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Afrika als Deponie

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Vorigen Mittwoch einigten sich 117 Länder bei einer Konferenz über den internationalen Handel mit Müll darauf, „daß der grenzüberschreitende Verkehr mit Sonderabfällen auf ein mit der umweltgerechten und effizienten Behandlung von solchen Abfällen vereinbares Mindestmaß eingeschränkt wird“. Exportiert werden dürften Sonderabfälle überhaupt nur mehr dann, wenn im Exportstaat keine geeigneten und ausreichenden Beseitigungsmöglichkeiten vorhanden seien.

Das klingt gut, wird aber an den bestehenden Mißständen im internationalen Müllhandel wenig ändern. Denn kein Industrieland kann heute seine Sonderabfälle angemessen entsorgen. Typisches Beispiel ist Österreich: Einem jährlichen Anfall von 500.000 Tonnen Sondermüll steht hierzulande eine Entsorgungskapazität von 60.000 Tonnen gegenüber.

Und der Rest? Er landet „meist auf wenig oder gar nicht geeigneten Lehm- oder Schottergruben auf betriebseigenen Grundstük- ken“, faßt Monika Langthaler, Müll-Expertin des Wiener Ökologieinstituts, ihre Erfahrungen zusammen (FURCHE 42/1988). In den anderen Industrieländern ist die Situation ähnlich, denn ordnungsgemäße „Entsorgung“ wird zunehmend teurer, die Bevölkerung in Sachen Umweltgefährdung immer sensibler.

Was liegt da näher, als sich das Gift mittels Export vom Hals zu schaffen — und zwar dorthin, wo es am wenigsten kostet? Auf diese Weise hat sich ein internationaler Müll-Handel von beachtlichem Ausmaß mit den Ländern der Dritten Welt entwickelt: die Dritte Welt als Müllkippe der Industrieländer.

Einige spektakuläre Fälle haben in letzter Zeit die Aufmerksamkeit auf diese neue Form der „Ausbeutung“ aufmerksam gemacht.

Wirklich grotesk ist die im Juni 1988 bekanntgewordene Affäre um Sunday Nana, einen Bauern in

Nigeria. Er hatte sein Grundstück um 100 Dollar (1250 Schilling) im Monat für die Lagerung von 6000 Fässern an den Italiener Gianfranco Raffaeli vermietet in der Annahme, diese enthielten Baumaterialien. Tatsächlich bestand ihr Inhalt jedoch aus hochgiftigen Chemieabfällen, deren Beseitigung Kosten in der Höhe von 20.000 Schilling je Tonne bereitet hätten. Und das bei einer Gesamtmenge von 4000 Tonnen!

Als die Sache publik geworden war, ließ die nigerianische Regierung 40 Zöllner und Geschäftsleute verhaften und zwang damit die italienische Regierung, für die Rückholung der Giftladung zu sorgen. Mit dieser Aktion wurde der mittlerweile wegen seiner Odyssee berühmt gewordene Frachter „Karin B“ betraut, der wochenlang nirgends anlegen durfte.

In der breiten Lücke zwischen billiger „Entsorgungs“-Möglich- keit in der Dritten Welt und hohen Beseitigungskosten in den Industrieländern versuchen immer mehr Unternehmen, lukrative Geschäfte zu machen. Bekannt werden nur wenige Fälle: 69 hat die Umweltschutzorganisation „Greenpeace“ dokumentiert, die Spitze eines Eisberges.

Bei einem Kontrakt des Liechtensteinischen Unternehmens „Bauwerk“ mit einem kongolesischen Partner ging es etwa um eine Liefermenge von einer Million Tonnen Müll. Die Sache flog auf, und drei hohe Persönlichkeiten der Regierung des Landes wurden verhaftet.

Guinea-Bissau hat das französische Unternehmen „Intercon- trat SA“ einen Vertrag auf 50.000 Tonnen im Jahr angeboten gehabt, wąr dann aber nicht ins Geschäft gekommen, weil zwei englische Unternehmen mit einem größeren „Deal“ (15 Millionen Tonnen auf fünf Jahre verteilt zu einer Pauschalsumme von 600 Millionen Dollar oder 7,3 Milliarden Schilling) bei der Hand waren.

Daß auch dieser Vertrag nicht zustande gekommen ist, war einzig auf den Druck der besorgten Nachbarländer des kleinen westafrikanischen Landes zurückzuführen. Denn das Angebot war für Guinea-Bissau äußerst verlok- kend, wie Handels- und Fremdenverkehrsminister Manuel Maria Dos Santos erklärte: „Wir brauchen das Geld einfach.“ Schließlich entsprechen die 600 Millionen Dollar dem Doppelten der gegenwärtigen Auslandsverschuldung des Landes.

So geraten die Länder der Dritten Welt (und wohl auch die Ostblockländer) unter einen doppelten Druck. Um mit ihren Schulden zurechtzukommen, sind sie auf lukrative Geschäfte mit den Industrieländern angewiesen.

Solche Geschäfte bieten sich überall dort an, wo nach den Regeln der internationalen Arbeitsteilung die Wirtschaft Kostenvorteile erspäht. Und solche scheinbaren Kostenvorteile ergeben sich eben dank des mangelnden Umweltbewußtseins in den meisten Ländern der Dritten Welt.

Die Rechtfertigung des internationalen Handels basiert theoretisch darauf, daß der Güteraustausch zu einer allseitigen Wohlstandsmehrung führt. Schon das ist zweifelhaft genug. Keinesfalls aber läßt sich diese Annahme auf den Handel mit Abfall übertragen.

Er ist kein „Gut“, sondern ein „Un-Gut“. Die einzig angemessene Form mit ihm umzugehen, wird dann gefunden werden, wenn die Abfallproduzenten gezwungen werden, sich selbst um seine Beseitigung zu kümmern. Dazu hätte die Baseler Konferenz einen Beitrag leisten können, indem sie den internationalen Müllhandel gänzlich untersagt hätte. So wird aber weiter mit

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