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In der Demokratie muß immer irgendwo gewählt werden. So entscheiden 1976 175.000 Bauern über die politische Zusammensetzung ihrer Standesvertretungen, und auf den Parteitagen der SPÖ im März und FPÖ im Herbst, werden die Parteispitzen neu gewählt. In der SPÖ wird es sich um ein Bestätigungsverfahren handeln. Die FPÖ könnte sich mehr und mehr in Richtung auf eine nach allen Seiten geschlossene Partei entwickeln.

Ein Jahr ohne Wahlen braucht kein Jahr ohne bedeutsame Veränderungen, neue Weichenstellungen und tiefgreifende Entscheidungen zu sein. Die Regierungspartei will in diesem Jahr mit einem um Karl Blecha erweiterten Zentralsekreta-riats-Duo versuchen, die Parteiorganisation zu modernisieren und sich, wie es das Zentralorgan „Arbeiter-Zeitung“ formulierte, „noch stärker nach außen öffnen“. Regierungsprogrammatische Entscheidungen sollen bei der Regierungsklausur am 12. und 13. Jänner in Deutsch-Wagram fallen; insbesondere darüber, welche zusätzlichen Belastungen man den Autofahrern aufbürden kann. Auch über Minister Mosers „Wasser-Schilling“, Minister Brodas Mietenrecht und Josef Staribachers Vorschläge auf dem Gebiet der Lehrlingsausbildung soll diskutiert und entschieden werden.

Am 10. und 13. März will dann die SPÖ auf ihrem Parteitag im Wiener Konzerthaus ein neues Modell für die Öffnung nach außen vorstellen und beschließen, und möglicherweise wichtige Vorentscheidungen über die Nachfolge des derzeitigen, bald 65 Jahre alten Parteivorsitzenden Kreisky treffen. Die „Arbeiter-Zeitung“ zitiert, daß er nur „für diese Legislatur voll da sein“ werde, „von weiteren kann ich es mit aller Deutlichkeit verneinen, dazu habe ich auch gar kein Bedürfnis“. Mitte 1976 will Kreisky eine Regierungsumbildung vornehmen: Für Außenminister Bielka dürfte UNO-Botschafter Jankowitsch einspringen und jedenfalls bis 1979 für die Kontinuität der Außenpolitik Kreiskyscher Prägung sorgen.

Wie etwa Kirchschläger, der einst Kabinettchef von Außenminister Kreisky war, fungierte auch Janko-witsch, bis Anfang der siebziger Jahre, als Sekretär Kreiskys. Ebenfalls aus der Regierung ausscheiden dürften Landwirtschaftsminister Weihs (ihn soll Staatssekretär Haiden ersetzen) und Verteidigungsminister Lütgendorf (er könnte durch einen SP-nahen Beamten im Verteidigungsressort abgelöst werden). Weitere Schwachpunkte in der Regierungsmannschaft dürften sich bis zum Ende der Legislaturperiode retten. Der oft diskutierte Rücktritt von Vizekanzler Häuser und seine Ersetzung durch Wissenschaftsminister Herta Firnberg dürfte in diesem Jahr nicht stattfinden. Dadurch wäre für Finanzmdnister Androsch der Weg an die Parteispitze weiter versperrt, woran Kreisky kaum interessiert sein dürfte.

Josef Taus will dieses Jahr vor allem dazu verwenden, die „ungeheure Substanz“ der ÖVP zu aktivieren. In den letzten Monaten wegen seines eher zurückhaltenden Stils inner- und außerhalb der Volkspartei kritisiert, was freilich zur guten Art der ÖVP gehört, setzt er auf die Zeit, die ja auch aus einem Gerstenkorn einen Krug Bier machen kann. Die Distanz zu Tagesereignissen könnte sich für die ÖVP bisher eher rentiert haben. Bei einem seiner beiden Auftritte in der Budgetdebatte hat er sogar Finanzminister Androsch einen Hauch von Konsensbereitschaft entlockt. Wichtig für ihn und seine Partei bleibt, daß ihm die Gegenwart vor lauter Distanziertheit nicht entgeht.

Josef Taus dürfte 1976 vor lauter Präsenz in der Öffentlichkeit gar nicht zur Ruhe kommen. Er ist unverbraucht und für viele noch immer unbekannt. Ende 1976 wird er, so oder so, das eine nicht mehr sein können und das andere nicht mehr sein dürfen.

Die FPÖ war in den letzten sechs Jahren keine Opposition im substantiellen Sinne. Sie war bloß nicht an der Regierung beteiligt, leistete aber für ein scheinbares Mitspracherecht harte und meist unbedankte Arbeit. Das dürfte sich nach allem, was im Herbst 1975 geschah, auch weiter fortsetzen, mit oder ohne Friedrich Peter, dessen denkbarer Nachfolger nach der Art, wie der Fall Otto Scrinzi bereinigt wurde, heute schon verspricht, für alten Wein aus neuen Schläuchen zu songen. „Die Freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft geht einig und geschlossen in das Jahr 1976“, hieß es im Neujahrsaufruf der FPÖ. Möglicherweise sogar so einig und geschlossen, daß man eines Tages wirklich wieder ganz unter sich ist. K. R.

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