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Digital In Arbeit

Aktiv leben mit Leib und Hirn

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,,Arbeit macht krank." Majht Arbeit krank? Ist Untätigkeit in der Freizeit gesund? Vinzenz Lachnit, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Arbeitsmedizin, betont, daß Arbeit und Erholung in der Freizeit aufeinander abgestimmt sein müssen. Untätigkeit, körperlich wie geistig, ist ungesund und schädlich.

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,,Arbeit macht krank." Majht Arbeit krank? Ist Untätigkeit in der Freizeit gesund? Vinzenz Lachnit, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Arbeitsmedizin, betont, daß Arbeit und Erholung in der Freizeit aufeinander abgestimmt sein müssen. Untätigkeit, körperlich wie geistig, ist ungesund und schädlich.

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Die verschiedenen Arbeitsformen wirken sich verständlicherweise different auf den menschlichen Organismus aus. Während schwere körpbrliche Arbeit und Arbeit unter erschwerten Bedingungen wie Hitze-, Nachtschichtarbeit u. ä. zu starker muskulärer bzw. auch psychischer Ermüdung führen, was übrigens auch für die monotone Arbeit gilt, ist das weniger bei der geistigen Arbeit der Fall, besonders wenn sie nicht rekapitulierend ist. Ganz allgemein führt jede Tätigkeit, der der Ausführende positiv gegenüber steht und die auf ihn anregend wirkt, zu geringerer Ermüdung.

Eine Fragestellung, ob sich jede Arbeit belastend auf die Gesundheit auswirkt, wäre bereits in ihrem Ansatz falsch. Wissen wir doch, daß körperliche Untätigkeit besonders für Skelett, Muskulatur und auch für die Kreislauforgane außerordentlich schädjich ist.

Ebenso wirkt sich geistige Untätigkeit auf verschiedene Funktionen des Gehirns ungünstig aus. Umgekehrt sind die oben genannten Arbeiten unter erschwerten Umständen sicherlich unphysiologisch und sollten weiterhin eingeschränkt werden.

Die Begrenzung der Arbeitszeit setzte sich in verschiedenen Industrieländern erst dann durch, als verschiedene große Firmen und Fabriken die Beobachtung machten, daß die Arbeitsleistung nach Einführung des 8-Stun-den-Tages keinesfalls geringer als bei einem 10- bis 11-Stunden-Tag war, ja oft sogar günstiger lag!

Ähnliche Beobachtungen machte man, als die Wochenstundenarbeitszeit kontinuierlich herabgesetzt wurde. Be-

strebungen, die 40-Stunden-Woche auf vier Tage zu verteilen, sind von arbeitsmedizinischer Seite Widerstand entgegengebracht worden, weil nach dem ersten Leistungsabfall zu Mittag bereits am Ende des 8-Stun den-Arbeitstages eine deutliche Ermüdungsphase eintritt.

Die Vorstellung, daß bei einem 8-Stunden-Tag auch bei ungeteilter Arbeitszeit fast 16 Stunden für Freizeit und Schlaf zur Verfügung stehen, ist eine Fiktion. Schon die reine Anwesenheitszeit im Betrieb (Kleiderwechsel, Waschzeiten usw.) bringen zusammen mit durchschnittlichen Wegzeiten von etwa eineinhalb Stunden einen 8-Stun-den-Arbeitstag auf zehn bis zehnein-halb Stunden.

Von der verbliebenen Freizeit gehen noch zwei bis zweieinhalb Stunden für Erledigung persönlicher Bedürfnisse, Haushalt usw. ab, so daß bei einer durchschnittlichen Schlafdauer von siebeneinhalb bis acht Stunden letzten Endes nur drei bis vier Stunden echte Freizeit überbleiben. Dahergehen geleistete Überstunden immer auf Kosten der echten Freizeit.

Trotzdem erwächst aus der Arbeitszeitverkürzung logischerweise das Problem einer sinnvollen Freizeitgestaltung. Ein weiterer Zuwachs an Freizeit wird wenig positive Wirkungen auf die Gesundheit bzw. Gesunderhaltung des Arbeiters besitzen, wenn nicht Arbeit und Erholung aufeinander abgestimmt werden.

Gerade die übersteigerten, besonders durch die Werbung in den Massenmedien als unbedingt nötig vorgegaukelten Lebensansprüche hinsichtlich sogenannter Freizeitgestaltung und die

dauernde Reizüberflutung unseres täglichen Lebens durch Dauermusik, Radio, Fernsehen, Auto- und Motorradfahren u. ä. brachten es mit sich, daß immer weniger Arbeitnehmer ihre Freizeit aktiv gestalten. Im Allgemeinen zielt die Werbung nämlich auf einen passiven Freizeitkonsum, wenn sich neuerdings auch Ansätze für eine aktive Freizeitwerbung zeigen.

Theoretisch sollte ein mehr geistige, also kaum physische Arbeit leistender Arbeitnehmer seine Freizeit mit einer seine körperlichen Fähigkeiten eher fordernden Tätigkeit ausfüllen. Dies gilt auch mit umgekehrten Vorzeichen für den vorwiegend körperlich Tätigen.

Oft wird aber der am Arbeitsplatz physisch Tätige seine körperlichen Fähigkeiten auch in seiner Freizeit einsetzen und der geistige Arbeiter eher verstärkt verschiedenste kulturelle Veranstaltungen besuchen.

Im allgemeinen ist jede aktive Freizeitgestaltung wie Sport, Spiel, Gartenarbeit, Wandern, Basteln, Musizieren, Lesen, Besuch kultureller Veranstaltungen als günstig anzusehen. Auch im Kollektiv ist eine sinnvolle Freizeit-

gestaltung gut möglich (Sportvereine, Tanzkurse, Chor- oder Orchesterveranstaltungen u. a. m.).

Weil auch das gesellschaftliche und soziale Leben ein Lernprozeß ist und viele Tätigkeiten durch häufigere Wiederholung letzten Endes zur Gewohnheit werden, müßte man vorwiegend bei den jugendlichen Arbeitnehmern beginnen, durch entsprechende psychologische Motivation, wobei auch moderne Werbungsmethoden eingesetzt werden sollten, aktive Feizeitgestaltung zu propagieren.

Es nützt wenig von sinnvoller und vorteilhafter Freizeitgestaltung zu sprechen, wenn das Angebot dem betreffenden Personenkreis nicht zusagt. Viele Ansätze zu einer unvernünftigen Freizeitgestaltung liegen in der Furcht des Jugendlichen vor Isolierung bzw. Ausschluß aus einer Gemeinschaft. Die nötigen Kommunikationszentren sollten dann nicht nur Kino, Kaffeehaus oder Gasthaus, Rummelplatz oder-als Zuschauer - der Sportplatz sein.

Mit diesem Beitrag schließen wir die FURCHE-Serie zum Thema Arbeit ab.

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