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Akademische Papierflut

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Hohe Auflagen, von denen andere nur träumen können, sind die eine Seite der Studentenpresse; weitgehende Nichtbeachtung durch die Zielgruppe die andere.

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Hohe Auflagen, von denen andere nur träumen können, sind die eine Seite der Studentenpresse; weitgehende Nichtbeachtung durch die Zielgruppe die andere.

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Sie sind die zukünftigen Liebkinder der Werbewirtschaft. Mit überdurchschnittlicher Bildung, die sie sich aber gerade erst aneignen, und überdurchschnittlichem Einkommen, das ja hoffentlich auch nicht mehr lange auf sich warten läßt, sind Studenten die A-Schicht-Leser im Brutkasten.

Neben den vielen, auch bei anderen Leserkreisen bekannten Presseprodukten, die sie in Ausübung ihres angeblich überdurchschnittlichen Leseverhal-

tens konsumieren, gibt es auch noch jene Mediengattung, die genau auf diese Gruppe zugeschnitten ist: die Studentenpresse, deren große Zeit auch schon wieder vorbei ist, seit sie in den siebziger Jahren im Zuge der Nachwehen von anno 68 eine Hochblüte erlebte.

An Titeln fehlt es allerdings auch heute nicht. Wie im wirklichen Leben hat auch an den Universitäten zunächst einmal jede Fraktion ihr Organ.

Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG), auch nach den letzten Wahlen wieder stärkste Gruppe im Zentralausschuß der Hochschülerschaft, bringt österreichweit den .Report* heraus, der in einer Auflage von 100.000 Stück an die Studenten gratis verschickt wird. In Vorwahlzeiten sind auch schon 120.000 Stück drinnen.

Die Themenwahl geht bewußt über rein studentische Belange hinaus. Der Fall des Kinderarztes Friedrich Braun, der sich mit Versuchen an Säuglingen zu habilitieren suchte, füllt ebenso wie die Reportage über den steirischen Ort Kalwang oder ein Porträt von Gerhard Heilingbrunner den Raum zwischen den Inseraten, die das eigentliche Geschäft der studentischen Gratiszeitungen sind. Daß die Hochschulpolitik trotzdem nicht zu kurz kommt, versteht sich von selbst, bei der Konkurrenz ist es nicht viel anders.

Der Verband der sozialistischen Studenten Österreichs (VSSTÖ)

konzentriert sich in der .Rotpress* sogar noch mehr auf die Pflichten des Homo Politicus. Und das sogar in zwei Ausgaben, einmal zu 120.000 Stück für ganz Österreich und einmal zu 20.000 Stück für Wien. Daß diese beiden Ausgaben nicht immer die gleiche Meinung vertreten, wird nur von böswilligen politischen Konkurrenten als Symptom für interne Flügelkämpfe gewertet.

Von derlei Dingen unbeeinträchtigt zeigt sich die Junge europäische Studenteninitiative (JES) in ihrem Blatt .Student aktuell*. Ihr ist es viel 'wichtiger, in möglichst jeder Nummer die Konterfeis der konservativen Spitzenstudenten den potentiellen Wählern zu präsentieren. Potentieller Wähler ist nur der frischgebackene Student. Höhersemestri- ge erhalten keine Zusendung der Studentenblätter.

Neben den Fraktionszeitungen hat die Studentenvertretung auch 'ihre offiziellen Medien. Für Wien soll 17mal im Jahr ,Uni aktuell* Informationen über die Tätigkeit der ÖH bei der Vertretung studen-

tischer Anliegen bieten. Verantwortlich ist die Mehrheitsfraktion (AG), was von den anderen Gruppen natürlich mit großer Skepsis beobachtet wird.

Eine besondere Stellung im Szenario nahm bis 1985 der ,ÖH- Express* ein, der als Zeitung des Zentralausschusses in einer Auflage von 100.000 Stück in ganz Österreich verschickt wurde.

Hier versuchte die Redaktion auf linksliberalem Kurs (Eigendefinition) statt Hochschulpolitik Unterhaltung mit zeitgeistig aufgemachten Gesellschaftsthemen zu bieten. Man hatte offenbar erkannt, daß sich der durchschnittliche Student für die Freistilringkämpfe in den Gremien ungefähr ebenso brennend interessiert wie für die Oberwarter Bezirksmeisterschaften im Anmäuerln.

Auf die Dauer ging das aber nicht gut, der ÖH-Express wurde eingestellt. Offizielle . Begründung: ein zu großes Defizit, das 1985 in den Finanzen der ÖH herrschte, und zu dem der ÖH- Express einen guten Teil beitrug. Nach Aussage des damaligen Chefredakteurs Walter Famler war man aber auf dem besten Weg zur positiven Bilanz.

Auf dem Weg in die schwarzen Zahlen ist der Express angeblich wieder, nachdem mit der Übernahme durch den Falter-Verlag der Weiterbestand gesichert wurde. Man versteht sich jetzt als Magazin für junge Erwachsene auch außerhalb des studentischen Milieus.

An Zeitungen also kein Mangel, wenn man noch die unzähligen Kleinstmedien einzelner Fakultäten hinzuzählt. Woran es hapert, ist das Interesse der Studenten. Es gibt zwar keine repräsentative Untersuchung über die wahre Reichweite der Studentenpresse, das persönliche Gespräch zeigt aber, daß sich ein Großteil der Studiosi von bedrucktem Papier überhäuft vorkommt und die Zeitungen meist den direkten Weg vom Postkasten in den Papierkorb gehen. Was dabei verwundert ist die Tatsache, daß es trotzdem einen genügend großen Anzeigenmarkt gibt, sodaß zumindest die überregionalen Blätter mit relativ geringen Defiziten durchkommen, und es 1986 keine der Zeitschriften nötig hatte, um Presseförderung anzusuchen. Daß natürlich viele Inserenten ihre Einschaltungen eher als Sponsortätigkeit betrachten, die sich erst langfristig rentiert, ist klar. Bei Hänschen ein gutes Image bringt mit Hans vielleicht einmal gute Geschäfte.

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