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AKH: Vertauschte Rollen in Skandal-Debatte

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Der AKH-Untersuchungsausschuß wurde am 16. April vom Nationalrat eingesetzt. Jetzt tritt der Nationalrat auf ÖVP-Antragzu einer Sondersitzung zusammen, bei der die große Oppositionspartei gegen Finanzminister Hannes A ndrosch einen Mißtrauensantrag stellen will. Die SPÖ hält dem entgegen, man hätte zuwarten müssen: bis gesicherte Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen. So abwartend hat sie sich freilich in der Vergangenheit nicht verhalten.

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Der AKH-Untersuchungsausschuß wurde am 16. April vom Nationalrat eingesetzt. Jetzt tritt der Nationalrat auf ÖVP-Antragzu einer Sondersitzung zusammen, bei der die große Oppositionspartei gegen Finanzminister Hannes A ndrosch einen Mißtrauensantrag stellen will. Die SPÖ hält dem entgegen, man hätte zuwarten müssen: bis gesicherte Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen. So abwartend hat sie sich freilich in der Vergangenheit nicht verhalten.

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Nach dem Auffliegen des „Bauskandals" im Jahr 1966 prangerte der damals oppositionelle Abgeordnete Bruno Kreisky im Oktober den „Sumpf von Korruption", der das „öffentliche Leben unserer Republik verpestet", energisch an.

Zwei Wochen nach Kreisky wollte der damalige SPÖ-Justizsprecher Christian Broda vom Innen- und vom Justizminister umfassende Berichte über die im „Bauskandal" bisher bei Gericht erstatteten Anzeigen. Broda forderte dies in einem Leitartikel in der „Arbeiter-Zeitung" vom 8. November 1966, der den Titel „Klaus und die Korruption" trug. Und er sprach darin, schon vor den Verfahren, ein politisches Urteil.

Auch im „Bauskandal" war - so wie heute für das AKH - ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß eingesetzt worden: am 8. Juni 1966. Hätte die SPÖ damals vor politischen Aktionen die Ergebnisse dieser Untersuchungen abwarten wollen, hätte sie bis in den Herbst 1969 zuwarten müssen: der Ausschußbericht wurde vom Nationalrat erst am 19. November 1969 zur Kenntnis genommen.

Die SPÖ stellte vielmehr auch schon am 23. November 1966 einen Mißtrauensantrag gegen den damaligen Vizekanzler und Handelsminister Fritz Bock. In der Debatte ergriff auch Leopold Gratz, damals junger SPÖ-Zen-tralsekretär, das Wort, weil - ähnlich wie in diesen Tagen - auch vor vierzehn Jahren „soviel darüber gesprochen wurde, ob man moralisch einen solchen Mißtrauensantrag gegen ein Mitglied der Bundesregierung stellen könnte".

Und Gratz führte aus, was nunmehr der ÖVP als Rechtfertigung dienen wird: „Es war die große Forderung der Revolution des Jahres 1848, daß an Stelle der Unverantwortlichkeit des Monarchen ein verantwortliches Ministerium geschaffen wurde. Wenn man der Regierung und ihren Rednern glaubt, dann haben wir jetzt über ein Dutzend unverantwortliche Ministerien."

Und dann noch deutlicher: „Wir meinen, daß die Volksvertretung die politische Verantwortlichkeit für die Vollziehung feststellen kann und festzustellen hat, wenn so etwas vorliegt. Ja, wozu gibt es denn dann die politische Verantwortung?"

Die SPÖ, meinte Gratz weiter, müsse auf der Abstimmung über einen derartigen Mißtrauensantrag bestehen, weil er „ein legitimes Mittel ist, um unserer Ansicht nach festzustellen, wer für die Sauberkeit der Verwaltung in jedem einzelnen Ressort verantwortlich ist".

Nicht weniger grundsätzlich äußerte sich damals der inzwischen verstorbene SPÖ-Abgeordnete Karl Czernetz. Der Nationalrat habe das Recht, meinte er, „einen politisch-moralischen Mißtrauensantrag" zu stellen. Der Einwand, zuvor müsse ein Gericht handein, gelte nicht. Vielmehr: „Es kann der Nationalrat Mißtrauen gegen die Amtsführung eines Ministers haben, obwohl das gar nicht eine Angelegenheit ist, die Gerichte zu beschäftigen hat."

