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Aktivität ohne „Papp im Hirn“

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Die Freiheitliche Partei Österreichs, der Mann, dem man bis etwa sechs Wochen vor der Wahl nur 2,3 bis 3,2 Prozent in Meinungsumfragen gegeben hat, hat nahezu zehn Prozent der Stimmen erreicht. Zu Recht hat das Team der Fernsehreporter festgestellt, daß dennoch im Führungskreis und unter den in der Zentrale befindlichen Funktionären keine Jubelstimmung herrschte, denn die Aufgaben, die dem Präsidium und dem Bundesvorstand der FPÖ gestellt sind, werden schwierige sein.

Die Führungsgremien der FPÖ müssen vor allem zwei Fragen lösen:

Wie kann man einem gezielten negativen Echo mancher Auslandsmedien entgegentreten (im Inland wird es positiver lauten, weil man hier trotz aller Ressentiments der Wahrheit näher ist), die im Wege einer Waldheim-follow-up-Campaign bemüht sind, unserem Vaterland ein braunes Mäntelchen umzuhängen und sich dabei auch der Person des dynamischen, jungen Parteivorsitzenden Jörg Haider bedienen wefden.

Bei uns wird man ihn kaum mehr als rechtsradikal verteufeln, hat er sich bei aller, sicher in vielen Sektoren berechtigten, Kritik und seiner deftigen Sprache, doch stets als Sozial-Liberaler bekannt und als Landesrat wie auch innerhalb der Führungsspitze in den letzten Wochen optimales Demokratieverständnis bewiesen.

Von größerer Bedeutung wird es sein, wie die FPÖ, und mit ihr ja Jörg Haider selbst, den Umstieg vom „populistischen“ Angreifer zur staatstragenden und konstruktiven Aktivität inner- und außerhalb des Parlaments gestalten werden.

Meines Erachtens liegt die größte Chance der Freiheitlichen Partei dort, wo ich den letzten Absatz beendet habe: Haider, seine Mitarbeiter und die Fraktion — in beiden Gremien sind fast durchwegs nur überzeugte Liberale vertreten — haben nun fast sicher in der Opposition, aber auch im unwahrscheinlichen Fall einer

Regierurrgstaeteiligung “maßgeblich zur sogenannten Wende beizutragen.

Diese kann nicht nur in der vordergründig - allerdings zu Recht — formulierten Abschaffung der Privilegien und des Parteibuchzwanges und ähnliche, weit über das Freiheitliche Lager hinaus als richtig erkannten Zielen bestehen. Sie muß viel tiefgründiger sein.

Es handelt sich darum, die Vergangenheit echt zu bewältigen, so öde dieses Schlagwort klingt. In einer Zeit, in der es so gut wie keinen Klerikalismus gibt, ist der Liberale, der Freisinnige längst ein verbündeter, bekennender Katholik geworden, was natürlich auch für die anderen religiösen Gemeinschaften gilt. Hilr ist die Erkenntnis längst im Freiheitlichen Lager durchgedrungen.

Dies aber bedeutet auch bei sozialen Überlegungen den Einbau des Gedankenguts der päpstlichen Enzykliken, die Absage an den Manchester-Liberalismus, oder umgekehrt, der permissiven Strömungen im westlichen Liberalismus.

Man darf erinnern, daß die FPÖ seinerzeit die Fristenregelung ablehnte und versuchte, im sogenannten Basler Modell eine humane und menschliche Lösung vorzuschlagen, die weitgehend auch den Forderungen eines kom-promißwüligen, katholischen Lagers entgegengekommen wäre.

Fragen des gesamten Kulturbereiches, der schulischen Erziehung, die Beseitigung der auch strukturellen Krise im Hochschulbereich werden genauso heranstehen wie solche der reinen Wirtschaftspolitik, Budgetsanierung, Neugestaltung der Sozialversicherung und vieles andere mehr.

Dazu abschließend: Nur wenn es den Freiheitlichen gelingt, hier integrativ, konstruktiv und dynamisch zu wirken, wird der Höhenflug fortgesetzt werden können.

Es ist zutiefst befriedigend für mich, im hohen Alter nach Jahren der Enttäuschung dabei wieder mittun zu dürfen.

Gewiß ist ein 36jähriger begabter junger Politiker der Gefahr ausgesetzt, daß ihm — um Alexander Götz zu zitieren — „Papp ins Hirn steigt“. Erfreulicherweise nicht so Haider: Das bewies er uns Alten mitten in seiner ansteigenden Popularitätskurve bei einer sechsstündigen Aussprache in Baden, wo er uns gefragt hat, was er allenfalls falsch macht und wie er sich zu verhalten habe.

Auch in den ersten Erklärungen nach dem Wahlerfolg erwies sich Haider als völlig gestaltungswillig und bereit, nur im Teamwork zu arbeiten. Im engsten Kreis fiel von ihm, ich glaube unter Zitierung von Hermann Bahr, das Wort „Demut vor dem Erfolg“,

Hier komme ich wieder auf das oben Gesagte zurück. Der internationalen Presse — Wahrheit setzt sich letzten Endes immer durch — muß vor Augen geführt werden, daß Belehrungen aus dem Ausland in Österreich weder nötig sind noch allzugerne vernommen werden. . Darüber hinaus muß die FPÖ, es sei nochmals wiederholt, durch positive Vorschläge zur Neugestaltung in weiten Bereichen des öffentlichen Lebens, das heute zu Recht die Bürger mit Unmut erfüllt, systematisch Neues vorbringen, also beweisen, daß sie wirklich eine andere Partei ist, die sich vom Stil der beiden anderen, die wohl vor einer Koalition alten Musters stehen dürften, abhebt.

Zugegebenermaßen ein schwieriges Unternehmen, aber eine faszinierende Herausforderung. Kommt man ihr erfolgreich nach, wird die Bedeutung des dritten Lagers als demokratisches und österreichisches Element noch steigen.

Eine gegenteilige Entwicklung möchte ich nicht einmal erwähnen. Träte sie ein, so wäre die dritte Kraft in unserem Vaterland überflüssig.

Der Autor, von 1956 bis 1963 FPO-Klubob-mann, ist kooptiertes Mitglied des Bundes-parteipräsidiums der FPG.

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