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Alle Geldgeschäfte „unter einem Dach mit dem Giebelkreuz“

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Die stetig fortschreitende Anzahl von Verpflichtungen, der sich in zunehmendem Ausmaß auch der Privatmann gegenübersieht, hat zu einem beträchtlichen Wachstum des gesamten Dienstleistungssektors geführt. Wenn man in früheren Jahren etwa mit „seinem“ Friseur, „seinem“ Kaufmann, „seiner“ Trafik, „seinem“ Hausarzt usw. voll das Auslangen fand, brachte es der gesamtwirtschaftliche Aufschwung seit den fünfziger Jahren mit sich, daß fast jeder mit der Zeit Gehende neben „seinem“ Automechaniker, „seiner“ Tankstelle oder „seiner“ Versicherung, um nur auf einige der augenfälligsten Wachstumsbranchen hinzuweisen, sich auch seiner Bank bediente.

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Die stetig fortschreitende Anzahl von Verpflichtungen, der sich in zunehmendem Ausmaß auch der Privatmann gegenübersieht, hat zu einem beträchtlichen Wachstum des gesamten Dienstleistungssektors geführt. Wenn man in früheren Jahren etwa mit „seinem“ Friseur, „seinem“ Kaufmann, „seiner“ Trafik, „seinem“ Hausarzt usw. voll das Auslangen fand, brachte es der gesamtwirtschaftliche Aufschwung seit den fünfziger Jahren mit sich, daß fast jeder mit der Zeit Gehende neben „seinem“ Automechaniker, „seiner“ Tankstelle oder „seiner“ Versicherung, um nur auf einige der augenfälligsten Wachstumsbranchen hinzuweisen, sich auch seiner Bank bediente.

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In wohl keinem Zweig der Dienstleistungen kam es zu solch einen-Angebots- und Nachfrageboom ar persönlicher Serviceleistung wie bei den Banken. Hatten sich deren Geschäfte ursprünglich hauptsächlich auf die Entgegennahme und Verzinsung von Spargeldern sowie aui Darlehensgewährung an Unternehmer beschränkt, verfügt die Bank von heute über eine nur noch dem Fachmann überschaubare Angebotspalette.

Fast 2000 Raiffeisenbanken

Innerhalb des österreichischen Bankenwesens nimmt der Raiffeisen-Geldsektor aus verschiedenen Gründen eine herausragende Stellung ein. Die Landkarte unserer Heimat ist mit einem Netz von fast 2000 Raiff-eisenkassen versehen, so daß nahezu jede zweite österreichische Gemeinde mit dem Raiffeisensymbol in Form des Giebelkreuzes vertraut ist. Diese leistungsfähige Verbreitung garantiert neben der Bequemlichkeit für die Kunden infolge geringer räumlicher Distanz auch eine besondere Promptheit und Exaktheit im Überweisungsverkehr. Ebenso beweist die hohe Spareinlagenintensität — auf diesem Gebiet ist der Raiffeisen-Geldsektor in Österreich führend — nicht nur das trotz weltweiter Währungsunsicherheit und steigendem

Lebenshaltungskostenindex ungebrochene Vertrauen der Bevölkerung zu den Banken im allgemeinen und zur Rentabilität des Sparens in seinen vielfältigen Variationsmöglichkeiten im besonderen. So wurden den Raiffeisen-Sparern im Vorjahr nicht weniger als 1145 Mill. S an Zinsen gutgeschrieben, was einem 23prozen-tigen Anteil am gesamten Spareinlagenzuwachs entspricht.

40 Milliarden Gesamteinlagen

Insgesamt beweisen fast 40 Mrd. S Gesamteinlagen das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung zur Raiffeisen-Geldorganisation, wovon nahezu 35 Mrd. S als Kredite der österreichischen Wirtschaft einen wesentlichen Impuls für das stetige Wachstum verleihen.

