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Acht asiatische Zwerge zeigen Selbstbewußtsein

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„Think Asean!" lautet der selbstbewußte Wahlspruch der Association of South-East Asian Nations (ASEAN), die am 8. August 1967 in Bangkok gegründet worden war. Die Bilanz nach 25 Jahren Zusammenarbeit von Indonesien, Malaysia, Thailand, Singapur und den Philippinen (Brunei trat erst 1984 bei) ist jedoch zwiespältig.

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„Think Asean!" lautet der selbstbewußte Wahlspruch der Association of South-East Asian Nations (ASEAN), die am 8. August 1967 in Bangkok gegründet worden war. Die Bilanz nach 25 Jahren Zusammenarbeit von Indonesien, Malaysia, Thailand, Singapur und den Philippinen (Brunei trat erst 1984 bei) ist jedoch zwiespältig.

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Zwar konnte sich die ASEAN auf dem politischen Parkett zu einer international anerkannten Kraft entwickeln, aber die ökonomische Integration hat nur wenige Fortschritte aufzuweisen. Die dramatische politische Situation in dieser Region war der Hauptgrund für den Zusammenschluß. Zuerst das Vordringen des Vietkong in Süd-Vietnam mit der Gefahr des Übergreifens kommunistischer Guerillatätigkeiten auf die Nachbarstaaten und später die Kambodscha-Frage veranlaßten die fünf Staaten zu einem Zweckbündnis mit der ideologischen Klammer des Anf i-kommunismus.

Die ASEAN war jedoch nie als militärischer Verteidigungspakt konzipiert. Diese Funktion erfüllte der 1954 gegründete, jedoch wenig erfolgreiche Südost-Asien-Pakt (SEA-TO), sowie ab 1971 der ANZUK-Pakt, auf dessen Grundlage in Malaysia und Singapur nach deren Unabhängigkeit vom Commonwealth (1963 beziehungsweise 1965) australische, neuseeländische und britische Streitkräfte stationiert wurden.

Die ASEAN beschränkt sich dagegen auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Kooperation. Ihr oberstes Gremium, die Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs, trat erstmals 1976 auf Bali zusammen,wo ein „Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit in Südost-Asien" und ein Aktionsprogramm, die „De-

claration of ASEAN Concord", beschlossen wurden. Ziel war die Schaffung einer „Zone des Friedens, der Freiheit und der Neutralität". Die politische Stabilität soll durch eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung erreicht werden: vor allem mit einer Handelsliberalisierung und einer regional arbeitsteilig abgestimmten Industrieentwicklung. Fortschrit-

te brachte bald die Kooperation in den Bereichen Rohstoffe, Nahrungs- und Energieversorgung. Aber die parallelen Exportstrukturen der Mitgliederstaaten und das interne Entwicklungsgefälle innerhalb der ASEAN ließen den weiteren Vorhaben dieses Programms nur einen bescheidenen Erfolg zukommen.

Reine Rohstofflieferanten

Zwar erreicht die Größe des ASEAN-Marktes mit rund 300 Millionen Menschen annähernd die des EG-Marktes, doch während diese zwölf europäischen Länder ihren

Außenhandel zu rund 70 Prozent untereinander abwickeln können, sind es bei den sechs südostasiatischen nur knapp 20 Prozent. Deren Haupthandelspartner sind die USA und Japan, mit denen die ASEAN in der 1989 gegründeten APEC (Asia-Pacific Enonomic Cooperation) vereint ist, sowie die Europäische Gemeinschaft auf der Basis des 1980 paraphierten

Abkommens über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Im Gefüge der Weltwirtschaft könnte die ASEAN angesichts der zum Teil reichlich vorhandenen Ressourcen keine unbedeutende Rolle spielen: Alleine aus Malaysia, Indonesien und Thailand stammen etwa drei Viertel der Naturkautschuk- und ein Drittel der Zinnproduktion. Doch fehlt unter anderem wegen des geringen Entwicklungsgrades der verarbeitenden Industrien die Möglichkeit, diesen Trumpf auszuspielen. Deshalb sind die meisten ASEAN-Länder, wie der Großteil der Dritten Welt, zu rei-

nen Rohstofflieferanten für die Industrieländer degradiert und leiden unter dieser Exportabhängigkeit. Mitverantwortung dafür trägt auch, mit Ausnahme von Thailand, die vom Kolonialismus geprägte Vergangenheit. Die USA, die Niederlande und das britische Empire haben mit ihrem Imperialismus den Grundstein für die weitere Unterentwicklung gelegt.

