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Alexander Haig zwischen Ankara und Athen

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Nach seinen wenig erfolgreichen Vermittlungsaktionen zwischen Ägypten und Israel sowie Argentinien und Großbritannien versucht sich der amerikanische Außenminister Alexander Haig nun zum dritten Mal in diesem Jahr als fliegender Unterhändler: und zwar von letztem Donnerstag bis Sonntag an den Differenzen der NATO-Sorgenkin-der Türkei und Griechenland.

Zu ihren chronischen Streitigkeiten um Zypern, die Hoheitsund Erdölrechte im ägäischen Meer sowie um die beiderseitigen Minderheiten ist neuerdings ein scharfer politisch-ideologischer Gegensatz zwischen Ankara und Athen getreten:

Bei den Türken herrscht seit September 1980 ein im Grund nicht engstirniges, doch in seinen Methoden brutales Militärregime. In Hellas hingegen regieren seit Oktober 1981 die Sozialisten Papandreous. Seine Diplomatie ist mehr im Lager der Blockfreien als in NATO und EG zu Hause.

Haig hat bei seinem Besuch in Ankara Lobhymnen auf die türkischen Diktatoren-Generäle angestimmt. Für einen Chef des US-Außenamtes fast unverzeihlich, hätte man nicht seine Vergangenheit als NATO-Kommandant vor Augen.

Immerhin war es ein starkes Stück, ausgerechnet parallel zum polnischen Protest gegen fünf Monate Herrschaft des Kasernenhofs die Türkei mit ihren Folterungen und anderen Menschenrechtsverletzungen als .unersetzlichen Verbündeten zur Sicherung der freien Welt' anzuschmachten.

Dennoch stimmt der polnischtürkische Vergleich nicht ganz. Staatschef Kenan Evren hat außer demokratischen Schönheitsfehlern immerhin entscheidende Erfolge bei der inneren Stabilisierung und wirtschaftlichen Sanierung der Türkei aufzuweisen. Und zum Unterschied von Jaruzelski wurde sein Staatsstreich nicht gegen eine demokratische Erneuerungsbewegung wie die „Solidarität”, sondern wider die manipulierte und machtlose Pseu-dodmokratie Demireis und seiner islamisch-fundamentalistischen bzw. faschistischen Koalitionspartner Erbakan und Türkesch geführt.

Auch rein strategisch gesehen ist die Türkei ein Partner, an den sich der Westen beinahe halten muß. Wenn er es nicht täte, wären sofort — wie schon einmal unter Atatürk - die Sowjets in Ankara vorstellig und am Bosporus präsent. Und Moskau hätte kaum die Skrupel des Europarates wegen innertürkischer Mißstände...

General Evren, sein Regierungschef Ulusu und Außenminister Türkmen haben daher mit Haig fast aus einer Position der Stärke verhandelt. Sie wünschten von ihm keine Vermittlung in Athen, sondern energische Intervention gegen alles, was Ankara an der neuen griechischen Führung auszusetzen hat: vom Versuch zur Internationalisierung der Zypernfrage über die angeblich massive Aufrüstung, bei der Steyr-Hellas eine Schlüsselrolle spielen soll, bis zum Abreißen der direkten Verhandlungen zwischen Griechenland und der Türkei.

Der Besuch Haigs in der hellenischen Hauptstadt am 15. Mai stand daher von Anfang an unter stürmischen Vorzeichen. Die Kommunisten, aber auch Papandreous eigene Parteijugend hatten zu Protestdemonstrationen für Samstag aufgerufen.

Immerhin nahm die Regierung sofort dagegen Stellung und gab damit einen neuen Beweis dafür ab, daß sie eine Sonderstellung und Aktionsfreiheit in den EG, der atlantischen Allianz und dem bilateralen Bündnisverhältnis zu den USA, aber keinen Bruch mit dem Westen anstrebt.

So ist die zunächst fast unkenntlich gewordene Trennungslinie zwischen den griechischen Sozialisten und der moskautreuen KP wieder klar hervorgetreten. Den Winter über hatte es in Athen fast schon danach ausgesehen, daß die kleine Schar der Eurokommunisten rechts von der Regierung Papandreou angesiedelt wäre.

Die deutliche Absetzung des eben für Haig aus Algier zurückgekehrten Pasok- und Regierungschefs von seiner regelrechten Ostlastigkeit—zum Beispiel gerade in der Polenfrage - hat ihre weniger bekannte innenpolitische Vorgeschichte: Im Herbst waren Sozialisten und Kommunisten unter dem Motto „Allagi” (= Umschwung) gemeinsam an den Sturz der traditionell konservativen Vorherrschaft gegangen, die heute nur noch von Staatspräsident Karamanlis repräsentiert wird.

Seitdem hat es aber harte sozialistisch-kommunistische Machtkämpfe in der griechischen Gewerkschaftsbewegung und an den Universitäten gegeben. Bei den Wahlen für die Studentenvertretungen im März haben die vereinigten KP-Listen ihre sozialistischen Widersacher mit 45 gegenüber 29 Prozent klar abgeschlagen.

Für Papandreou und seine im Grunde sozialliberale Partei war das eine Warnung vor weiterer Linksrhetorik in der Außenpolitik. Eine Frucht dieser Einsicht ist die Einladung Haigs nach Athen, der US-Staatssekretär gibt zwar auch hier keinen erfolgreichen Vermittler in Richtung Türkei ab, agiert jedoch als gewichtiger Aufklärer der griechischen Position dem Westen gegenüber.

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