Steter Aufschwung bei Wertpapieren

Außerdem vergrößert sich die Bedeutung der Raiffeisen-Geldorganisation beim Wertpapiersparen sowie ei der Veranlagung von Wertpapieren ständig. Im Vorjahr konnten f45 Mill. S an eigenen und fremden \nleihen übernommen bzw. placiert verden, womit gegenüber 1970 eine [4prozentige Zunahme erzielt “wurde. Die „4. Fundierte Raiffeisenanleihe“, jestehend aus fundierten Bank-chuldverschreibungen der Genos-enschaftlichen Zentralbank AG mit dnem Nominale von 350 Mill. S, er-löhte den Umlauf an sektoreigenen [“eilschuldverschreibungen auf

150 Mill. S.

Das bereits in den Vorjahren stark n Erscheinung getretene Interesse ler Raiffeisen-Kundschaft an Invest-nentzertiflkaten erfuhr im abgelau-enen Jahr eine neuerliche Auswei-ung. Die geschäftspolitische Bedeu-ung der 1969 erfolgten Beteiligung [er Genossenschaftlichen Zentral-lank AG an der Sparinvest-Kapital-tnlage G. m. b. H. wird durch die ^bsatzergebnisse der Raiffeisen-)rganisation an den von der Spar-nvest-Kapitalanlage G. rn. b. H. verwalteten Fonds deutlich unterstri-hen.

Am Absatz 1971 ist der Raiffeisen-lektor bei Sparinvest mit 124.321 ;tück (19,1 Prozent), bei Combirent nit 108.184 Stück (17,0 Prozent), bei Ltlasfonds mit 19.133 Stück (12,9 Pro-ent) und bei Intertrend mit 214.325 itück (50,5 Prozent) beteiligt. Der tnteil am Gesamtabsatz 1971 aller ier Fonds betrug für den Raiffeisen-ieldsektor 25,1 Prozent (124,06 Mill. Ichilling), der Anteil am Absatz von nvestmentzertifikaten im Inland chon fast 17 Prozent. Seit 1969 hat as über die Raiffeisen-Organisation i Investmentzertifikaten der Spar-nvest-Kapitalanlage G. m. b. H. in-estierte Geldvolumen rund 270 Mill. Ichilling erreicht. Der hohe Anteil m Absatzerfolg findet seinen Ausruck in einer mit 21. Jänner 1971 wirksam gewordenen Erhöhung der ieteiligung am Stammkapital der Iparinvest-Kapitalanlage G. m. b. .H on 12,5 Prozent auf 25 Prozent und ler mit 1. Oktober 1971 erfolgten Jbertragung der Depotbankfunktion ür den Fonds Intertrend auf die Genossenschaftliche Zentralbank AG.

Kostensparender Dreistufenbau

Einer der eklatantesten Vorteile [es Raiffeisen-Geldsektors besteht in einem organisatorischen Dreistufen-lau, wodurch auf jeder Ebene die )estmögliche Anpassung an die Nach-ragegegebenheit gewährleistet ist. n spezifisch abgestimmter Größen-rdnung paßt sich die lokale Raiff-isenbank bzw. -kasse förmlich den inanziellen Anforderungen der üeinstadt oder des Dorfes an. Auf [er nächsten Stufe, geographisch lach den neun Bundesländern gegliedert, fungieren die jeweiligen Raiff-isen-Zentralkassen bzw. -verbände owohl als Geldausgleichsstelle wie uch, dem genossenschaftlichen Sub-idiaritätsprinzip entsprechend, als Aushilfe“ für Geschäftsfälle, die den Lahmen der einzelnen Raiffeisen-anken übersteigen. Schließlich immt die Genossenschaftliche Zen-ralbank AG als Spitzeninstitut des esamten Raiffeisen-Geldsektors die leichen Funktionen auf der Bundes-bene wahr. Dieser gemäß den jewei-gen wirtschaftlichen Erfordernissen daptierte stufenförmige Aufbau zu inem transparenten genossenschaft-ichen Verbund garantiert dem Kun-en Kostenersparnis, ohne dabei zu ,asten der Schnelligkeit oder Gewis-snhaftigkeit zu gehen. Prägnant formuliert es GZB-Generaldirektor Dr. Hellmuth Klauhs, wenn er betont, die Stärke der Raiffeisen-Organisation liege im konsequenten Beharren auf den Grundsätzen Raiff-eisens und in der Flexibilität ihrer Anwendung auf die sich laufend ändernden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen.

