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Akupunktur-heilende Stiche

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Wollen Sie sich das Rauchen abgewöhnen oder etwas gegen übertriebene Eßlust unternehmen? „Lassen Sie sich doch akupunktie-ren ”, lautet dann oft ein gutgemeinter Rat von Menschen, die damit diesen Problemen offensichtlich erfolgreich zu Leibe gerückt sind. Professor Johannes Bischko - er befaßt sich seit 35 Jahren mit Akupunktur und gilt als Wegbereiter dieser Therapieform in Österreich - hält davon wenig. Er sieht die Wirkung der Akupunktur in solchen Fällen schlicht darin, daß sie „allerhöchstens ein Tritt in den Hintern ist, der dem Betreffenden verständlich macht, daß er eigentlich etwas ganz anderes wollte.”

Trotzdem ist „das Nadelstechen” eine ernstzunehmende Therapiemethode, die in Österreich - im Gegensatz zur Bundesrepublik - vom Obersten Sanitätsrat bei Schmerzen des Bewegungsapparates anerkannt wird. Angenehme Begleiterscheinung dieser Anerkennung: die Krankenkasse kommt für die Kosten der Behandlung auf.

Da die üblichen Kassentarife in keinster Weise als entsprechende Abgeltung für diese zeitintensive Therapieform angesehen werden, verhandelt die Ärztekammer mit den Pflichtversicherern seit über zwei Jahren, ob, wie, wann und in welcher Höhe die Bezahlung durch die Kassen erfolgen soll. Ein erster Erfolg wurde jetzt erzielt.

Seit 1. Jänner 1991 zahlt die Krankenkasse in Oberösterreich 166 Schilling pro „Stich”, bis zu maximal sechs Behandlungen pro Quartal. Will ein Arzt die Kosten verrechnen, muß er eine anerkannte Ausbildung in diesem Fach nachweisen können.

Wirkungsweise der Akupunktur

Akupunktur ist eine uralte chinesische Methode der Behandlung von Krankheiten durch das Reizen bestimmter Hautpunkte mit Hilfe feiner Nadeln (Durchmesser 0,2 Millimeter). Schriftliche Erwähnungen gibt es bereits vor über 2000 Jahren, obwohl diese Heilmethode viel älter sein dürfte.

In den letzten zwei Jahrzehnten wurde auch im Westen intensiv geforscht und heute wissen wir, daß es Stellen auf der Haut gibt, die mit den traditionellen Akupunkturpunkten haargenau übereinstimmen. An diesen Punkten sammeln sich schlauchartige Bündel von Gefäßen (Arterien und Venen), aber vor allem Nerven, die hier knapp unter der Haut liegen. An diesen Punkten eine Nadel zu setzen, hat eine ganz bestimmte Wirkung. Dort, wo die Nadel eindringt, entsteht ein roter Fleck und die Hauttemperatur ist um ein bis zwei Grad höher. Diese Erwärmung erklärt sich durch die vermehrte Durchblutung rund um die Nadel. Daß dieses Wärmegefühl, das von vielen Patienten an oft weit entfernten Punkten des Körpers, dem Zielgebiet der Wirkung, gespürt wird, kann allerdings wissenschaftlich noch nicht lOOprozentig erklärt werden.

Im Zusammenhang mit der schmerzstillenden Wirkung konnte jedoch in Labors festgestellt werden, daß vom Körper Stoffe freigesetzt werden, die chemisch gesehen dem Morphium entsprechen. Man nennt diese Substanzen Endorphi-ne, also körpereigenes Morphium. Damit ist die Schmerzlinderung eindeutig erklärt. Was kann mit Akupunktur geheilt werden?

Das Wort „heilen” wird nach Meinung von Professor Bischko zu leicht gebraucht, doch setzt er die Heilerfolge mit 30 Prozent an. Hilfe und wirkliche Besserung erzielt man bei 60 Prozent der Patienten, „der Rest geht eben nicht”, so die Meinung des Facharztes für Chirurgie, nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit dem „Nadelsetzen”.

Seit 18 Jahren besteht an der Poliklinik in Wien eine große Akupunkturambulanz. Im Jahresschnitt werden hier 12.000 Patienten behandelt, vorwiegend Magen-Darm-Erkrankungen, Migräne und Kopfschmerzen. Große Erfolge konnten auch bei Erkrankungen des Bewegungsapparates erzielt werden. An sich kann man mit Akupunktur all jenen Leiden „zu Leibe rücken”, wo eine Störung, nicht jedoch eine Zerstörung des Organs (wie etwa bei Krebs) vorliegt.

Schaden kann durch das falsche Setzen einer Nadel nicht angerichtet werden, allerdings bleibt dann die Wirkung aus.

Zur Zeit gibt es in Österreich ungefähr 500 ausgebildete Akupunkteure, die durchschnittlich 500 Schilling für eine Behandlung verrechnen.

Interessierte können sich an folgende Kontaktadresse wenden:

Österreichische Gesellschaft für Akupunktur, c/o Kaiserin Elisabeth Spital, II. Medizinische Abteilung, 1150 Wien, Huglgase 1-3, Telefon 0222/982 60 28/261,410. 7./.

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