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AKH: Wird es menschlich?

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In den Medien und unter Politikern wird häufig die Befürchtung laut, daß das neue Allgemeine Krankenhaus (AKH) nicht „menschlich" sein werde. Wie menschlich ein Krankenhaus ist, hängt aber in erster Linie davon ab, wie menschlich das Personal mit den Patienten umgeht. Ein kalter, unpersönlicher Komman-

Von FRANZ RITSCHL

doton, Ungeduld und Tadel, wenn der Patient nicht gleich begreift oder ängstlich ist, die Unterlassung von Informationen über seinen Zustand, über Sinn und Risiko beabsichtigter Maßnahmen, Gefühllosigkeit und mangelnde Hilfsbereitschaft in kritischen Situationen - diese und ähnliche Verhaltensfehler bilden die

hauptsächlichen Gründe, die den Aufenthalt inhuman empfinden lassen.

In bezug auf den Neubau des AKH stellt die Kritik allerdings andere Kriterien in den Vordergrund, vor allem den riesigen Umfang des Gebäudekomplexes, der etwas Furchterregendes, Bedrük-kendes an sich habe. Schon der äußere Eindruck wecke eher düstere Empfindungen als Hoffnung und Zuversicht.

Nicht erfreulicher und gastlicher könne das Innere sein: Wer sollte sich in dem undurchschaubaren Labyrinth nicht verloren vorkommen, wer sich geborgen fühlen in einer Umgebung, in der die Technik dominiert und die Beziehung zwischen Arzt und Patient aufgesplittert wird in zahllöse Spezialuntersuchungen und

-behandlungen in diversen Fachkliniken?

Dazu kommt die Lage mitten in der Stadt und der Mangel an umgebenden Grünflächen, die Ruhe und Entspannung im Freien ermöglichen würden.

Die Einstellung der Öffentlichkeit zur modernen Medizin ist von Widersprüchen geprägt: Einerseits ist eine gefühlsmäßige Ablehnung von Technik und Chemie weit verbreitet, andererseits möchte im Ernstfall kaum jemand darauf verzichten.

Auch der Laie ist sich also bewußt, daß die großartigen Fortschritte auf allen medizinischen Fachgebieten nur durch die technische Auswertung naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse möglich wurden.

Naturgemäß erreicht die technische Ausstattung den höchsten Stand in den Spitzenspitälern, zu welchen in erster Linie die Universitätskliniken zählen. Ihre Aufgabe ist es vor allem, komplizierte, schwere, seltene Krankheitsbilder zu klären und zu behandeln. Bei ihnen kommt noch der Forschungsauftrag und die Verpflichtung zur Heranbildung von Ärzten und medizinischem Fachpersonal hinzu.

Diese Häufung höchster Anforderungen und Leistungen läßt sich nur bewältigen durch ein hohes technisches Angebot und, was ebenso wichtig ist, durch eine sorgfältig durchdachte Koordination, das heißt räumliche sowie zeitliche Abstimmung der einzelnen Leistungsstellen aufeinander.

Am besten eignet sich hiezu die Kompaktanlage. So gesehen, ist eine solche für das Maß an Menschlichkeit von großer Bedeutung. Die derzeitige dezentralisierte Anlage, in der die Patienten Hunderte Meter über Höfe und Gänge zu den diversen Untersu-chungs- und Behandlungsstellen befördert werden müssen, beweist dies zur Genüge.

Auch die Frage der Erholungsflächen rund um das neue AKH muß man durch die Brille der Zweckbestimmung sehen. Es ist ein Akutkrankenhaus. Die Verweildauer beschränkt sich also im wesentlichen auf die Diagnose und Therapie des akuten Zu-standsbildes. Der Patient ist dadurch vornehmlich an das Haus fixiert und der Bedarf an breit ausgelegten Parkanlagen nicht gegeben.

Hingegen bildet die Station, auf welcher der Patient hinsichtlich seiner Grundbedürfnisse versorgt und betreut wird, einen Schwerpunkt der modernen Krankenhausarchitektur. Die Zimmer weisen nur mehr eine geringe Anzahl an Betten auf und bieten neben einem hohen medizinischen Standard auch sonst jeden Komfort, der unter den gegebenen Umständen möglich ist.

Die wesentlichen Voraussetzungen eines humanen Klimas im neuen AKH werden die eingangs erwähnte richtige psychologische Haltung des Personals und eine Betriebsorganisation sein, die einen reibungslosen und von bürokratischen Belastungen möglichst freien Aufenthalt garantieren.

Freilich, je größer die Anstalt, desto schwieriger ist es, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Beim neuen AKH bedarf es hiezu sicherlich auch eines Umdenkprozesses, der sich aus der Umgestaltung der bisherigen zentrali-stischen Anlage und der dadurch bedingten teilweisen Einschränkung der autonomen Führung der Kliniken und Institute ergibt.

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