Entwicklungsbedingt beschränkte sich der Raifieisen-Geldsektor im vergangenen Jahrhundert auf den ländlichen Bereich, paßte sich jedoch rasch den Erfordernissen der Wirtschaft und den Wünschen der Kundschaft an und umfaßte bald auch großstädtische Gefilde. Trotz harter Konkurrenz beweist die Genossenschaftliche Zentralbank-AG als Spitzeninstitut der Raiffeisen-Geldorganisation mit einer 23prozentigen Zuwachsrate der Bilanzsumme, daß sie eine kontinuierliche Weiterentwicklung sowie stetige Erhöhung ihrer Stammklientel aufweist. So erreichte das Spitzeninstitut per 30. Juni 1972 eine Bilanzsumme von 16,6 Milliarden Schilling und konnte das Kreditvolumen gegenüber dem Vorjahr um mehr als eine Milliarde auf 6,6 Milliarden Schilling erhöhen. Die breite Streuung der Ausleihungen erhellt aus dem nahezu gleichen Anteil von Gewerbetreibenden und Kreditnehmern aus der Land- und Forstwirtschaft. Auch der Anteil der Industrie ist stetig im Wachsen begriffen; ebenso zählen der Handel, freiberuflich Erwerbstätige, Angestellte und Pensionisten zur zufriedenen Kundschaft der Raiffeisen-Geldorganisation.

Neben dem allgemein banküblichen Dienstleistungsangebot verdient gerade die GZB-AG ihr Firmenimage als „Bank für jedermann“, da beispielsweise bei ihr auch Einzahlungen mit Erlagscheinen möglich sind. „Jedermann“ ist bei diesem Institut jedoch mehr als nur ein Werbeslogan: Denn nicht nur für den voll im Wirtschaftsleben Stehenden ist eine kostenlose Buchhaltung von immensem Vorteil, sondern auch Rentner und Pensionisten sind vor wiederkehrenden Zahlungen nicht gefeit. Solch eine kostenlose, weil vollkommen spesenfrei geführte Buchhaltung, die über jeden Ein-und Ausgang genau detailliert Rechnung legt, bietet das Raiffeisen-Ge-halts- bzw. -Pensionskonto, das neben dem bereits erwähnten Hauptvorteil noch weitere Annehmlichkeiten bietet: etwa die Unabhängigkeit vom Zeitpunkt der Gehaltszahlung und die Möglichkeit, trotz Krankheit, Urlaub oder dienstlicher Abwesenheit dennoch rechtzeitig über den Bezug verfügen zu können. Zeitraubende Wege oder gar Ärger über Mahnschreiben und Verzugszinsen wegen einmal vergessener Begleichung einer fälligen Rechnung entfallen, wenn Sie die „Bank mit dem persönlichen Service“ voll in Anspruch nehmen. Miete wie Telephon-, Gas- und Stromrechnungen, die ORF-Gebühr ebenso wie etwaige Raten oder Versicherungsprämien werden auftragsgemäß pünktlich beglichen, wobei selbstverständlich die zur Auftragserteilung nötigen Formulare unentgeltlich sind. Des weiteren besteht für den Inhaber eines Gehaltskontos durch die Überziehungsmöglichkeit bis zu 8000 Schilling ein ausdrücklich eingeräumtes, völlig formloses Kreditoffert, wobei die Verzinsung des aushaftenden Schuldbetrages mit 8,5 Prozent p. a. infolge der Nicht-verrechnung von Spesen als ausgesprochen günstig zu bezeichnen ist. Sollte den Inhaber eines Gehaltskontos ein höheres Kreditbedürfnis befallen, steht ihm ein äußerst günstiger Personalkredit offen, für den lediglich 8 Prozent Zinsen p. a., und zwar kontokorrentmäßig vom fallenden Kapital, ohne sonstige Spesen, berechnet werden. Darüber hinaus wird das Sparen für den Kontoinhaber wesentlich vereinfacht, indem man mittels Dauerauftrag monatlich einen bestimmten Betrag oder beispielsweise das gesamte Guthaben am Monatsletzten auf sein Sparbuch überweisen läßt. Von den verschiedenen Sparbüchern scheint gerade in der Epoche der fallenden Grenzen das EURO-Ringsparbuch am günstigsten, mit dem Abhebungen bei rund 20.000 Raiffeisen-Kre-ditinstituten in Österreich, BRD, Schweiz, Frankreich und in den drei Beneluxländern vorgenommen werden können.

