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Allein es fehlt der Glaube

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In den letzten Jahren sind Stücke mit christlicher Thematik im engeren Sinn völlig aus dem Spielplan des Wiener Burgtheaters verschwunden, registrierte die Schauspielerin Angelika Hauff. Zufall oder Methode?

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In den letzten Jahren sind Stücke mit christlicher Thematik im engeren Sinn völlig aus dem Spielplan des Wiener Burgtheaters verschwunden, registrierte die Schauspielerin Angelika Hauff. Zufall oder Methode?

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Knapp vor Jahreswende erhob die Burgschauspielerin und Vorsitzende des Vereins zur „Pflege christlicher Theaterkultur", Angelika Hauff, den Vorwurf, am Burgtheater sei in den letzten zehn Jahren kein einziges Stück gespielt worden, welches in irgendeiner Form den christlichen Glauben oder ein Thema der Religion zum Inhalt gehabt habe.

Hauff erblickt darin weniger Gedankenlosigkeit als ideologische Absicht und eine Mißachtung jener 90 Prozent der Bevölkerung, die sich offiziell zum christlichen Glauben bekennen, nun aber nicht einmal zum Katholikentag mit einem Stück dieser Thematik rechnen können.

Das war, so Hauff, nicht immer so. Zwischen 1955 und 1972 waren im Burgtheaterspielplan mehrere solche Stücke etwa von Henri de Montherlant, Max Meli, Christo-

pher Fry, Reinhold Schneider, Reinhard Ra falt, Max Zweig, Roman Brandstaetter oder Fritz Hochwälder -^vertreten, aber nichts dergleichen mehr unter den Direktoren Gerhard Klingenberg und Achim Benning.

Hochwälders „Donadieu" (1980) — zum 70. Geburtstag des Autors — läßt Hauff als Ausnahme nicht gelten.

Burgtheaterdirektor Achim Benning findet die Hauff-Vorwürfe schlicht „ziemlich dumm, weil man die christliche Haltung eines Theaters nicht an Stücktiteln ablesen kann". Da die am Burgtheater umgesetzte Theaterliteratur durchwegs aus christlichen Ländern komme, ist es für Benning keine Frage, „daß alle Themen, die Christen bewegen, hier vorkommen".

Mit anderen Worten: Für Benning ipt schon dort, wo Kunst sich mit ethischen Grundwerten auseinandersetzt, christliche Problemstellung gegeben, wenn sie auch nicht christliche Haltung vermittelt. Eines ist unbestreitbar: (zum Teil durchaus christliche) soziale Botschafter hört man am Burgtheater sehr wohl, allein es fehlt (als Thema) der Glaube…

Von den zitierten, früher am Burgtheater gespielten Autoren hält Benning wenig: „Schiller ist besser. Die großen Dramatiker haben keine im engeren Sinn christlichen Stücke, auch keine unchristlichen, geschriebe;n. Mir sind Stücke mit rein religiöser Fragestellung auf dem Niveau der Weltliteratur nicht bekannt, für Hinweise bin ich dankbar. Auf jeden Fall gibt es bei uns weder religiöse noch unreligiöse Gründe für das Spielen oder Nichtspielen eines Stückes."

Sicher, über Calderön könne man reden, ein Stück von Paul Claudel sei schon lange im Gespräch und werde bestimmt kommen. Es liege an „Theatergründen" (geeigneter Regisseur, entsprechende Besetzung, gutp

Ubersetzung etc.), wenn das eine oder andere Stück längere Zeit nicht im Spielplan aufscheine: „Wir haben auch schon lange nicht ,Romeo und Julia’ gespielt oder einen Corneille oder Racine."

Natürlich läßt sich den geforderten christlichen Autoren - außer den schon erwähnten vor allem noch T. S. Eliot und C^eorges Bernanos—eine mindestens ebenso große Anzahl von Autoren und Stücken gegenüberstellen, die auch schon lange nicht zu Burgtheaterehren gekommen sind.

Bennings Argument, der Burgtheaterspielplan sei nicht anders, also auch nicht „unchristlicher", als jener vergleichbarer Bühnen in christlichen Ländern, ist freilich für ein Haus, das Wert auf Originalität legen sollte, in mehrfacher Hinsicht eher schwach. Ein so seltenes Ereignis wie ein Katholikentag sollte zudem Anlaß sein, sich in dieser Hinsicht mehr Mühe zu geben.

Für diesen Wunsch zeigt Benning Verständnis, meint aber, zu einem solchen Anlaß sollte man nicht „irgendein christliches Stück" spielen, sondern ein Stück, das auf die Thematik des Katholikentages eingehe. Und das Thema Hoffnung ziehe sich gerade durch den jetzt am Burgtheater inszenierten „Kirschgarten" von Tschechow.

Bleibt die Frage, ob das Fehlen „christlicher" StückeT am Burgtheater nur Mangel an Verständnis für diese Stücke seitens der Direktion (dies wohl auch) oder darüber hinaus ein echter Mängel an guten solchen Stücken, vor allem aus jüngster Zeit, ist. „Wo ist der christliche Peter Turrini?" fragt Burgtheaterdramaturg Reinhard Urbach.

„Es gibt durchaus zeitgenössische christliche Autoren im engeren Sinn", meint die Wiener Thea-terwissenschafterin Univ.-Prof. Margret Dietrich, „und ihre Stük-ke wären bei entsprechender Bearbeitung genausogut wie vieles, was gespielt wird, aber sie kommen nicht zum Durchbruch. Es fehlt ihnen die szenische Praxis.

Sie müßten sich anhand von In^ szenierungen, und wäre es nur im kirchlichen Rahmen, etwa auf Kolping-Bühnen, weiterentwik-keln."

Daß das Burgtheater früher mehr religiöse Stücke gespielt hat, führt Dietrich auf den „Nachholbedarf" nach der Zeit des To-talitarismus zurück, der heute nicht mehr gegeben sei. Das sei nicht Benning zum Vurwurf zu machen, sehr wohl sei aber zu untersuchen, warum religiöses Denken in der Öffentlichkeit, also auch auf der Bühne, kaum mehr diskutiert werde. Zunächst einmal müßte aber das Publikum mündiger werden und derartige Wünsche artikulieren. Konkret: Vorwürfe an die Adresse des Direktors müßten aus dem Publikum, nicht aus dem eigenen Haus kommen.

Ganz sicher müßten sich Christen und Kirche mehr mit dem Theater auseinandersetzen und Aktivitäten auf diesem Gebiet nicht nur dem Verein von Angelika Hauff, dessen Produktionen auch in katholischen Kreisen nicht unumstritten sind, überlassen.

Immerhin hat Hauffs Attacke auf das Burgtheater vielleicht eine nützliche Diskussion bewirkt, obgleich zu befürchten ist, daß nur wenige Schläfer damit hinter dem Ofen hervorzuholen sind.

Was die fragwürdigeEinteilung nach „christlichen" und „unchristlichen" Autoren betrifft und den „christlichen Turrini": Für Achim Benning scheint es durchaus möglich, „einen Claudel höchst unchristlich und einen Brecht sehr christlich zu inszenieren".

Und Margret Dietrich hält Peter Turrini gar für einen „verkappten Christen": „Wenn man sich ansieht, was den bewegt, da ist für meine Begriffe eine sehr starke Identität mit christlichen Vorstellungen gegeben."

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