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Aktion ohne „Einladung“

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Angefangen hat alles damit, daß ein Mensch die Krankheit nicht einfach hinnehmen wollte. Bis zum Herbst 1985 wußte Erwin Senoner, Zahnarzt in Zell am See, nicht wirklich, was Krebs bedeutet. Dann wurde bei seinem Kind die „Geißel des 20. Jahrhunderts“ diagnostiziert.

Jährlich trifft es rund 180 Kinder. Und nur zwei von drei haben eine Uberlebenschance. Immerhin bereits ein Fortschritt, weil vor fünfzehn Jahren noch zwei von drei sterben mußten. Diese Erfolge sind auf intensive Forschungstätigkeit gegen den Kinderkrebs zurückzuführen.

Erwin Senoner hatte beschlossen, alles zu unternehmen, was seiner Tochter—und damit ähnlich gelagerten Fällen - eine größere Uberlebenschance sichern könnte. Zwar gab es im Wiener St. Anna-Kinderspital bereits seit den siebziger Jahren Initiativen von Eltern und einen Elternverein, der für Kinder kleine Geräte anschaffte oder sozial schwächere Familien finanziell unterstützte, von einer breit angelegten Aktion konnte jedoch noch lange nicht die Rede sein.

Der Zeller Zahnarzt war vom Schicksal seiner Tochter so erschüttert, daß er zusammen mit dem Kinderkr eb sspezialisten und Leiter des St. Anna Kinderspitals, Helmut Gadner, beim damaligen Wissenschaftsminister Heinz Fischer vorsprach und ihn um eine Unterstützung für ein Forschungslabor im St. Anna-Kinderspital bat. Da die Gemeinde Wien nur für die Erhaltung und Versorgung der Spitäler zuständig ist, die Forschung in den Bereich des Wissenschaftsministeriums fällt, blieb nur dieser Weg.

Das Ministerium wiederum hatte und hat nur begrenzte Mittel zur Verfügung, die oft nach dem Gießkannenprinzip für diverse Forschungseinrichtungen ausgeschüttet werden. Dann wäre auf dieses Krebsforschungslabor etwa nur ein Fünfzigstel der benötigten finanziellen Mittel entfallen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Auf Anraten des Ministeriums wurde dann ein eigener Verein als Träger des Forschungsinstitutes gegründet. Und als staatliche Unterstützung sind Spenden an das „Forschungsinstitut für krebs-kranke Kinder“ steuerbegünstigt. Das heißt, sie können sowohl von der Einkommensteuer als Betriebsausgabe als auch von der Lohnsteuer als Sonderausgabe abgesetzt werden.

Aber das allein kann noch nicht als Erklärung für die 40 Millionen Schilling an Spendengeldern, die in den letzten eineinhalb Jahren aufs Fonds-Konto eingezahlt wurden, angeführt werden. Auch die staatliche Auszeichnung für Public Relation, die Monika Lindner heuer für ihre freiwillige Arbeit im St. Anna-Kinderspital erhalten hat, ist nur ein Teilaspekt.

Erwin Vedernjak, Leiter der Spendenaktion, glaubt den Grund dafür vielmehr in der unprofessionellen Vorgangsweise des Fonds zu finden: nur eine einzige fix Angestellte, sonst ausschließlich ehrenamtlich Tätige. Das Büromaterial schnorrt man sich zusammen, selbst der teure Computer ist eine Sachspende.

Erwin Vedernjak: „Die Menschen scheinen zu spüren, daß wir hier mit Eigenemotionen tätig sind. Daß wir uns etwas dabei denken und vor allem, daß wir sparen. Alles, was wir machen, ist nicht professionell, sondern handgestrickt.

Michaela Ranninger sieht, als einzige Angestellte, noch andere Gründe: „Die Aktionen kommen von den Leuten selbst. Wir haben heuer keinen einzigen Bittbrief ausgeschickt. Die Leute vom Vorjahr rufen sogar bei mir an und beschweren sich, daß sie keinen Erlagschein bekommen haben.“

Aber das ist gerade der Grund für den einmaligen Erfolg einer Initiative: Mit-Menschen können mehr tun, als „nur“ die Brieftasche zücken und ein paar Scheine auf den Tisch blättern; sie sind mit Freude bereit, etwas unaufgefordert zu tun.

Besonders initiativ sind auch Kinder. Schulklassen entwerfen Weihnachtspapier, veranstalten Flohmärkte oder Basare. Oder: Zwei Schülerinnen ersangen in der Wiener Kärntner Straße in zwei Stunden 8.000 Schilling. In einem Altersheim wiederum machen sich etwa Pensionisten Gedanken darüber, aus welchem Material man Stofftiere basteln soll, damit sie leicht zu waschen und zu desinfizieren sind.

Menschen kommen mit ihren Ideen zum Fonds. Die einen veranstalteten eine Schuhputzeraktion, andere ein Dorffest. Und alle erhalten etwas dafür: das schöne Gefühl, Kindern helfen zu können. Eine Aktion setzen: das scheint für viele weit befriedigender zu sein, als nur zu spenden. Auf die Hände von Menschen -nicht auf die öffentliche Hand -kommt es da an.

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