6866875-1978_07_03.jpg
Digital In Arbeit

„Allen Opfern der Ungerechtigkeit leihen wir unsere Stimme“

19451960198020002020

Mit einem Aufruf an die Regierungen der Welt, allen Menschen das Recht auf freie Religionsausübung unverkürzt zu gewähren, hat Papst Paul VI. die römische Bischofssynode abgeschlossen: ,£)er Schutz und die Förderung der unverletzlichen Menschenrechte gehören wesenhaft zu den Pflichten jeder Staatsgewalt“, erklärte der Heilige Vater. Er weist darauf hin, daß die Respektierung des Menschenrechtes auf religiöse, soziale und politische Freiheit im Bereich des Glaubens auch im Interesse der einzelnen Nationen selbst liege.Die Menschenrechte sind zur Klammer geworden, die den Schutz und die Wahrung der klassischen individuellen Menschenrechte mit den alten und neuen Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und entsprechenden gerechten Sozialstrukturen verbindet, aber ebenso die Entwicklungsarbeit der Kirche und die Entwicklungspolitik einbindet. Die Menschenrechte sind die Klammer, die das Engagement der Christen aus dem Geist des Evangeliums und der christlichen Soziallehre mit jenem aller Menschen guten Willens verbindet.

19451960198020002020

Mit einem Aufruf an die Regierungen der Welt, allen Menschen das Recht auf freie Religionsausübung unverkürzt zu gewähren, hat Papst Paul VI. die römische Bischofssynode abgeschlossen: ,£)er Schutz und die Förderung der unverletzlichen Menschenrechte gehören wesenhaft zu den Pflichten jeder Staatsgewalt“, erklärte der Heilige Vater. Er weist darauf hin, daß die Respektierung des Menschenrechtes auf religiöse, soziale und politische Freiheit im Bereich des Glaubens auch im Interesse der einzelnen Nationen selbst liege.Die Menschenrechte sind zur Klammer geworden, die den Schutz und die Wahrung der klassischen individuellen Menschenrechte mit den alten und neuen Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und entsprechenden gerechten Sozialstrukturen verbindet, aber ebenso die Entwicklungsarbeit der Kirche und die Entwicklungspolitik einbindet. Die Menschenrechte sind die Klammer, die das Engagement der Christen aus dem Geist des Evangeliums und der christlichen Soziallehre mit jenem aller Menschen guten Willens verbindet.

Werbung
Werbung
Werbung

Die seelsorgliche Aufgabe der Kirche der Verteidigung und Förderung der Menschenrechte bringt es mit sich, daß die Kirche in dienender Haltung allen Menschen gegenüber ihre Stimme erhebt und die Christen einlädt, daß sie selbst im Bereich der Politik ihre Aufgabe sehen, wahrnehmen und durch die politische Übernahme von konkreten Aufgaben auch Wege der Gesellschaft bahnen, wodurch Menschenrechte gewahrt werden können. Gerade durch die seelsorgliche Tätigkeit erfüllt die Kirche ihre Sendung auf politischem Gebiet. Wenn wir bedenken, daß die Politik bei den menschlichen Grundrechten eine große Rolle spielt, so ist gerade als Grundlage notwendig, aus der Überlegung des Glaubens die Gewissensbildung zur Aufdeckung von Ungerechtigkeiten zu fördern und ein echtes, der menschlichen Würde entsprechendes Handeln anzuregen.

Die Pflicht der Kirche besteht darin, daß sie durch ihr Wort und durch ihr Beispiel Frieden und Gerechtigkeit verkündet und damit die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt, so wie Christus sie in seinem großen Gebot der Nächstenliebe herausgestellt hat. Vom Evangelium her gesehen ist die Teilnahme am Prozeß der Befreiung des ganzen Menschen ein unentbehrliches Element in der seelsorglichen Aufgabe wirksamer Verkündigung. Wie in der Bischofssynode 1971 im Dokument über den priesterlichen Dienst ausgesagt wird, müssen sich die Priester mit der ganzen Kirche verpflichtet fühlen, wo es um die Verteidigung der elementaren Menschenrechte geht, den Einsatz für die Würde der Person, die Verwirklichung von Friede und Gerechtigkeit unbedingt fördern. In vielen Ländern der Erde steht die Kirche im Sinne dieser Verkündigung oftmals . in der offenen Konfrontation mit den Mächten dieser Erde.

