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Alles bleibt beim Alten

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Das Ergebnis des mit Spannung erwarteten SPÖ-Parteitages vom 22. bis 24. Mai in Graz läßt sich in zwei gleichlautenden Sätzen zusammenfassen: Alles bleibt beim alten. Alles bleibt beim Alten. Und Bruno Kreisky will es „der Partei jedenfalls nicht schwerer machen, als sie es in diesen Jahren ohnehin hat“.

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Das Ergebnis des mit Spannung erwarteten SPÖ-Parteitages vom 22. bis 24. Mai in Graz läßt sich in zwei gleichlautenden Sätzen zusammenfassen: Alles bleibt beim alten. Alles bleibt beim Alten. Und Bruno Kreisky will es „der Partei jedenfalls nicht schwerer machen, als sie es in diesen Jahren ohnehin hat“.

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Teils lag es an den Delegierten zum SPÖ-Parteitag in Graz, teils am Präludium in den Medien, daß die entscheidenden Probleme der österreichischen Politik auf ein Problem reduziert wurden: Bleibt Kreisky?

Und alle, Bruno Kreisky mit eingeschlossen, machten mit beim Spiel, bei dem weniger über Programme, sondern mehr über Personen diskutiert wurde.

Ob Hannes Androsch nicht oder jetzt doch wieder im SPÖ-Parteivorstand sitzt, ist vergleichsweise uninteressant gegenüber der Frage, wie es die SPÖ mit der politischen Moral hält. Über Androsch wurde diskutiert, über Moral nicht.

Ob Bruno Kreisky bleibt oder geht, ändert nichts an den Strukturschwächen der heimischen Wirtschaft.

Kreisky bleibt, auch wenn er das seiner SPÖ offiziell erst in einem Jahr sagen wird. Denn er wird „es der Partei jedenfalls nicht schwerer machen, als sie es in diesen Jahren ohnehin hat“. Also bleibt - wie es im SPÖ-Jargon heißt - alles beim Alten.

Und auch sonst bleibt alles beim alten: weil es „erfolgreich war“. Bruno

Kreisky unterstrich das in seiner Parteitagsrede, die als Höhepunkt der Grazer Delegiertenversammlung gedacht war, gehörig.

Nach einem Rückblick in die Erste Republik und vor einem Ausflug in die Außenpolitik nannte er Erfolg um Erfolg der sozialistischen Regierungspolitik, das größte Glück der größten Zahl dokumentierte er mit Autobahnkilometern, Schülerzahlen und Telefonanschlüssen.

All das habe diese von Opposition angefeindete und von den Medien verfolgte Regierung gemacht. Nur ein Halbsatz des fast zweistündigen Refe rates erinnert daran, daß auch die Sozialpartnerschaft dazu etwas beigetragen haben könnte.

Und die wirtschafts- und budgetpolitischen Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben? Dafür ist „die kapitalistische Welt, und ich scheue mich nicht, diesen Ausdruck zu gebrauchen“ (Kreisky), verantwortlich.

Und sonst haben wir keine Sorgen? Was ist mit dem AKH-Skandal? Den findet der Kanzler ebenso nur einen Nebensatz wert, daß es sich dabei „um einen grenzenlosen Skandal der Wirtschaftskriminalität, aber nicht um einen politischen Skandal“ handelt.

Am Ende dieses programmierten Höhepunktes des Parteitags spendeten die Delegierten Kreisky eineinhalb Minuten höflich Beifall.

Der wirkliche Höhepunkt kam erst Stunden später, als Journalistenpräsident Günther Nenning ans Rednerpult kam. Der „Einheitsfetischismus“, die Art, mit der die heiklen Fragen „unter den roten Teppich“ gekehrt werden, mache ihm Sorgen. Er erinnerte an die drei A: Androsch, AKH, Atom.

„Wir haben von alledem nicht gesprochen. Wir sind wie die Katze um den heißen Brei herumgeschlichen“, legte er seinen Finger in offene Wunden, freilich nur von einigen jüngeren Parteitagsdelegierten mit spärlichem Applaus bedacht.

Warum das so ist? „Um dem politischen Gegner keinen Dienst zu erweisen.“ Kopfnickend schloß sich die schweigende Mehrheit dieser Nenning- Begründung an, kopfschüttelnd, aber nachdenklich , stimmte seine Schlußfolgerung: Die Nicht-Diskussion erweise aber auch der SPÖ keinen Dienst.

Trotzdem gebe es diese Diskussion, nicht offiziell im Saal, sondern in den Vor- und Nebenräumen. „Vielleicht“, so Nenning, „hätte man das Protokoll dieses Parteitages auf dem Gang aufnehmen sollen“, weil dort besprochen wurde, was sonst in der Diskussion verpönt war.

Und seine abschließende Mahnung: „Wehe einer sozialistischen Partei, die über Fragen der Moral diskussionslos zur Tagesordnung übergeht!“ Sie ging. Und auf der Tagesordnung stand die Verabschiedung eines neuen Wirtschaftsprogramms.

Dafür gab es viele Anträge und geringes Interesse. Und damit soll Österreich vorne bleiben? Dem Anspruch, ein mittelfristiges Rahmenprogramm zu sein, an das sich Regierung und Wirtschaft halten können, wird das lange diskutierte Konzept sicher nicht gerecht.

Sein größter Mangel: Die Politik wird nicht berechenbarer, Minister Zufall wird weiterregieren.

Was ist von einem Wirtschaftsprogramm zu halten, das auf die Energiefrage zur Antwort gibt, daß Österreich auf die Nutzung der Kernenergie nicht verzichten kann? Durch Volksentscheid muß es aber darauf verzichten.

Was ist von einem Wirtschaftsprogramm zu halten, das auf der Einführung der Anonymitätsabgabe auf Sparzinsen aufbaut, wenn dann bei Be schlußfassung klargestellt wird, daß sie nicht kommt?

Und was schließlich ist von einem Wirtschaftsprogramm zu halten, das zwar viele Milliarden Schilling an Investitionen vorsieht, aber auf die Frage der Finanzierung keine Antwort gibt?

Die SPÖ hat einfach das scheinbare Erfolgsrezept der sechziger und siebziger Jahre fortgeschrieben: im Glauben an den Segen des Wachstums und seiner Machbarkeit. Die Ungewißheit der Zukunft wird mit Erfolgen der Vergangenheit zu beschwören versucht.

Paul Blau, ehemaliger Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung“, glaubt auch zu wissen, warum alles beim alten bleibt: Weil die Programmautoren „in ihrer Mehrzahl als führende Funktionäre zugleich Verwalter des Bestehen den waren und sind. Sie haben es daher besonders schwer, noch vor Eintritt von Katastrophen einzusehen, daß die bisherigen Erfolgsrezepte versagen“.

Und so bleibt auch die SPÖ so, wie sie ist: zum Wundern und bewundert für ihr Erfolgsrezept, das Lydia Schmit, die Vorsitzende der sozialistischen Fraueninternationale aus Luxemburg, so charakterisierte: „Die SPÖ ist jene Partei, die nach außen hin den Anschein hat, in der Mitte zu stehen, und im entscheidenden Augenblick nach links geht.“

Die SPÖ-Parteitagsdelegierten bedankten sich mit Beifall für dieses Kompliment aus dem Ausland - und für den Anschein, ein Erfolgsrezept zu haben.

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