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Digital In Arbeit

Alles für sichere Arbeitsplätze

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Versuche zur Sicherung der Arbeitsplätze können in einer Zeit der dynamischen Entwicklung, wie wir sie alle in Österreich als Folge des internationalen Trends kennen, nicht bedeuten, die Arbeitsplätze unbedingt im selben Betrieb zu erhalten, sondern die Bemühungen gehen, der Wirtschaftsentwicklung entsprechend, dahin, Arbeitsplätze nach Möglichkeit im Wohnraum und im näheren Lebensbereich der betroffenen Werktätigen zu finden. Mag ein derartiger Versuch vor Jahrzehnten, ja vielleicht sogar noch vor Jahren als ein utopisches Unterfangen, dessen reale Basis nicht gegeben schien, gesehen worden sein, so trifft das für die Gegenwart nicht zu. Das soll hier auch eindeutig festgestellt sein; es kann weder eine österreichische noch weniger eine steirische Wirtschaftsentwicklung abstrakt von der Weltentwicklung gesehen werden, denn jede wirtschaftliche Äußerung, wo immer sie auch auftritt, muß- im globalen Zusammenhang gesehen werden, zumindest im Zusammenhang mit der Entwicklung in Europa. Die Praxis der Arbeitsplatzsicherung auch in der Steiermark wird dies augenfällig bestätigen.

Die Methode moderner, nicht modernistischer Arbeitsbeschaffung oder Arbeitsplatzsicherung oder aber mit anderen Worten ausgedrückt, der Ankurbelung weiterer Wirtschaftsentwicklung unterscheidet sich heute wesentlich von den Versuchen früherer Jahre.

Obwohl die Wörter „Raumplanung“ und „Raumordnung“ durchaus nicht Geburten unserer Zeit sind, geht man leider doch erst haute daran, Wirtschaftsstrukturen oder Wirtschaftsänderungen nach Plan im Interesse einer zukunftsorientierten Ordnung herbeizuführen, wobei diese Planungen nicht mehr nur vom rein Betriebstechnischen gesehen werden, sondern ihre sozioökologi-schen Voraussetzungen oder Folgen studiert werden. Daneben wird auch versucht, die vertikalen Interessen, also die Interessen von Körperschaften, Gemeinden und Regionen aufeinander abzustimmen. Daraus ergibt sich ganz automatisch, daß der Schwerpunkt in der Wirtschaftspolitik nicht mehr die Vertretung von Einzelinteressen sein kann, sondern daß die Gesamtentwicklung eines geschlossenen Wirtschaftsraumes darunter zu verstehen ist. Das bedingt eine neue Budgetpolitik, die eine langfristige Finanzplanung zur Voraussetzung hat. Das heißt, man hat sich im wirtschaftlichen Denken soweit zu einer neuen Wertigkeitsskala durchgerungen, daß nun eine echte Zusammenarbeit zwischen den Wirtschaftsgruppen, den Geldinstituten, der öffentlichen Hand und auch den Gewerkschaften möglich ist. Nur wenn diese wirklich gelingt, wird es auch möglich sein, vorhandene Strukturmängel auszugleichen. Die neuen Entscheidungen entsprechen also nicht nur betriebswirtschaftlichen Gesetzen, sondern haben vor allem auch auf die Entwicklung der Arbeitsplätze Rücksicht zu nehmen.

