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Agrarischer Sprengsatz

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Gift in der Nahrung, überdüngte Äcker, Ausgaben von 4,5 Milliarden Schilling jährlich für Düngung und Pflanzenschutz schocken die Konsumenten. Was tun?

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Gift in der Nahrung, überdüngte Äcker, Ausgaben von 4,5 Milliarden Schilling jährlich für Düngung und Pflanzenschutz schocken die Konsumenten. Was tun?

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Die österreichische Land- und Forstwirtschaft bewirtschaftet mehr als 80 Prozent Gesamtfläche des Landes. Der flächenstrukturelle Wandel während der letzten 30 Jahre ist allerdings beachtlich: So hat sich zum Beispiel das Ackerland zwischen 1955 und 1984 flächenmäßig um mehr als 14 Prozent auf rund 1,43 Millionen Hektar vermindert, die Weide- und Almflächen gingen sogar um 22 Prozent auf 999.000 Hektar zurück, insgesamt hat sich die landwirtschaftliche Nutzfläche in diesen drei Jahrzehnten um etwa 13 Prozent auf 3,54 Millionen Hektar vermindert, während die forstwirtschaftliche Nutzfläche um fünf Prozent auf 3,20 Millionen Hektar anstieg. Viele Grünlandflächen mit stärkerer Hangneigung werden nicht mehr agrarisch genützt, die Almwirtschaft wurde wegen des Arbeitskräftemangels eingeschränkt. Täglich gehen fast 25 ha Boden für infrastrukturelle Einrichtungen verloren.

Die Intensivierung der Agrarproduktion vollzog sich vor allem auf der Ackerfläche und kommt auch in der Tatsache zum Ausdruck, daß sich in den vergangenen drei Jahrzehnten die Zahl der land- und forstwirtschaftlich Erwerbstätigen um 71 Prozent auf etwa 307.500 verminderte, der Traktorenbestand um das 20f ache auf 350.000 zunahm und die Anzahl der Pferde von 280.000 auf 42.000 zurückging, was zusätzlich etwa 300.000 Hektar Futterfläche für den Ackerbau oder die tierische Produktion frei machte.

Uberall wird indessen spürbar, daß die Beherrschung der Natur, die sich der Industrialis-müs zum Ziel gesetzt hat, gerade in der Agrarproduktion auf unverrückbare Grenzen stößt. Die Natur - sie ist nicht hur Grundlage der Agrarproduktion, sondern des menschlichen Daseins überhaupt- kann in gewissen Grenzen gestaltet, aber nicht beliebig manipuliert werden. In einem Ge-birgsland wie Österreich verbietet sich zwar eine allgemeine und durchgehende Industrialisierung der Agrarproduktion von selbst, weil die technologischen und ökonomischen Grenzen sehr viel enger wirksam werden als in anderen Gebieten der Welt, trotzdem sind Fehlentwicklungen unverkennbar.

Die EG-Umweltministerkonferenz hat im April 1985 nicht zuletzt aus diesen Überlegungen heraus beschlossen, einen Katalog zu erstellen, der sehr genau aufzeigt, wie die Landbewirtschaftung in den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft (siehe Kasten) erfolgt und welche Wettbewerbsverhältnisse gegeben sind. In Nordrhein-Westfalen wurden flächendeckende Bodenbelastungskataster eingerichtet. Einzelne Erhebungen sind bereits abgeschlossen und haben zum Teil beunruhigende Ergebnisse hinsichtlich der Belastung der untersuchten Böden mit Schadstoffen (vor allem mit Schwermetallen) erbracht.

Nicht zuletzt deshalb schlug der langjährige Leiter des Max-Planck-Instituts für Landtechnik in der Bundesrepublik, Professor Gerhard Preuschen, Alarm: 30 cm der obersten Bodenschicht sind seiner Meinung nach durch die falsche Bewirtschaftung in vielen Intensivbetrieben bereits geschädigt.

Der Boden wird zur Nagelprobe für alle Beteiligten: für die Bauern, die es zur ureigenen Aufgabe zählen, den Boden zu schützen, von dem sie leben, und dennoch zunehmend ins umweltpolitische Schußfeld geraten; schließlich für die Gemeinden, die im Wettbewerb um die Ansiedlung von Industriebetrieben der Verlockung ausgesetzt sind, großzügiger als Konkurrenzstädte zu sein. Für die Industrie geht es darum, ihre immer wieder bekundete aktive Haltung und positive Einstellung zum Umweltschutz auch Wirklichkeit werden zu lassen, um zu dokumentieren, daß alle an einem Strang ziehen. An Konzepten fehlt es nicht.

Die Verwirklichung eines umfassenden Bodenschutzkonzeptes ist in Österreich aber nicht einfach. Es gibt eine komplizierte Verfassungslage. Länder- und Bundeskompetenzen sind breit aufgefächert, die Bundeskompetenzen auch nicht in einer Hand. Es stellt sich daher die Frage, wie man besser koordinieren kann, um im legistischen Bereich konsequent vorgehen zu können. Eine öko'ökonomische Agrarpolitik kostet Geld, kurzfristig wahrscheinlich mehr als die konventionelle. Eine neue Agrarpolitik tatkräftig unterstützt von den Konsumenten, wäre aber die beste Investition in die Zukunft. Sie könnte als Vorreiter für ein generelles Umdenken in der Wirtschaftspolitik eine hoffnungsvolle Signalwirkung ausüben.

Ein Bodenschutzkonzept müßte aber unter anderem folgende Schwerpunkte aufweisen:

• Schaffung neuer agrarpoliti-scher Rahmenbedingungen, um den Landwirten in den Ackerbaugebieten eine aufgelockerte Fruchtfolge zu erleichtern, z. B. durch den Anbau von Eiweiß-und ölsaatenpflanzen.

• Minimierung von qualitativ und quantitativ problematischen Stoffeinträgen aus Industrie, Gewerbe, Verkehr und Haushalten in den Boden durch Verankerung von Schadstoffschwellen.

• Die Bodennutzungen sollten in Hinkunft stärker an natürliche Standortvoraussetzungen angepaßt werden, Rohstoffvorkommen wären aus ökologischer und volkswirtschaftlicher Gesamtschau sparsam zu nutzen.

• Bund, Länder und Gemeinden müssen zur Sicherung und Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen in Hinkunft stärker den Umwelterfordernissen bei Planungsvorhaben und bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen Rechnung tragen.

• Zu überlegen wäre in Hinkunft auch eine grundlegende Bodenbeobachtung und Bodendokumentation, vielleicht in Form einer Umweltprobenbank, wie es die Bodenschützkonzeption der deutschen Bundesregierung vom 7. März vorsieht.

• Eine neue, ökologisch akzentuierte Agrarpolitik mit vertretbaren Alternativproduktionen müßte den Landwirten zur Erwirtschaftung entsprechender Einkommen den pflanzenbaulich notwendigen und betriebswirtschaftlich sinnvollen Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln erleichtern.

Der Autor ist Leiter der Abteilung für Agrarökonomie und Statistik im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft

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