Doch auch für diejenigen, welche dem Finanzminister nichts schenken wollen und auf die Steuerbegünstigungen durch das Versicherungs-sparen reflektieren, bietet die Raiff-eisen-Lebensversicherungs-AG mit ihren variantenreichen Möglichkeiten Kapitalanlage und Riskenschutz in idealer Komposition, wie das Erreichen einer Vertragssumme von mehr als einer Milliarde Schilling in nicht einmal dreijähriger Tätigkeit beweist.

Wer allerdings sein Sonderaus-gabenpauschale bereits durch anderweitige Absetzungsmöglichkeiten erschöpft hat, findet bei der „Raiffeisen“-Bausparkasse die Gelegenheit, in den Genuß direkter Zuschüsse zu gelangen, indem er zu den Zinsen der Bausparsumme noch jeweils ein Drittel der monatlichen Bausparprämie von der öffentlichen Hand seinem Konto zufließen läßt. Diese Neuordnung des Bausparrechts birgt allerdings ab 1. Jänner 1973 den Nachteil einer um ein Jahr verlängerten Bindungsfrist des angesparten Kapitals, doch bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossene Verträge bleiben weiterhin nur fünf Jahre gebunden. 200.000 zufriedene Kunden sowie 22 Milliarden Schilling Gesamtvertragssumme sprechen neben einem 26prozentigen Marktanteil für die erst zehn Jahre junge „Raiff-eisen“-Bausparkasse eine deutliche Sprache.

Neben der internationalen Verbreitung des genossenschaftlichen Gedankens nach dem System Raiff-eisen garantiert das weltweite Netz unserer mehr als 1000 Auslandskorrespondenten die indirekte Teilnahme am Finanzgeschehen von New York bis Tokio. Speziellen Ausdruck findet dieser „heiße Draht“ zu den Kapitalmetropolen der Erde im Raiffeisen-Effektenclüb Wien — dem ersten Klub dieser Art in dieser Branche —, womit dem ständig wachsenden Informationsbedürfnis bezüglich breitest gestreuter und vor allem sicherer Kapitalanlagen Rechnung getragen wird.

Dem Bedürfnis nach hundertprozentiger Sicherheit dient auch die im Vorjahr gegründete Raiffeisen-Ga-rantiegemeinschaft Ges. m. b. H., welche eine Übernahme von Bankgarantien oder Bürgschaften für einzelne Raiffeisenkassen vornimmt, deren Eigenkapital unter einer bestimmten Mindestgröße liegt, womit praktisch ein mehrfacher Haftungseffekt erzielt wird.

In dem Bestreiben, stets den sich immer rascher wandelnden wirtschaftsrechtlichen Formen und Normen Rechnung zu tragen, wurde in Form der Raiffeisen-Leasing Gesellschaft m. b. H. ein zukunftsträchtiges Modell entwickelt, das sowohl für den Leasing-Nehmer wie auch für den Leasing-Geber größtmöglichen Schutz vor unvorhersehbaren Risken gewähren soll.