Heute ist die Kirche aufgerufen, offen für die Verteidigung der Menschenrechte einzutreten, und dort, wo sie verletzt werden, geht es darum, einen prophetischen Protest inmitten dieser Welt zu erheben. Papst Paul Vi. sagte bei der Bischofssynode 1971, daß es zum Sendungsauftrag der Bischöfe gehöre, jede Ungerechtigkeit anzuprangern. In der Botschaft an die Vereinten Nationen am 10. Dezember 1973 wies der Papst darauf hin: „Allen stummen Opfern der Ungerechtigkeit leihen wir unsere Stimme, um die Mißstände anzuprangern und um ihre Beseitigung zu bitten.“

öfters hat Paul VI. auf die vielfältigen Opfer hingewiesen, auf die Opfer rassischer und völkischer Diskriminierung, auf die Opfer kolonialer Knechtung, auf jene Menschen, deren religiöse Freiheit unterdrückt wird,auf diejenigen, denen man die Redefreiheit verwehrt, auf mißhandelte odf r gefolterte Gefangene, auf politische Gegner, die man mit Gewalt ausschaltet und schließlich auf jene Menschen, die schwach und wehrlos sind, wie Säuglinge und Ungeborene.

Vor allen Dingen ist aber aufzuzeigen, daß dieser prophetische Protest Aufgabe aller Christen ist, wo immer sie sind und wo immer sie die Möglichkeit besitzen, für die Menschenrechte einzutreten und im Geiste einer friedlichen Neuordnung der Welt durch ihr Wort und durch ihre Tat neue Wege zu bahnen. In jedem Land muß man das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis prüfen und den Schutz der menschlichen Grund' rechte und Freiheiten in allen Gesellschaftsgruppierungen immer wieder neu überlegen. Gerade diese Selbstprüfung ist entscheidend, die der Mensch in seinem Bereich durchzuführen hat, die jede kirchliche Gruppierung und jede staatliche Einrichtung betreffen muß, jede wissenschaftliche Gruppierung umfaßt und schließlich das gesamte internationale Leben. Nur dann, wenn die echte persönliche Selbstkritik vorangegangen ist, wird tatsächlich eine Aussage für die Menschenrechte ein echter prophetischer Protest sein.

Auf den Studienplätzen unserer Gesellschaft steht nirgends das Fach für Erziehung der Menschenrechte. Vielleicht ist dieser Satz etwas hart ausgedrückt, aber er soll anregen, zu überlegen, wie weit in den vielfältigen Formen der Erziehung und Bildung junger Menschen tatsächlich die Grundhaltungen im Menschen gefördert werden. Es geht im Bildungsprozeß nicht nur um Anhäufen von materiellen Wissenskomplexen, sondern um die Form des Menschen, mit seinen Mitmenschen menschlich leben zu können und auf der Grundlage der tiefen, gläubigen Haltung seinen Weg gehen zu lernen. Gemäß dem II. Vatikanischen Konzil erstrebt wahre Erziehung die Bildung der menschlichen Person in Hinordnung auf ihr letztes Ziel. Gerade die Pastoralkonstitution ruft auf, daß sich alle, die Jugenderziehung durchführen und die die öffentliche Meinung mitformen, es als eine schwere Pflicht ansehen müssen, in allen eine neue Friedensgesinnung zu wecken.

