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Alleingelassen mit den Flüchtlingen

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18 Monate schon wirkt die Psychologin und Soziologin Katja Boh als Vertreterin unseres kleinen südlichen Nachbarn in Wien.

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18 Monate schon wirkt die Psychologin und Soziologin Katja Boh als Vertreterin unseres kleinen südlichen Nachbarn in Wien.

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furche: Was sind Ihre ersten Österreich-Bezüge? Botschafterin Katja Boh: Ich bin Soziologin und jahrelang an der Universität gewesen, habe mich an Forschungsarbeiten beteiligt und hatte sehr viele Beziehungen mit Universitäten in Osterreich.

furche: Gibt es in Ihrer Familie besondere Beziehungen zu Osterreich?

bph: Nein, leider, nicht! Ich habe Verwandte gehabt, die sind aber schon lange gestorben, einige sind während des Krieges ausgewandert. Ich bin zwar in Österreich geboren, habe aber nie da gelebt. Mein Vater war Ungar. So bin ich ein Kind dieses Mitteleuropa.

Furche: Wie sind Sie Botschafterin geworden? bph: Naja, wir waren in der ersten Reihe und haben uns 1988 der Reform-Bewegung angeschlossen. Obwohl wir keine professionellen Politiker gewesen sind und auch keine Diplomaten, haben wir uns vorgenommen, den Wagen zu ziehen. Bei den ersten Wahlen habe ich für das Parlament kandidiert, wurde Abgeordnete, war Ministerin für Gesundheit, Familie und Soziales und wurde danach Botschafterin.

FURCHE: Wie kommen Sie mit Österreichs Tendenz zur Abschottung zurecht? BPH: Wir haben Probleme mit Arbeitern, die für österreichische Firmen gearbeitet haben. Für die bekommen wir keine Arbeitsbewilligung mehr. Sonst: Eine Emigration aus Slowenien gibt es nicht. Wir haben natürlich Probleme mit dem Fremdengesetz, denn durch die neuen Regelungen werden die bosnischen Flüchtlinge, die die slowenisch-österreichische Grenze überschreiten wollen, abgeschoben. Nur sehr, sehr wenige werden aufgenommen.

FURCHE: Slowenien scheint bei der Fluchtlingsbetreuung von Europa und der UNO alleine gelassen zu werden BPH: Wir haben früher etwas bekommen. Jetzt wird das immer weniger, obwohl wir bei 70.000 registrierten Flüchtlingen geblieben sind - bei zwei Millionen Einwohnern! Wir schätzen, daß wir noch 20.000 bis 25.000 nicht-registrierte Flüchtlinge haben. Das ist für uns eine große Belastung, weil wir ihnen keine Arbeit beschaffen können. Wir haben selbst eine sehr hohe Arbeitslosigkeit. Außerdem sind von den Flüchtlingen 41 Prozent Frauen und 41 Prozent Kinder unter 15 Jahren.

FlJRCH E: Wie entwickeln sich die kulturellen Beziehungen zu Österreich?

Boll: Es ist sehr schwer, in Wien etwas zu veranstalten. Aber sehr viel spielt sich in den Bundesländern ab. Die Beziehungen sind viel enger zur Steiermark.

furche: Wie schaut es mit Kärnten aus?

bph: Ich kann das wirklich schwer verstehen. Da sind immer wieder die Probleme der Kindergärten, die Probleme der zweisprachigen Schulen. Seit ich hier bin, waren diese Probleme immer auf dem Tisch. Trotzdem habe ich den Eindruck, daß es, seitdem Slowenien ein eigener Staat ist, mehr Verständnis auch für die slowenische Minderheit gibt.

furche: Wie ist es als Diplomatin in Wien? bph: Wir sind ja jetzt nicht so wenige. Die Türkei hat zwei Damen, die bilaterale und die multilaterale Botschafterin. Die Amerikaner bekommen eine zweite. Bedauerlicherweise wird, glaube ich, die multilaterale, *fie Jane Baker, nicht mehr lange bleiben. Dann ist die brasilianische Botschafterin, die multilaterale vietnamesische und die schwedische. So sind wir jetzt schon eine kleine Damengruppe. Trotzdem ist das noch nicht so viel, in Wien gibt es ungefähr 130 Botschafter.

furche: Der diplomatische Dienst dauert lange, Frauen haben es besonders schwer. bph: In den Reformländern ist das jetzt ein wenig anders, sonst normalerweise schon. Außerdem ist es, glaube ich, für eine Frau sehr schwer, obwohl wir alle sehr selbständig sind. Man versucht immer noch, die Frauen an die Männer anzupassen. Das diplomatische Leben erfordert ein fortwährendes Hin und Her. Die türkische Botschafterin ist auch mit einem Diplomaten verheiratet und die hatten großes Glück. Er ist Botschafter in Prag und sie Botschafterin in Wien. Mit Sloweniens Botsciiaftemn in Wien, ür. Katja Boh, sprach Martin Mair.

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