Aus dem bisher Aufgezählten ist bereits klar ersichtlich, daß innerhalb des Raiffeisen-Geldsektors dem Prinzip der größtmöglichen Sicherheit für den Kunden absoluter Vorrang vor einer Gewinnmaximierung, die letztlich bei jeder Anlageform nur auf Kosten der Sicherheit erfolgen kann, eingeräumt wird. Dieser Leitgedanke steht in engem Zusammenhang mit dem aus Wesen und Gesetz der Genossenschaften hervorleuchtenden Grundsatz der Förderung aller Mitglieder, der gerade auf dem Raiffeisen-Geldsektor seine weitestmögliche Ausdehnung auf alle Kunden findet.

Der Hindenburg-Mythos trug entscheidend dazu bei, den monarchischen Gedanken immer mehr verkümmern zu lassen, den Generalfeldmarschall an Stelle des Kaisers zur Inkarnation der Nation zu machen, im Sommer 1916 die Berufung des Duos Hindenburg-Ludendorff an die Spitze der OHL zu erzwingen und 1917 den Sturz Bethmann-Holl-wegs durch die widersinnige Koali-

Daß der Sieg der deutschen achten Armee über die russische Narew-Armee, Hindenburgs über Samso-now, in den letzten Tagen des August 1914 in Deutschland sehr rasch einen Mythos zeugte, der entscheidende geschichtliche Folgen hatte, ist bekannt. Die Mythifizie-rung von Tannenberg hatte verschiedene Ursachen, und ihr Zusammentreffen erst hat dann den ganzen

Komplex legendärer Vorstellungen von den Voraussetzungen, dem Verlauf und den Folgen des Sieges entstehen lassen. Die deutsche Oberste Heeresleitung hatte im Sinne des Schlieffen-Planes, der in diesen Punkten wenig modifiziert worden war, der deutschen Ostarmee unter General von Prittwitz und Gaffron eine schier unlösbare Aufgabe zugewiesen. Sie sollte das durch den Grenzverlauf ohnehin bereits umfaßte Ostpreußen gegen zwei russische Armeen, die hier mit Sicherheit erwartet wurden, also gegen eine gewaltige Ubermacht, möglichst offensiv schützen, was ihr nur gelingen konnte, wenn sie die russischen Armeen einzeln und hintereinander zu fassen bekam und innerhalb kürzester Zeit beide zu schlagen vermochte. Der Feldzug begann für die Deutschen unter mißlichen Umständen. Sie wandten sich zunächst gegen die von Nordosten kommende Nje-men-Armee, verrechneten sich aber in der Annahme über deren Stoßrichtung, griffen selbst etwas planlos an, erlitten an einigen Stellen Rückschläge und standen dauernd unter dem Eindruck, sie würden noch während des Kampfes mit der Armee Rennenkampf von der Armee Samsonow im Rücken gefaßt werden. So entschlossen sie sich, den Kampf abzubrechen, sich rasch vom Feinde zu lösen und allenfalls, wozu ihnen die Richtlinien der OHL die Vollmacht gaben, hinter die Weichsel zurückzugehen, also ganz Ostpreußen und Teile von Westpreußen aufzugeben. Die OHL antwortete mit der Abberufung des Armeekommandanten und seines Generalstabschefs. Diese hatten sich allerdings inzwischen eines anderen besonnen und den Vorschlag des Chefs ihrer Operationsabteilung, Max Hoffmann, akzeptiert, der statt des Rückzugs hinter die Weichsel einen umfassenden Angriff gegen die von Süden in Ostpreußen eindringende Narew-Armee vorsah. Der neue Armeekommandant, der aus dem Ruhestand in die Aktivität zurückversetzte Generaloberst von Hindenburg, richtiger gesagt, sein Generalstabschef Erich Ludendorff, der eben für den mutigen Handstreich auf Lüttich den Pour le merite erhalten hatte, billigten die Maßnahmen zum Angriff auf Samsonow. In einer an dramatischen Wechselfällen reichen fünftägigen Schlacht wurden zweieinhalb russische Armeekorps völlig vernichtet, der Rest der Narew-Armee unter schweren Verlusten aus Ostpreußen hinausgeworfen. Samsonow schoß sich eine Kugel durch den Kopf. Die deutsche achte Armee trat zu einer neuen Schlacht an und schlug Rennenkampf bei den Masurischen Seen.

Aus diesen Tatsachen entstand die Legende, der in höchster Gefahr zu Hilfe gerufene alte General Hindenburg (der nun zum Archetyp des Getreuen Eckart, des Vaters und Retters der Nation wurde), habe auf Grund eines alten Lieblingsplanes die Russen in die „Masurischen Sümpfe“ getrieben, wo sie zugrunde gegangen seien. Dazu gesellte sich die Fabel, man habe die „Masurischen Sümpfe“ trockenlegen wollen, auf Hindenburgs energischen Protest aber von diesem gefährlichen Plan Abstand genommen. Tatsächlich aber gab es in Ostpreußen gar keine Sümpfe. Die Masurischen Seen hatten selbstverständlich die Verteidigung begünstigt und den Vormarsch der Russen erschwert, viel wichtiger aber war es gewesen, daß die Deutschen dank dem gut ausgebauten Eisenbahnnetz ihre Truppen rasch verschieben konnten. Im Bewußtsein des Volkes waren die beiden Siege über Samsonow und Rennenkampf zu einem einzigen zusammengeflossen, anderseits hatte die Benennung der ersten Schlacht nach dem historischen Ort Tannenberg — Sieg der Litauer und Polen über den

Deutschen Orden im Jahre 1410 — dazu beigetragen, den mythischen Charakter der Begebenheit zu verstärken. Wesentlich für den Hindenburg- und Tannenberg-Mythos wurde, daß nach den ersten Unglücksnachrichten aus Ostpreußen die deutsche Bevölkerung von dem großen Kosakenschreck erfaßt worden war, daß die plötzliche Wendung ans Wunderbare zu grenzen schien (wie bei den Franzosen das „Wunder an der Marne“) und daß nicht nur die riesigen Gefangenenzahlen von insgesamt mehr als 100.000, sondern auch die offizielle Tendenz, den inzwischen gescheiterten Westfeldzug im Bewußtsein des Volkes durch den überraschenden Sieg im Osten zu verdrängen, Tannenberg zu einer großen Entscheidung, Hindenburg zum Retter des Vaterlandes machten. tion Ludendorff-Erzberger-Kron-prinz zu bewirken. Der Hindenburg-Mythos aber rollte weiter. Er ermöglichte 1925 und erzwang 1932 die Wahl des greisen Generalfeldmarschalls zum Reichspräsidenten und diente noch 1933 dazu, im Staatsakt Hitlers Regime vor den Konservativen zu legitimieren.

Der sensationelle Roman Alexander Soilschenizyns „August 1914“ zeigt nun, nach einem halben Jahrhundert, daß es auch einen russischen Tannenberg-Mythos gab oder sogar noch gibt. Solschenizyn ist viel zu gescheit, um das Mythische seiner Darstellung nicht zu erkennen. Er sagt es sogar ausdrücklich, daß manche Schlachten weit über ihre strategische Bedeutung hinaus als Sinnbilder einer Zeitenwende Bedeutung erlangen. Daß in Ostpreußen, obwohl man es mit bedeutender Übermacht und aus günstigster Ausgangsstellung angegriffen hatte, eine ganze russische Armee zerschlagen, 100.000 Mann gefangen wurden und der Armeekommandant Selbstmord beging, hat auf russischer Seite der Schlacht bei Tannenberg einen ähnlich mythischen Charakter verliehen wie die oben erwähnten Umstände den deutschen Tannenberg-Mythos und mit ihm den Hindenburg-My-thos gezeugt haben. Aus dem auf sorgfältigsten Studien beruhenden, dem Verlauf der Schlacht bis in zahlreiche Einzelheiten peinlich genau folgenden Roman von Solschenizyn geht hervor, daß aus der russischen Katastrophe von Tannenberg anscheinend jener Glaube entsprang, von dem noch Trotzki sagen wird, mit ihm habe die russische Revolution begonnen, die Überzeugung: man kann die Deutschen nicht besiegen. So gruppiert der große Erzähler, der mit diesem Roman wirklich das Niveau des jungen Tolstoj, das Format von „Krieg und Frieden“ erreicht, alle seine Ansichten und Einsichten, mit denen er den Untergang des alten Rußland, den er zutiefst beklagt, rational erklärt, um das Schicksal der 2. Armee, ihres Kommandanten General Samsonow und jener Elitetruppen, die in den Wäldern und zwischen den Seen des südlichen Ostpreußen wie bei einer Treibjagd zusammengeschossen oder gefangen wurden.