Es ist klar, daß die E rziehung zu den Menschenrechten nicht stückweise verabreicht werden kann, sondern letztlich einen kontinuierlichen Prozeß der menschlichen Formung auf der Grundlage von Gerechtigkeit, Freiheit, Brüderlichkeit und Liebe darstellt, wie Christus dies in der Bergpredigt fordert oder im Gebet des Vaterunser zusammenfaßt.

Im Gesamtkonzept der Kirche ist die Entwicklungshilfe immer mit der Verkündigung des Evangeliums verbunden gewesen. Gerade in unserer Zeit ist durch die personale und finanzielle Hilfe ein vielfältiger Weg geschaffen worden, um ein Zeichen zu setzen, wie man den Menschen helfen kann und im Geiste der Zusammenarbeit auch die Wertschätzung am Menschen aufweist. Die vielfältigen Organisationen, die es auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe im kirchlichen Bereich gibt, sind ein entscheidender Beitrag, um eine Förderung der Menschenrechte durchzuführen.

Die Sorge um Mithilfe für die Bildungsarbeit für die Errichtung der verschiedenen Entwicklungsprojekte zur Entfaltung der einzelnen Länder sind eine im Geist der Mitverantwortlichkeit und gegenseitigen Achtung vollzogene Tat. Die Entwicklungshilfeorganisationen haben sich zum Ziel gesetzt, durch ihre Tätigkeit Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und damit auch den Menschen einen Anstoß und einen Impuls zu geben, wie sie am besten selbst ihre Lage verändern können. Die Entwicklungshilfeprojekte sind so aufzubauen, daß sie den Menschen, denen geholfen wird, nicht in eine neue Abhängigkeit führen, sondern ihn frei machen von den äußeren Abhängigkeiten inmitten dieser Welt.

Von dieser Sicht her wird die großangelegte Aktion der Entwicklungshilfe in unserer Zeit ein entscheidender Faktor. Man darf allerdings nicht verschweigen, daß es viele Unternehmungen gerade der öffentlichen Hand gibt, die ständig darauf ausgerichtet sind, letzlich der eigenen Handelspolitik zu dienen. Diese Form der Handelspolitik entspricht allerdings nicht jener Konzeption der Entwicklungshilfe, die wir im Sinne der Erfüllung der Menschenrechte für richtig halten. So sehr Handelspolitik entscheidend ist, so muß zusätzlich auch die internationale uneigennützige Hilfe von allen Stellen der Kirche und des öffentlichen Lebens geleistet werden. Dann wäre eben Entwicklungshilfe eine Förderung der Menschenrechte.

Im Dokument der Bischofssynode 1971 „Gerechtigkeit in der Welt“ wird die bedeutende Zusammenarbeit mit den getrennten Brüdern eindeutig und klar hervorgehoben. Sie soll den Frieden in der Welt fördern. So ist gerade die große Päpstliche Kommission Justitia et Pax verbunden in ökumenischer Zusammenarbeit Gerade die gemeinsame Grundlage der Heiligen Schrift gibt allen christlichen Kirchen die Möglichkeit, in der Sorge um die Menschenrechte in aller Welt gemeinsam tätig zu sein.

Wer immer über Menschenrechte spricht, wird sich selbst die Frage stellen müssen, ob er, der interessiert ist, daß auf den verschiedenen Ebenen der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Strukturen Menschenrechte gefördert werden, Gewissenserforschung über sein eigenes Leben hält. Es geht nicht darum, sofort den anderen zu beurteilen, jemandem Vorwürfe zu machen. Das Jahr der Menschenrechte soll nicht vordergründig von den Organisationen das abverlangen, was bereits andere tun, sondern soll den Menschen zur Selbstkontrolle aufrufen. Gewisseriserforschung über die Erfüllung der Menschenrechte bei sich selbst ist wohl im Jahr der Menschenrechte entscheidend und ist ebenso für einen Christen wichtig. Nur so wird die Position der Kirche und die Erfüllung der Menschenrechte durch die Glieder der Kirche eine Wirklichkeit, die nicht im Reden über Menschenrechte, sondern im erlösenden Tun sich erschließt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung