devisen bezahlen. Deshalb also stiegen die Devisenabflüsse in den letzten Tagen so stark an.

Hinzu kommt vielleicht noch, daß sich angesichts der Wirtschafts- und Zahlungsbilanzdaten einige österreichische Exporteure überlegen, ob sie ihre DM-Rechnungen sofort eintreiben sollen oder vielleicht besser einen Lieferantenkredit gewähren, österreichische Importeure sagen sich: Ich bezahle lieber heute als in vier Wochen meine ausländischen Schulden. Wer will es ihnen verargen oder verbieten? Sie handeln jedenfalls in unserer Wirtschaftsordnung und von ihrem wirtschaftlichen Standpunkt aus richtig und verantwortungsbewußt, und sie können sich dabei auf eine internationale Autorität, den Internationalen Währungsfonds berufen.

Anläßlich der eben in Washington beendeten Weltwährungskonferenz konnte man den Standpunkt des Internationalen Währungsfonds zur Frage der Wechselkurspolitik in der Neuen Zürcher Zeitung lesen: „Im Urteil des Internationalen Währungsfonds haben sowohl die Politik der Nachfragesteuerung (das ist unsere Luxussteuer plus Maßnahmepaket) als auch die Wechselkurspolitik wesentliche sich wechselseitig bedingende Rollen zu spielen, soll der Anpassungsprozeß (Ausgleich der Zahlungsbilanz) funktionieren. Die Erfahrung habe deutlich gemacht, daß der Einsatz des einen Mittels ohne das andere leicht zur Wirkungslosigkeit verurteüt sein könne.“

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