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Alle Trümpfe für Hanoi

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Seit Präsident Nixon den 15. August als Datum der Bombeneinstellung in Kambodscha festgesetzt hat, sucht das Weiße Haus fieberhaft nach einem Gesprächspartner im Khmerreich. Aber die Rebellen haben bisher noch immer keine einheitliche politische Organisation, so daß Prinz Sihanouk derjenige sein soll, der mit der antikommunistischen Regierung in Phnom Penh verhandelt.

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Seit Präsident Nixon den 15. August als Datum der Bombeneinstellung in Kambodscha festgesetzt hat, sucht das Weiße Haus fieberhaft nach einem Gesprächspartner im Khmerreich. Aber die Rebellen haben bisher noch immer keine einheitliche politische Organisation, so daß Prinz Sihanouk derjenige sein soll, der mit der antikommunistischen Regierung in Phnom Penh verhandelt.

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Doch der Exilprinz zeigt noch die kalte Schulter; er weigert sich, mit Henry Kissinger zu sprechen, wenn dieser wieder nach Peking kommt; dann gab Sihanouk bekannt, daß er mit den vier Mitgliedern des administrativen Aussahusses der Regierung in Phnom Penh (Lon Nol, Siri Matak, In Tan und Cheng Heng) nicht verhandeln wolle — vielmehr wolle er diese erdrosseln...

Wie bekannt, bilden die Nordvietnamesen die angreifende Hauptkraft in Kambodscha. Auch die sogenannten kambodschanischen Rebellen bekommen nicht nur die Ausrüstung von Hanoi, sondern sie stehen auch unter Führung und Kommando

Hanois. Diese Rebellen umfassen zumindest drei verschiedene Gruppen:

• „Rote Khmer“ (Khmer-Rouge), kambodschanische Kommunisten-;

• Khmer-Rum-Doh; das ist die frühere königliche kambodschanische Armee, jetzt auch „Khmer Sihanou-kistes“ genannt;

• Khmer-Vietming, gebildet aus vietnamesischen Kommunisten, die nach Kambodscha „auswanderten“.

Die Soldaten der früheren Siha-nouk-Armee wurden entweder bereits von den Roten Khmer absorbiert und vernichtet oder sie sind kommunistisch geworden. In Wirklichkeit sind die jetzigen wichtigen Führer der Khmer-Rebellen, wie Chhak-Sam-Pan, Ho-Jang und Ho-Ninh, früher Todfeinde von Sihanouk gewesen und wurden von dem Prinzen steckbrieflich verfolgt.

Sihanouk übt daher auf keinen Fall eine echte Führungsgewalt auf die Rebellen aus. Ohne die Zustimmung Hanods hätte sich Sihanouk wahrscheinlich gar nicht getraut, sich in das Kontrollgebiet der Roten Khmer zu begeben. Die Exilregierung Sihanouks in Peking, die sogenannte Grunk, hat deshalb eigentlich einen Operettencharakter.

Warum aber Washington ausgerechnet die Marionette Sihanouk ausgesucht hat, liegt anscheinend in zwei amerikanischen Erkenntnissen:

Erstens nimmt Nixon an, daß Sihanouk die bedingungslose Unterstützung Pekings genießt und Peking für die friedliche Lösung Indochinas das größte Sprachrecht besitzt; zweitens, meint Washington, habe der Playboy-Exilkönig bis vor kurzem „die schönen Augen Hanois“ genossen. Diese zweite Annahme reflektiert die lächerliche Naivität der Amerikaner, da es sehr wahrscheinlich ist, daß gerade das Gegenteil der Fall ist.

Im „Befreiungskrieg“ Hanois in Vietnam, Laos und Kambodscha erhält Nordvietnam sicherlich nach wie vor große Hilfe von Peking; nur manchmal muß Hanoi es eben hinnehmen, sich von dem großen Bruder zügeln zu lassen. Grundsätzlich aber ist Hanoi Peking gegenüber vorsichtig: auch die Nordvietnamesen können den traditionellen Gedanken nicht loswerden, daß die Aggression vom Norden kommt.

Die Expansionsgelüste nach Süden sind nämlich unverkennbar. In den Augen Hanois ist Kambodscha (wie Laos) Einflußbereich Vietnams; aber in Betrachtungsweise Pekings bildet die ganze indochinesische Halbinsel einen späteren Lebensraum Chinas. In komplizierten Kriegen in Indo-china hat Hanoi Peking nie richtig und restlos gefolgt.

Der Schutz, den Peking Sihanouk in der rotchinesischen Hauptstadt gewährt hat, beweist die Ambition Pekings schon deutlich genug. Sihanouk seinerseits wählte Peking als Sitz des Exilregimes, weil er als Khmer Vietnam für den traditionellen Feind hält. Auch er hat Hanoi nie vertraut.

Hanoi, Moskau und Peking haben heute noch keinen gemeinsamen Nenner für den Frieden in Kambodscha. Trotz des Optimismus

Washingtons, wonach Hanoi stillschweigend das Einverständnis für einen Friedensabschluß in Kambodscha gegeben haben soll, nachdem Le Duc Tho und Kissinger ein zweites Abkommen unterzeichnet haben, sieht die Wirklichkeit doch ganz anders aus.

Hanoi will offenbar keinen echten Waffenstillstand, weil es seiner Politik der Vereinigung ganz Indochinas widerspricht. Kambodscha ist insofern sehr wichtig für Hanoi, weil dieses Land einen günstigen Umweg zur endgültigen Besetzung Südvietnams darstellt.

Als nun Washington in Moskau und Peking über die Kambodscha-Frage sondierte, reisten auch nordvietnamesische Prominente wie Le Duan und Phan Van Dong zwischen Peking und Moskau herum. Sie haben sicher die Aufgabe, den Standpunkt Hanois zu wiederholen.

Die Haltung Moskaus und Pekings

zu Sihanouk ist allerdings verschieden. Der Kreml hat die Regierung Lon Nols anerkannt, während Peking seine Diplomaten aus Phnom Penh zurückzog, als die Republik ausgerufen wurde und der Prinz stürzte.

Falls Hanoi aber keinen Frieden in Kambodscha wünscht und die Schritte Moskaus und Pekings in diesem Raum uneinheitlich sind, wie kann da eine schwache Galionsflgur wie Sihanouk die Aufgabe der Friedensverhandlungen mit Phnom Penh auf sich nehmen? Auch wenn die Khmer-Frage friedlich gelöst wird, braucht Washington sich nicht allzu viele Hoffnung auf Sihanouk machen. Es wird für die USA nochmals ein Fehler sein, wenn das Weiße Haus Lon Nol fallenläßt. Das Beispiel des Ngo Dinh Diem in Saigon sollte man nicht vergessen.

Wie die Dinge liegen, hat Hanoi zu entscheiden, wer in Vientiane und Phnom Penh in Hinkunft sitzen soll...

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