Er glaube, sagte Czernetz weiter, die Volksvertretung sollte nicht „unter Berufung darauf, daß es ja auch die Möglichkeit . . . eines gerichtlichen Verfahrens gäbe" darauf verzichten, das „besondere politische Mißtrauen gegen die Amtführung" eines Ministers auszudrücken.

Schon drei Wochen vor diesem SPÖ-Mißtrauensantrag hatte Oppositions-politiker Bruno Kreisky noch rigorosere Konsequenzen gefordert. Anläßlich eines Vorarlberg-Besuches meinte er dort vor Parteifreunden, „daß nicht allein Beamte und Bauunternehmer schuld seien. Es wäre ja Aufgabe des' Ministers gewesen, schon früher durchzugreifen".

Aber nicht nur ein Minister hätte Konsequenzen zu ziehen: „In anderen demokratischen Staaten wäre eine Regierung, unter deren Verantwortung so skandalöse Zustände eingerissen sind, bereits zurückgetreten",'polterte Kreisky. Und die „Arbeiter-Zeitung" berichtete dies am 30. Oktober 1966 auch in entsprechender Aufmachung (siehe Faksimile).

Und noch ein Kreisky-Nachsatz könnte dem nunmehrigen Bundeskanzler demnächst schon als ÖVP-Argu-ment serviert werden: „Man muß sich fragen, was eigentlich die ganze Ministerverantwortlichkeit wert ist und wozu man die Ministeranklage hat, wenn sie nicht jetzt, wo so gigantische Skandale aufgeflogen sind, zur Nutzanwendung kommen.

Bruno Kreisky spielte in der politischen Diskussion über den Bauskandal vor und nach seiner Wahl zum SPÖ-Parteivorsitzenden (Jänner 1967) eine Hauptrolle. Er war damals neben Bruno Pittermann und Leopold Gratz in der SPÖ der entschiedenste Verfechter der Auffassung, daß bei Korruptionsaffären die politische Verantwortung zumindest genau so viel wiegt wie die Schuld der Bestecher und der Bestochenen. Er trat damals wiederholt gegen Ämterkumulierung und „Freunderlwirtschaft" ein. Freilich richtete sich damals seine Kritik nicht gegen den Bund Sozialistischer Akademiker, den „Club 45" oder die Freimaurerlogen, sondern fast ausschließlich gegen den Cartellverband (CV).

In einer Parlamentsrede im Dezember 1966 zitierte dann Bruno Kreisky ausführlich zur Frage der Ministerverantwortlichkeit aus dem von Professor Adamovich geschriebenen „Handbuch des österreichischen Verfassungsrechtes", um klarzulegen, daß diese jenen treffe, der „es bei der Führung der Geschäfte durch die ihm untergeordneten Verwaltungsorgane, insbesondere bei der Auswahl der beauftragten Unterorgane, an der notwendigen Sorgfalt mangeln ließ".

Zu dieser Uberzeugung fand Kreisky nun durchaus wieder zurück, wenn er in einem Interview mit der „Arbeiter-Zeitung" feststellte: „Dieses, alle Positionen mit seinen Freunden zu besetzen, gehört mit zu den gefährlichsten Dingen in der Demokratie."

Aber auch in einem anderen Sinn könnte der Bruno Kreisky des Jahres 1966 der Opposition 1980 Beispiel geben. Trotz aller massiven Vorhalte betonte er, „daß in einer großen Partei, in der viele hunderttausende Menschen vereinigt sind oder die so viele Anhänger hat, es immer wieder, weil man eben nicht für jeden garantieren und die Hände ins Feuer legen kann, passieren kann, daß ein solches Malheur - denn es ist ein Unglück, wenn ein Korruptionsfall passiert und aufgedeckt wird -geschehen kann. Das Kriterium ist lediglich, wie rasch und wie gründlich man sich einer solchen Korruptionsaffäre entledigt".

Studiert man heute die Äußerungen hoher sozialistischer Funktionäre aus der Zeit des Bauskandals vor bald eineinhalb Jahrzehnten, so finden sich hier Argumente, wie sie nun von der Opposition der SPÖ vorgehalten werden. Und die heutige Regierungspartei steht vor dem Problem, an sich den Maßstab anlegen zu lassen, mit dem sie seinerzeit gemessen hat.

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