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Adel verpflichtet

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Unter dem herzerfrischenden Motto:,, Wenn die Kühe gehen, dann kommen die Gäste", warb Kühtai im In- und Ausland um zahlungskräftige Urlauber.

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Unter dem herzerfrischenden Motto:,, Wenn die Kühe gehen, dann kommen die Gäste", warb Kühtai im In- und Ausland um zahlungskräftige Urlauber.

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Zahlungskräftig deshalb, weil Kühtai nicht gerade billig ist. Aber dafür ist der Kunde (fast) König.

Kilometer um Kilometer schlän­gelt sich die Straße ab Seilrain im Oberinntal steil bergauf und Warn­tafeln mit „Lawinengefahr“ mögen ausländischen Autofahrern das Gruseln beibringen.

Genau auf 2020 Meter Seehöhe verkündet ein Ortsschild, daß man sich in „Kühtai" befindet. Doch den Ort sucht man vergeblich. Hotel, Ho­tel, Hotel, Sparkasse, Sportge­schäfte und wieder Hotels. Orts­ende. Das ist Kühtai. Insgesamt elf Einwohner, und der Rest sind über­wiegend „Gastarbeiter" aus der Steiermark und Kärnten, die die

Saison abarbeiten, um dann mit ge­füllter Brieftasche eine andere Sai­sonarbeit zu suchen.

Und natürlich die Urlauber. In Scharen füllen sie die winterlichen Hänge und Loipen, stolz den Liftpaß auf der Brust, wissend, daß sie unter sich sind. Manches Gräflein und Ba- rönlein ist darunter, mehr oder we­niger inkognito unters Volk ge­mischt.

Eine schwarz-gelbe Fahne flattert fröhlich im kalten Bergwind und tut kund, daß hier das „Jagdschloß“ sey und dero Herr, Karl Graf zu Stol­berg-Stolberg, wahrhaftiger Uren­kel des seligen Kaisers. Ein großer, gemütlicher Herr mit weißem Bart, mehr an einen Weidmann, als denn an einen Grafen erinnernd. Doch das muß so sein, denn daran er­kennt man einen wirklichen Grafen.

Sein Haus ist stilgemäß. In der Halle regiert die vornehme Stille, nur ein elektronischer Spielautomat ist die Konzession an die herrschaft­lichen Kinder, die den Reiz solcher Bildschirme bevorzugen. Und Herr­schaften sind alle, die hier abstei­gen. In schwerem Silber wird die Suppe kredenzt und anschließend vielleicht ein guter Tafelspitz, den der Kaiser schon am Vormittag, und das tagtäglich, einzunehmen pflegte. Und geschäftig huscht das Personal hin und her, trotzdem freundlich wie es sich gehört, in solch feinem Hause.

Abends wird es lustiger in der Schloßbar, wenn die heißen Schei­ben auf dem Disco-Teller rotieren und das Schivölkchen ihre tagsüber lädierten Muskeln auflockert.

In den anderen Häusern mit den wenig phantasievollen Namen wie „Alpenrose“ oder „Laurin“ hat der obligate Tiroler-Abend Saison, und wem’s gefällt, der kann mittun. Und da das Hauptkontingent der Gäste von der Bundesrepublik gestellt wird, gefällt’s sicher.

Ob’s billig ist, steht auf einem an­deren Blatt. Die Preise schwanken zwischen S 500,- und S 850,- in der Hauptsaison, allerdings inklusive Vollpension. Wobei Gourmets si­cher das „Jagdschloß" bevorzugen werden. Eine Kritik möchte ich aber schon anbringen: Freunde des ed­len „Kalterers", einer Rotweinsorte aus Südtirol, mögen mir verzeihen. Weinkenner bevorzugen ihn sicher nicht unbedingt. Und leider führen ihn alle Hotels. Leider deshalb, weil ausschließlich. Und in Häusern die­ser Preisklasse darf man sich ein größeres Rotweinangebot erwarten

und kein erstauntes Gesicht des Kellners bei der Frage nach einem französischen Landwein, wie im „Jagdschloß" passiert. Dort heißt der „Kälterer" zwar „Schloßwein“, die Traube ist jedoch dieselbe. Auch beim Kaffee spürt man die Ehrfurcht

vor dem deutschen Gast. Marke „Blümchen“ gibt’s allerorts, nur die gräfliche Bohne ist excellent. Und daß eine Suppe, pardon, Brühe, nach Maggi schmeckte, dürfte im Haus „Elisabeth“ wohl eine Aus­nahme gewesen sein.

Diese Kleinigkeiten seien deshalb erwähnt, weil sie meiner Meinung nach überall vorkommen und nicht nur in Kühtai, das Preisniveau aber anderes erwarten läßt.

Skifahrer kommen in Kühtai voll auf ihre Rechnung, die Lifte sind nicht teuer und die Hänge bestens präpariert. 41 Skilehrer betreuen Haserln und Hasen, und fesch sind sie auch.

Ein Nach- und Vorteil sind die Hänge selbst. Der rasante Abfahrer wird sicher enttäuscht sein, denn die Pisten reichen über die Klasse für Mittelmäßige nicht hinaus.

Diese und Anfänger werden je­doch ihre helle Freude haben. Auch mit den Liftkapazitäten. Wartezeiten gibt es so gut wie keine.

Langstreckenläufer finden zirka 20 Kilometer bestens präparierte Loipen vor - eine zwar nicht über­wältigende Länge, doch man mußte sich in dieser Höhenlage den Gege­benheiten anpassen.

Soweit mir bekannt ist, gibt es in Europa nirgends auf solcher Höhe Tennishallen. Kühtai hat sie. Somit kommen auch Tennisfreunde auf ihre Kosten. Natürlich gibt es auch hoteleigene Hallenbäder, so daß die Fitneß nicht zu kurz kommt.

Geheimtip: Auch einmal im Som­mer hinfahren. Ein herrliches Berg­wandergebiet. Auskünfte: Ver­kehrsverein A-6183 Kühtai K. N.

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