Der Roman endet mit dem kritischen Resümee im Großen Hauptquartier des Generalissimus Nikolaj Nikolajewitsch, in das wie eine erlösende Botschaft die Nachricht hereinplatzt, daß die Russen Lemberg genommen haben, ein — wie Solschenizyn ebenfalls einräumt — illusionärer Sieg, mit dem sich aber die Umgebung des Großfürsten und dieser selbst über die Katastrophe in Ostpreußen hinwegtrösten. Tatsächlich rührt der Autor mit dem Hinweis auf Lemberg an das strategisch wichtigere Problem des Einleitungsfeldzuges vom Sommer 1914. Nicht in Ostpreußen, sondern in Galizien und im Raum zwischen Weichsel und Bug wurde Berlin gerettet. Wenn die Deutschen Tannenberg verloren hätten oder wenn sie, wie sie zunächst beabsichtigten, hinter die Weichsel zurückgegangen wären, dann wäre das zwar ein schwerer Prestigeverlust für sie gewesen, ein um so schwererer, als sie den Feldzug im Westen verloren, aber die Russen hätten die untere Weichsel gewiß nicht überschreiten können, ohne eine Niederlage zu erleiden, und den Weg nach Berlin hätten sie sich nicht freigekämpft. Um diesen zu öffnen, hätten sie die Österreicher vernichtend schlagen oder mindestens in die Karpaten oder hinter die Karpaten zurückwerfen müssen. Solange eine kampffähige Masse von rund 40 Divisionen der k. u. k. Armee in der Südflanke der gegen Schlesien und auf Berlin vorstoßenden russischen Armeen stand, vermochten diese die mit den Franzosen vereinbarte große Offensive auf Berlin nicht durchzuführen. Die Niederlagen, die der Russe Ende August 1914 an seiner Südwestfront erlitt, insbesondere die Niederlage der russischen 5. Armee bei Komarow, wo die k. u. k. 4. Armee unter Auffenberg einen Sieg errang, der als operative Leistung durchaus neben den deutschen Siegen bei Tannenberg und an den Masurischen Seen bestehen kann, waren von weit größerer strategischer Bedeutung als Tannenberg. Und selbst die beiden Lemberger Schlachten — die erste eine Niederlage der Österreicher, die zweite eine vor der Entscheidung abgebrochene Schlacht — waren für die Russen keineswegs überzeugende strategische Erfolge. Die Absicht der Russen war es gewesen, mit den vier sehr starken Armeen, die sie zwischen Weichsel und Dnjestr gegen die Österreicher einsetzten, die nicht nur an Bataillonen, sondern vor allem an Artillerie weit schwächer waren, diese in die Zange zu nehmen und zu vernichten, im ungünstigsten Fall den Südflügel der Österreicher in die Karpaten zu werfen und den Nordflügel im Raum zwischen Lublin und Rawaruska einzukreisen. Das mißlang. Die Österreicher konnten sich nach den großen Eröffnungsschlachten, wenn auch stark zerzaust und vor allem mit einem schwer zur Ader gelassenen Offizierskorps, doch von den Russen absetzen, hinter den San zurückziehen und zu neuen Kämpfen formieren. Sie vermochten noch vor Jahresende zweimal wieder zur Offensive anzutreten und bei Lima-nowa einen glänzenden Sieg über die Russen zu erringen.

