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Albanische Impressionen

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Besucht man Albanien jetzt, nicht einmal ein halbes Jahr nach Enver Hodschas Tod, so begegnen einem überall in erster Linie Skanderbeg und schon weniger die Spuren dieses seines späten kommunistischen Nachfahren als Vaterlands-Befreier und Gesellschaftsreformer.

Vom Grab des Nationalhelden Georg Kastriota Skanderbeg aus dem 15. Jahrhundert im nördlichen Lesche über seine von den Türken unbezwungene Festung Kruje bis ins Nationalmuseum der Hauptstadt Tirana sind Nachbildungen von Helmkrone und Schwert des heute sogar vom Kommunismus gefeierten Kriegers und Staatsmanns zu sehen.

Fremdenführer und Beschriftung weisen traurig darauf hin, daß echte Krone und Schwert im Heeresgeschichtlichen Museum von Wien verwahrt werden. Und bei jedem Gespräch begegnet man dem oft unausgesprochenen Wunsch, daß Österreich, das sich als Schirmherr der Albaner zwischen 1690 und 1730 und wieder 1912/13 am meisten um die Entstehung und den Umfang ihres heutigen Staates verdient gemacht hat, dem albanischen Volk diese seine wertvollsten Symbole zurückgeben möge.

Eine Bitte, der umso mehr entsprochen werden sollte, als die Heimkehr von Skanderbegs Insi-gnien ins heute offiziell glaubenslose Albanien auch das'lebendige Gedenken an den Christen Georg Kastriota zu erneuern verspricht.

Anderen Ländern gegenüber hat Tirana noch ganz andere Rückgabeforderungen angemeldet: So etwa auf den Goldschatz von König Zogu in der Bank von England. Die Wirtschaftspolitik dieses Zwischenkriegs-Beherr-schers von Albanien war weniger auf die Entwicklung des damals noch völlig mittelalterlichen Landes als auf Sicherstellung der Währungsstabilität durch Goldreserven angelegt. So kam in den Bank- und Palasttresoren von Tirana ein Goldbarren zum anderen, während das Volk weiter unter Syphilis, Malaria und Tuberkulose, Analphabetismus und Hunger litt.

Der Alfons Petzold Albaniens, Millosch Gjergj Nikolla, hat in seinem Elends-„Gedicht vom Mais“ ein erschütterndes Lied dieser Zeit gesungen, ohne deren krasse soziale Gegensätze der Kommunismus bei den Albanern kaum je eine Chance erhalten hätte.

Als im April 1939 die Italiener in den albanischen Häfen Dürres und Vlore landeten, verlor Zogu schon in wenigen Tagen Skanderbegs Thron und Reich. In die Wagenkolonne, mit der er gerade noch sich selbst, seine ungarische Gattin Geraldine Apponyi und ihren frischgeborenen Thronfolger Leka in Sicherheit bringen konnte, wurde schnell noch Albaniens Goldschatz eingeladen.

Quer durch alle Fronten des Zweiten Weltkriegs brachte der gewandte König die Barren nach London. Dort sind sie erst recht geblieben, nachdem 1946 zwei britische Kriegsschiffe in der Straße von Korfu auf Minen der erst nach dem Krieg gegründeten albanischen Marine aufgefahren und gesunken waren.

Hodscha verweigerte jede Entschädigung oder zumindest Entschuldigung, woraur ljonoon die Beziehungen zu Tirana abbrach. Seitdem blieb Albanien das- heute mit Kambodscha — einzige Land der Welt, mit dem Großbritannien keine diplomatischen Verbindungen unterhält.

Daß daran, und am unterkühlten Verhältnis der gesamten freien Welt zu Albanien, auch nach dessen Austritt aus dem Warschauer Pakt nach dem sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei von 1968 nichts mehr zu ändern war, hängt weitgehend mit der schon seit 1967 gegen die albanischen Muslime, Orthodoxen und Katholiken tobenden Religionsbekämpfung zusammen.

Es ist heute eine der wichtigsten Fragen um das politische und ideologische Erbe von Hodscha, ob nun auch Albanien — wie inzwischen seine chinesischen Lehrmeister von einst — den Glauben positiver zu beurteilen und besser zu behandeln beginnt.

Nun ist religiös indifferente, antiklerikale und sogar erbittert glaubensfeindliche Einstellung bei den Albanern durchaus keine kommunistische Errungenschaft. In Albanien geht die Schlacht gegen „Rückständigkeit und Aberglauben“ viel weiter als nur auf Hodscha und Alia zurück. Moscheeprediger, Popen und Pfarrer hatten mit ihrem Herausstellen der religiösen Unterschiede die nationale Einigung und Wiedergeburt des Albanertums verzögert, in vielen Fällen sogar dessen türkischen, serbischen, griechischen und italienischen Widersachern Schützenhilfe geleistet.

Die Verdrängung der Religionsgemeinschaften aus der albanischen Öffentlichkeit durch

Hodscha war daher ein mindestens schon hundert Jahre altes Anliegen der skipetarischen Nationalbewegung. Seine äußerst brutale Durchführung zwischen 1967 und 1982 hing wieder mit den Befürchtungen zusammen, die durch die Probleme von Nachbarstaat Jugoslawien mit der Re-Is-lamisierung von Bosniaken und Kosovo-Albanern ausgelöst worden waren.

Für die Christen hieß es da einfach: Mitgefangen, mitgehangen. Im Ziel des albanischen Religionskampfes stand jedoch das Wiedererstarken des Islam. Gerade das Verhältnis der kommunistischen Führung zur katholischen Kirche in Nordalbanien hätte sich unmittelbar vor dem Losbrechen des Moschee- und Kirchensturmes entscheidend verbessert gehabt.

Diadochen-Kämpfe

Die letzten Lebensjahre von Hodscha 1983—85 brachten gewisse Milderungen dieser extremen Religionspolitik. Unter Ramiz Alia sieht es bisher eher nach neuerlicher Verhärtung aus. Das hängt aber mehr mit den in Tirana nach Hodschas Tod immer noch anhaltenden Diadochen-Kämpfen und nicht mit einem neuerlichen Kurswechsel zusammen.

Im Gegenteil muß gerade Alias Öffnung zum Westen den gläubigen Menschen Albaniens früher oder später Erleichterungen brüv gen, wie das jetzt in China der Fall ist. Auch hat sich sowohl die christliche wie die islamische Religion Albaniens in den Jahren der Verfolgung vom Ballast einer nicht gerade frommen, bürgerlich-feudalen Vergangenheit befreit und bietet selbst den radikalsten Kulturkämpfern in Tirana kaum mehr einen Angriffspunkt

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