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Acht mal zehn

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Als Karl Schranz noch Meisterschaften und Medaillen einheimste und als er damit gar nicht aufhören wollte, steckten Weise ihre Köpfe zusammen und fragten einander, was wohl sein Geheimnis sei. „Wie macht er das nur?” sinnierte ein Weiser vor sich hin und nach längerem Überlegen antwortete ein anderer: „Er fährt schneller”.

Um schneller zu fahren, bedarf es nicht nur der unvermeidlichen körperlichen Voraussetzung, sondern auch eines zäh trainierten Willens und einer überschäumenden Freude an der Sache. Um aber nicht wie ein Meteor aufzusteigen und nach wenigen Wintern wieder dem sehr kurzen Gedächtnis der Volksmenge so gänzlich zu entschwinden, als sei nichts gewesen, genügt auch das nicht. Idol des Volks nach längst errungenen, nie wieder erreichbaren Siegen bleibt nur, wer dazu die nötige Intelligenz besitzt und wer diese Intelligenz in Worten und mit Gebärden auszudrücken vermag. Als ich vor Jahren behauptete, Schranz besitze diese Intelligenz und werde daher auch nach seiner Abdankung Idol bleiben, erregte dies Widerspruch, und etliche der Meinungsproduzenten, die sich damals zudem gerade auf das Stichwort von der Schranz-Hysterie geeinigt hatten, belegten mich in Zuschriften mit Bezeichnungen.

Wie intelligent Schranz ist, hat sich unterdessen allerdings herausgestellt. Und eine Filmserie, die in FS 1 demnächst anlaufen wird, beweist es aufs neue. Die während des vergangenen Winters im Arlberg-, Verwalt- und Kitzsteinhomgebiet aufgenommene Sendereihe „Schranz mal acht” beginnt am 9. November um 16.50 Uhr. Achtmal zehn Minuten lang erläutert Schranz im Nachmittagsprogramm auf einanderfolgender Samstage die Grundzüge österreichischen Skifahrens nach dem von Prof. Hoppichler soeben herausgebrachten neuen Lehrplan, und Hoppichlers weltbekannte Demonstrationsgruppe vom Bundessportheim St. Christoph zeigt das theoretisch und in seinen praktischen Anfängen Gelehrte mit der ästhetischen Perfektion eines Freilichtballetts.

Was diesen Fernsehskikurs von so vielen früheren unterscheidet, ist das scheinbar Improvisierte, fast Beiläufige und immer wieder Spielerische, mit dem hier das anfänglich Unbeholfene ins Freie und Gelöste empor stilisiert wird, bis die in jeder Phase bewältigte Bewegung jene Vollendung des Ausdrucks erreicht hat, in der Körper und Geist einander zu begegnen scheinen. (Nur beim Eisläufen und im Reitsport läßt sich Ähnliches erzielen.) Kein Wunder, daß man sich nicht nur im deutschsprachigen Ausland und in Japan für diese Sendereihe mit dem österreichischen Gütezeichen interessiert und daß Schranz auch eine englische Version (ungeachtet seines tirolischen Akzents) sprechen mußte. Es geht hier nicht nur um die Ausrüstung, um das erste Stehen auf den Brettern und um die Fehler, die jedem Anfänger unterlaufen, es geht nicht zuletzt auch um das gute Benehmen auf den Pisten. Und eben hier, beim guten Benehmen, ist jener Punkt erreicht, der Qua-* litäten erfordert, die über Intelligenz und Witz hinausgehen. Als psychologisches Naturtalent erweist sich Schranz nämlich, mehr noch als bei der Belehrung des internationalen Publikums der Skischule von St. Anton, in der Begegnung mit Kindern, die ihn bunt und regellos umringen, die aber seinem Wink gehorchen, wo sie zu spielen glauben und in Wirklichkeit bereits trainieren.

Selbstbeherrschung, Intelligenz, Psychologie — gibt es eigentlich einen empfehlenswerteren Exportartikel’?

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