*

In den Erinnerungen des russischen Kriegsministers Suchomlinow findet sich ein Hinweis darauf, daß die Erfolge der Österreicher bei Krasnik und Komarow auch einen starken moralischen Eindruck auf die Russen machten, hatte man doch gemeint, die Österreicher als minderwertig abtun zu können und nur in den Deutschen einen ebenbürtigen Gegner zu finden. Der Feldzug der Österreicher gegen die russische Südwestfront, die zwei Drittel der russischen Streitkräfte umfaßte, war allerdings ein Opfergang, eine „Winkelriedtat“, wie ihn der deutsche Historiker Wilhelm Schüssler schon 1924 genannt hat. Hatten die Deutschen wesentlich mehr Artillerie als die Russen, so diese weit mehr Geschütze als die Österreicher. Während die Deutschen in Ostpreußen ausgezeichnete Bahnen und zahlreiches rollendes Material, dazu gute Straßen und eine Fülle von natürlichen Hindernissen besaßen, müßten sich die Österreicher beim Überschreiten der russischen Grenze von ihren Eisenbahnen lösen, konnten mit den russischen Breitspurbahnen nichts anfangen und mußten die sandige Tanew-Niederung durchschreiten, die von der Infanterie ermüdende Märsche verlangte. Unter diesen Umständen gehörte, was die Österreicher bei Krasnik, Lublin und Komarow leisteten, vollends aber dann die Schwenkung der 4. Armee um volle 90 Grad und ihr Eingreifen bei Rawaruska, zu den bedeutendsten taktischen Leistungen der modernen Kriegsgeschichte. Wäre nicht unglückseligerweise 1914 infolge der mangelnden Koordinierung von militärischen und diplomatischen Planungen eine ganze Armee — die des Generals Böhm-Ermolli — zunächst in Syrmien aufmarschiert und bei der Umstradierung nach Galizien zur Hälfte entgegen den früheren Plänen im Süden hängengeblieben, dann wäre zwar Conrads großer und allzu phantastischer Plan des Vorstoßes auf Siedice auch nicht gelungen, aber der Armee wären vielleicht die verheerenden Verluste erspart geblieben, deren Folge dann die politisch so verhängnisvolle Abhängigkeit der österreichischen Kriegführung von dem deutschen Verbündeten war, der das Opfer, das ihm die Österreicher 1914 gebracht haben, niemals voll gewürdigt und öffentlich anerkannt hat.

Hindenburg und Ludendorff haben 1914 Ostpreußen befreit, aber Conrad war es, der Berlin gerettet hat, und nicht bei Tannenberg hat Rußland den Krieg verloren, sondern — wenn man die vielerlei Ursachen in ein Kriegsereignis zusammenfassen will — auf den Schlachtfeldern zwischen Lublin und Lemberg. Daß die Heeresgruppe Shilinski in Ostpreußen geschlagen wurde, war für die Russen gewiß blamabel und hat zu ihrer schließlichen Niederlage beigetragen, aber daß sie die Österreicher nicht zu besiegen vermochten, war ausschlaggebend dafür, daß sie am Ende den Krieg und ihr Reich verloren. Die zahlreichen inneren Krankheiten des alten Rußland, vor allem die Unterwanderung von Staat und Gesellschaft durch die zersetzenden Kräfte der Revolution, die Aushöhlung des Glaubens durch das Freidenkertum und die Fäulnis des gesamten Staatsapparats, das hat Solschenizyn großartig erfaßt und beschrieben. Der Mythos von Tannenberg aber ist eine dichterische, keine historisch-kritische Antwort auf die Frage, wo im Sommer 1914 der Traum vom russischen Weltreich zerbrach, ein Traum freilich, den die Erben der Romanows bis heute nicht ausgeträumt haben, dessen Verwirklichung sie ein gutes Stück nähergekommen sind, um dessen Schicksal aber heute eher in Asien als in Europa gerungen wird, denn die gefürchteten Deutschen aus den Tagen von Tannenberg sind inzwischen Hintersassen des neuen Rußland geworden.

AUGUST 1914. Von Alexander S olschenizyn, Luchterhand-Verlag, Darmstadt. 780 Seiten, S 220.40.'

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