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Alexander Haigs Chinakarte ist ein unsicherer Trumpf

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In Peking tagte vor kurzem mit einem halben Jahr Verspätung das Zentralkomitee der kommunistischen Partei Chinas. Das erste Traktandum war der längst erwartete Rücktritt HuaGuo- fengs vom Parteipräsidium. Er rückte von der ersten Stelle in der Rangliste auf die siebte als letzter der sechs Vizepräsidenten.

Ihm wird die Verantwortung für falsche Linkstendenzen, die sich in der Praxis nicht bewährten und die Pflege des Personenkults um seine Person angelastet, sein eigentliches „Verbrechen“ aber war die Ernennung durch Mao und die Kollaboration mit den Radikalen der „Viererbande“.

Seine Gegner verfahren gnädig mit ihm, denn sein Nachfolger Hu Yao- bang war während der Kulturrevolution zwei Jahre lang in einen Kuhstall verbannt.

Das zweite Traktandum war die endgültige Einordnung Mao Zedongs in das Pantheon der kommunistischen Geschichtsdeutung. Seine Kulturrevolution wird uneingeschränkt anerkannt als das, was sie wirklich war: eine Katastrophe, die China um mehr als ein Jahrzehnt in der Entwicklung zurückwarf.

Auch „der Große Sprung vorwärts“ und die Kollektivierung der Landwirtschaft sind als folgenschwere Irrtümer Maos festgenagelt. Anerkannt aber bleibt seine Leistung im Aufbau der Partei und in der opferreichen Errichtung der Volksrepublik. Mit dieser Aburteilung des „Großen Steuermanns“ geht die Epoche Maos zu Ende.

Daß die Sitzung so lange auf sich warten ließ, zeugt von den Widerständen gegen die Entmaoisierung, die vor allem in der Armee und in den mittleren Kadern verankert sind. Deng Hsiao- ping mußte ihre knurrende Zustimmung durch vorsichtige Formulierung des Gerichts über Mao gewinnen.

Hu Yaobang stammt aus Dengs Heimatprovinz und gilt als jüngerer Dop-

pelgänger Dengs, mit dem er auch die kleine Statur und den eisernen Durchsetzungswillen teilt. Sosehr beide als „Pragmatiker“ gelten, ist aber noch keine wesentliche Abschwächung der kommunistischen Ideologie zu erwarten.

Daran wird wahrscheinlich auch Dengs grandioser Versuch der Modernisierung Chinas scheitern, denn eine liberale Marktwirtschaft läßt sich auf die Dauer nicht mit einer marxistischen Innenpolitik vereinen - am wenigsten in China, in dem das Profitmotiv so tief im Volkscharakter verwurzelt ist.

Der 76jährige Deng Hsiaoping übernahm von Hua den einflußreichen Posten des Vorsitzenden der Militärkommission der Partei, ohne Zweifel, um sich vor Widerständen aus der Armee zu sichern. Von hier aus nämlich droht seinem Programm von innen her die größte Gefahr. Die Armee ist unzufrieden, daß sie in der Rangordnung der

Modernisierung an letzter Stelle steht.

Hier gewinnt auch der Chinabesuch des amerikanischen Außenministers Alexander Haig seine richtige Einschätzung. Haig zog aus, um den Russen das Fürchten durch eine Neuauflage der Eindämmungspolitik aus der Zeit des Kalten Kriegs zu lehren. Deshalb versprach er, was alle Präsidenten seit Nixon abgelehnt hatten: die Ausrüstung Chinas mit modernen Waffensystemen.

Bisher waren amerikanische Lieferungen auf „nichtletale“ Rüstung beschränkt gewesen, wie Lastwagen, Transportflugzeuge, Computer etc.

Dazu gehörte auch eine gemeinsam betriebene Überwachungsanlage im Grenzgebiet, die russische Raumfahrtsunternehmen kontrolliert.

Die Ankündigung von Waffenlieferungen erregte keineswegs allseitiges Gefallen - vor allem nicht in Südostasien und Taiwan, von den Russen nicht zu reden - und gewinnt wenig Glaubwürdigkeit.

Eine Aufrüstung der veralteten Armee auf einen glaubwürdigen Abschreckungsstandard würde schätzungsweise bis zu 60 Milliarden Dollars verschlingen, ganz abgesehen davon, daß die Bauernsoldaten kaum in der Lage wären, komplizierte elektronische Waffensysteme zu beherrschen. Und wer soll das bezahlen?

In China selbst wurde Haig unmißverständlich aufgeklärt, daß Waffenlieferungen nach Taiwan, wie Reagan sie im Wahlkampf versprochen hatte, die Beziehungen zur Volksrepublik schwer belasten müßten.

China besteht aus Prinzip auf die Anerkennung der Zugehörigkeit Taiwans zur Volksrepublik, läßt aber sonst mit sich reden. Wenn kein militärischer Angriff auf Taiwan vorgesehen ist, wozu China heute gar nicht in der Lage wäre, braucht Taiwan auch gar nicht die geforderten Hochleistungsflugzeuge.

In dieser Situation, in der die amerikanischen Prioritäten keineswegs klar formuliert sind, besteht kaum die Möglichkeit, mit China, Japan, den fünf ASEAN-Staaten und Australien eine antikommunistische Allianz zu bilden. China ist immer noch ein Land in einer schweren Aufbaukrise, belastet mit einer untauglichen Ideologie.

Scharfe Kursänderungen, wie sie in den letzten Jahren häufig erfolgten, sind auch heute keineswegs ausgeschlossen. Ob Dengs Kurs bis 2000 verfolgt werden kann, ist überaus fraglich. Und ebenso fraglich ist: Sticht der Chinatrumpf in Haigs Kartenspiel?

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