Die Macht des Militärs

Die Erlangung der Unabhängigkeit -1946 die Philippinen, 1949 Indonesien, 1963 Malaysia, 1965 Singapur, 1984 Brunei - war für die meisten jungen Staaten mit einem schwierigen historischen Erbe verbunden. Einzig Thailand, das ehemalige Siam, konnte seine staatliche Souveränität durch die Jahrhunderte bewahren. Vor 210 Jahren kam die noch heute regierende Königsdynastie der Chakri an die Macht. Doch die politisch wesentlich einflußreichere Rolle spielen die Militärs, die erst vor wenigen Monaten die Proteste der Opposition blutig niederknüppelten.

Der Kritik der Weltöffentlichkeit ist auch das autoritäre Regime von Präsident Suharto, der seit 25 Jahren an der Spitze Indonesien, steht, ausgesetzt. Im Jahr 1975 hatten seine Truppen Ost-Timor gewaltsam okkupiert. Seither sollen nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International fast ein Drittel der Einwohner Ost-Timors durch die Folgen der Besetzung ums Leben gekommen sein. Zuletzt zeigten Massaker Ende des vergangenen Jahres die nach wie vor grausame Präsenz der indonesischen Armee. Durch ein Demokratiedefizit ist auch Malaysia, das künstliche Produkt der britischen Kolonialherrschaft, geprägt:

Den 60 Prozent Malaien, die durch eine ethnische Hegemonie herrschen, steht die restliche Bevölkerung von Chinesen und Indern mit einem unterprivilegierten Status gegenüber. Die innenpolitische Situation auf den

Philippinen, nach Indonesien das zweitärmste ASEAN-Land, ist nach wie vor labil. Sechs Jahre nach dem Sturz Ferdinand Marcos muß das Militär erst unter Beweis stellen, daß es sich auf Dauer von jeglicher Einmischung in das politische Geschehen fernhalten wird. Sieben Putschversuche während der Präsidentschaft von Corazon Aquino illustrieren seine Machtambitionen.

Singapur und Brunei sind die Krösusse der ASEAN: der Stadtstaat als bedeutender Warenumschlagplatz und wichtiges Invest- und Bankenzentrum, das Sultanat auf NW-Bor-neo wegen seiner Erdöl- und Gasvorkommen.

Permanente Integrationskrise

Die Schwierigkeiten einer Wirtschaftsallianz der ASEAN können angesichts dieser Unterschiede zwischen ihren Mitgliedern nicht verwundern, denn wesentlich geringere Probleme innerhalb der EG sind permanent Anlaß für Integrationskrisen. Innerhalb der ASEAN schwankt etwa das Bruttosozialprodukt pro Kopf und Jahr, das jedoch die erheblichen internen Einkommensunterschiede unberücksichtigt läßt, zwischen rund 500 US-Dollar (Indonesien) und dem 30-fachen (Brunei).

Trotz seiner wirtschaftlichen Schwäche ist Indonesien die treibende Kraft in der ASEAN. In den letzten Jahren hatte aber auch Malaysias Ministerpräsident Matahir seinen Führungsanspruch angemeldet, indem er das Konzept eines starken ostasiatischen Wirtschaftsblocks (East Asia Economic Group) entwickelte, der die ASEAN mit Japan, Süd-Korea, Vietnam, Laos, China, Taiwan und Hongkong zusammenschließen sollte. Doch dieser Plan wurde fast durchwegs mit Zurückhaltung aufgenommen.

Der Kreis der ASEAN hat sich vor kurzem erweitert. Am 22. Juli sind Vietnam und Laos beigetreten.

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