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Akribie und Inventionen

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Der 100. Geburtstag von Paul Klee

- geboren am 18. Dezember 1879 -war der Anlaß für drei große Ausstellungen. In Bern präsentierte während der Sommermonate die Paul-Klee-Stiftung Arbeiten aus den letzten drei Lebensjahren des Künstlers

- er starb am 29. Juni 1940 -, die Kölner Kunsthalle dokumentierte die Bauhaus-Werkperiode, und Mitte Dezember, also knapp vor dem Ge-burts- und eigentlichen Gedenktag, wurde in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München die dritte große Ausstellung eröffnet, in der das Frühwerk und damit auch die künst-lerische Entwicklung zu sehen ist, wie sie sich im wesentlichen in München vollzogen hat.

Diese große und wahrscheinlich wohl interessanteste Schau der Werke aus den Jahren 1883 bis 19/22 wurde nicht zufällig im Lenbachhaus zusammengestellt. Löst man sich von den faszinierenden Klee-Blättern im Parterre und geht man einen Stock höher, so bekommt man mit der reichen Sammlung des Münchner Jugendstils und dem Schwerpunkt „Blauer Reiter" auch das künstlerische und geistige Umfeld vorgestellt, das in München um und nach der Jahrhundertwende gegeben war und das die Stadt neben Paris zur großen Kunstmetropole Europas werden ließ.

Ausgestellt sind rund 500 Werke, die eine umfassende Vorstellung des frühen Schaffens von Paul Klee geben. Es sind Zeichnungen, Druckgraphiken, Aquarelle, Gemälde und einige Figurinen, die Paul Klee für seinen Sohn Felix geschaffen hatte.

Die Ausstellung ist aber auch Anlaß, die Position des Künstlers im gegebenen historischen Rahmen zu verdeutlichen. So wird in den Beiträgen des Katalogbuches das Bild vom „total verinnerlichten Klee" einer Uberprüfung unterzogen und als kolportiertes Klischee erkannt. Es scheint nun, wie Armin Zweite, der Direktor des Lenbachhauses, im Ka-

talog einleitend vorwegnimmt, auch möglich, „mit der zum Topos erstarrten Legende vom Schöpfer, der alles aus sich selbst gewann und ohne nennenswerte Beeinflussung von außen zu seinem Stil und seinen Themen fand", aufzuräumen.

Das bedeutet noch lange nicht Zweifel am großen und in der thematischen Breite überraschenden Oeuvre Klees. Im Gegenteil: mit der Fragestellung, inwiefern die europäische Entwicklung für das künstleri-

sehe Schaffen Klees nicht doch von Bedeutung war, mit dieser Frage ergibt sich dann etwa auch, daß Paul Klee, wie Jürgen Glaesemer festgestellt hat, nicht nur Kubin viel zu verdanken hat, sondern daß auch für diesen die Bekanntschaft mit Klee von Bedeutung war.

Und dabei ist ein bedeutender Unterschied festzustellen: während Kubin sich dem Inhalt, dem subjektiven Erleben ausliefert und sich mit der Darstellung davon wieder befreit, ist Klee der unbeirrte Beobachter, der ein „zuschauerhaftes Interesse" an seiner Umwelt und an sich selbst zeigt.

Daß Klees frühe Schaffensperiode so gut zu dokumentieren ist, verdan-

ken wir zweifellos feeinen oft mit buchhalterischer Akribie geführten Tagebüchern aus den Jahren 1898 bis 1918, die aber von Paul Klee später „vom Standpunkt des Erreichten aus" überprüft wurden. Die Tagebücher, so weiß man heute, wurden in Hinblick auf eine spätere Veröffentlichung verfaßt.

Das sind die wissenschaftlich kritisch anmerkenden Momente, die im Ausstellungskatalog mitgegeben werden. Einen Moment des ästheti-

schen Höhepunkts in der Ausstellung selbst bieten die Aquarelle, die Paul Klee 1914 auf seiner Tunisreise und danach geschaffen hat

Es ist ein Jahr, das für die Entwicklung des Künstlers von äußerster Bedeutung ist. Er fühlt sich nun als Maler „Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das." Mit der Entfaltung der Farbe und dem Gefühl; nun auch Maler zu sein, ist zugleich auch die Loslösung vom Gegenstand verbunden.

Paul Klee hat sich in kürzester Zeit zu einer der großen Persönlichkeiten unseres Jahrhunderts emporgearbeitet. Seine Position ist ihm gewiß.

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