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Allah gab dem Westen Vorzug

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Saddam Hussein ist bankrott. Seine Gläubiger sind die Millionen Araber im ganzen Nahen Osten, die in ihm einen neuen Saladin sahen (der im elften Jahrhundert die Kreuzfahrer schlug). Nun sucht er -nachdem sich die „Mutter aller Schlachten” von ihm gewendet hat - einen Konkursverwalter, der ihm sein angeschlagenes Reich und insbesondere sein eigenes Regime wahren kann. In seinen Augen ist dies Michail Gorbatschow, der alle Anstalten macht, sich dieser Aufgabe zu widmen.

Dies hätte einen neuen Kalten Krieg heraufbeschwören können. Doch die UdSSR von heute ist nicht mehr die Sowjetunion von gestern. Dieselbe Macht, die gestern Iraks Armee mit modernsten Panzern ausrüstete, hat heute nicht einmal genug Kraut für eine heiße russische Krautsuppe.

Saddam hatte sich am Dienstag vormittag an sein Volk gewandt und erklärt, daß man „gegen die ganze Welt gekämpft” habe, doch „verraten worden” sei. Trotz allem habe das große irakische Volk gesiegt, denn „es konnte zwei Monate gegen die ganze Welt standhalten”. Doch die Soldaten an der Front denken anders. Sofort nach der Rede des großen Rais begann eine Massenflucht. Hunderte verließen ihre Panzer und versuchten Kuweit zu verlassen - nichts wie weg.

Die arabischen Massen in Jordanien und in Palästina können und wollen es nicht glauben, daß „ihr” Saddam geschlagen wurde. Gestern noch glaubten sie an seinen Sieg. Sie sind geschockt, denn all ihre großen Hoffnungen auf eine große arabische Nation, die die Reichtümer der arabischen Welt an die armen Araber verteilt, all die großen Hoffnungen, daß ihr Saddam das Los der Welt bestimmen wird, wie einst die großen Kalifen in Bagdad, diese Hoffnungen sind zerschellt. Wieder zeigte sich, daß Allah dem Westen den Vorzug gab. Dies ist ein Schock, dessen Ausmaße heute noch nicht abzusehen sind.

Noch geht der Krieg weiter. Noch wird weiter bombardiert. Doch die Tage dieses Regimes sind gezählt. Wer nachfolgen wird, ist noch nicht klar. Saddam versucht sein Regime zu retten. Als seinerzeit Gamal Abdel Nasser im Sechstagekrieg geschlagen wurde, trat er zurück. Massendemonstrationen brachten ihn wieder ans Ruder. Wenn Saddam zurücktreten sollte, wird in Bagdad ihm niemand nachweinen. Im Nahen Osten wird eine neue Ordnung beginnen. Denn was vor dem Golf krieg war, kann nicht mehr sein. So in Saudiarabien, so in Syrien und so auch in besetzten Gebieten. Viele werden zum Umdenken gezwungen werden. Denn die Zeiten der Großmachtträume sind hier nun ausgeträumt.

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