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Ängste zählen, nicht die Unterschriften

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Was die einen erhofft und die anderen befürchtet haben, ist nicht eingetreten: Mit nur 417.278 Unterschriften unter das FP-Begehren hat am allerwenigsten Jörg Haider selbst gerechnet.

Meinungsumfragen - im Jänner noch Gallup-Ergebnisse - hatten ihm mit 1,6 Millionen Sympathisanten und über 800.000 „sicheren” Unterschreibern ein triumphales Abschneiden vorausgesagt. Die Grazer Gemeinderatswahl - FPÖ-' Stimmenanteil über 20 Prozent - wurde noch vor Wochenfrist als überzeugende Zustimmung gefeiert - jetzt haben dort 8,5 Prozent der Stimmberechtigten unterschrieben. Was ist passiert?

Haider reagiert mit typischem Politi-kerreflex: Die anderen sind schuld, die anderen Parteien und Institutionen, die Kirchen, die Medien. Obwohl publizistische Fürbitter - vom „Krone”-Staberl abwärts bis hin zu Kurt Dieman - ihr Bestes getan haben. Und es habe Drohungen und Behinderungen gegeben.

Jeder einzelnen Behinderung muß nachgegangen werden. Hunderttausende, die in der Endabrechung fehlen, wurden aber weder schikaniert noch drangsaliert. Sie sind einfach nicht hingegangen. Die abgrundtiefe Diskrepanz zwischen Erwartung und Ergebnis hat daher auch mehrere Ursachen, wenigstens drei:

Ursache Nummer eins scheint ein nach wie vor weitverbreitetes Mißverständnis des Instruments „Volksbegehren” zu sein, unter dem sich viele „Beumfragte” so etwas wie eine Volksabstimmung vorgestellt haben, eine Entscheidung in der Wahlzelle. „Behindert” hat da die Notwendigkeit, dann persönlich und namentlich unterschreiben zu müssen.

Ursache Nummer zwei ist der beeindruckende Schulterschluß all jener, die - über weltanschauliche und politische Grenzen hinweg - für mehr Toleranz Ausländern gegenüber eingetreten sind. Das hat viele zum Überlegen gebracht.

Ursache Nummer drei liegt bei Haider selbst, der durch seine derben Angriffe auf alles, was in diesem Staat Rang und guten Namen hat, nicht wenige „behindert”, besser: abgestoßen hat.

Peinlich. Nicht minder peinlich ist letztlich auch die Blamage, daß die Hüter des Deutschtums ein Volksbegehren formuliert haben, welches die Ausländerfrage an sich (Punkt 2) für „illegal”, also - auf gut deutsch - für ungesetzlich erklärt. Die Ängste und Befürchtungen der Menschen, denen mit 400.000 Unterschriften Ausdruck verliehen wurde (siehe Seite 5), verdienen es in Gegensatz dazu, sehr ernst genommen zu werden. Das Ausländerthema ist damit nicht abzuhaken, sondern bleibt ein brisantes Potential.

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