Durch Verifizierung dieser neuen Überlegung hofft man besonders in der Steiermark neuralgische Punkte, wie beispielsweise die obersteirische Schwerindustrie einschließlich des Erzberges, oder die durch die Einstellung von Kohlenbergwerken in Fohnsdorf und der Weststeiermark entstandenen neuen Situationen wegzubringen. Selbstverständlich kann das alles nicht die Wirtschaft allein leisten. Das haben die beiden großen politischen Parteien in der Steiermark erkannt und jede für sich ein Wirtschaftsprogrammi entwickelt, das sich letzten Endes in einem gemeinsamen Ziel findet. Und dieses Ziel ist nicht nur die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der steirischen Wirtschaft im Hinblick auf den neuen europäischen Großwirtschaftsraum, sondern auch die selbstverständliche Zielsetzung, die Arbeitsplätze zu erhalten, wobei nicht nur an eine Anstrengung auf Seiten des Bundes, des Landes und der Wirtschaft gedacht ist, sondern auch von Seiten der Arbeitnehmer selbst. Das heißt, man will sie zu größerer Mobilität bringen. Fest steht, daß es nicht unbedingt gelingen kann, Arbeiter und Angestellte unter allen Umständen auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz zu belassen, denn moderne Arbeitsmarktpolitik beschränkt sich eben nicht darauf, vorhandene Arbeitsplätze zu sichern, sie hat ebenso neue zu schaffen und die Möglichkeit zur beruflichen Fort- und Weiterbildung zu geben. Sicherung des Arbeitsplatzes bedeutet nicht unbedingt Sicherung ein und .desselben Arbeitsplatzes, sondern Sicherung, der Arbeit. Und es steht gerade für die Steiermark außer Zweifel, daß sich hier viele Änderungen ergeben müssen. Die Steiermark will auch, wie jedes Bundesland in Österreich, zu einem Fremdenverkehrszentrum werden. Das verlangt Mobilität nach vielen Richtungen.

Das alles findet nicht nur im Konzentrationsprozeß der steirischen Schwerindustrie seinen Niederschlag, sondern auch im steirischen Modell der Zusammenarbeit, das besonders die Aichfeld-Murboden-Region in der Obersteiermark als Schwerpunkt erfaßt. Das steirische Modell ist charakterisiert durch enge Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesregierung einerseits und den Gemeinden anderseits, die ihre Wünsche mit jenen der höheren Ebenen koordinieren. Der Aichfeld-Murboden-Raum beherbergt rund 65.000 Menschen; er ist gekennzeichnet durch wachsende Strukturschwierigkeiten und, in deren Folge, durch Abwanderungstendenzen. Nun ist es gelungen, durch günstige Investitionskredit-gebung, im Zusammenhang mit einer kurzen Planungsphase, Entwicklungsmaßnahmen einzuleiten. So gibt der Bund für diesen Raum 1,8 Milliarden Schilling Investitionshilfe und das Land Steiermark 200 Millionen. Mit diesen Geldern sollen 750 Wohnungen in den nächsten fünf Jahren errichtet werden. Dann will man im Interesse der Mobilität der Bevölkerung Schulen errichten, ein Ausbildungszentrum für Elektro-berufe und Lehrwerkstätten für Metallberufe, ein Berufsblldungs-zentrum für Erwachsene. Schnellstraßen von diesem Gebiet zur Landeshauptstadt sollen forciert werden. Im Aufbau befindet sich ein neues Siemens-Zentrum, an dem die ÖIAG mit 43 Prozent beteiligt ist. In seinem Mittelpunkt steht ein Ausbildungszentrum für 200 Monteure und 100 in der Produktion stehende Arbeitskräfte, sowie für 150 Lehrlinge. Des weiteren errichtet die Firma Gebrüder Wehr eine Fabriksund Materiallagerhalle und einen Montageplatz für rund 50 Arbeitnehmer. Das alles soll später erweitert werden, so daß 100 bis 120 weitere Beschäftigte im Raum verbleiben können. Die Firma Wehr äst eine Kärntner Firma, die im Jahr rund 10.000 Festmeter Rundholz verschneidet. Schwerpunkt soll in Zukunft aber nicht die Säge sein, sondern es sollen, dem skandinavischen Beispiel folgend, Spezialsägewerk-maschinen produziert werden. Schließlich entstand dort das größte Hartkäsewerk Österreichs mit einem Projektaufwand von 60 Millionen Schilling. Auch dieser Ausbau bedeutet eine Sicherung , von 260 Arbeitsplätzen. Entscheidend aber ist die Gründung eines Fertigungsbetriebes in Spielberg bei Knittelfeld durch die Firma Bauknecht (mit dam Sitz in Rottenmann). Dieser Betrieb beschäftigt in der Auf bauphase bereits 600 Arbeitskräfte, davon die Hälfte Frauen. Erzeugt sollen alle Elektromotoren werden. Daneben bestehen noch die großen Werke in Judenburg und Zeltweg, die durch großzügige Investitionen den Anteil am Export nicht nur halten, sondern sogar verbessern wollen und selbstverständlich auch ihre Arbeitskräfte dadurch erhalten.

Die Chancen günstiger Arbeitsplätze sind so groß geworden, daß sich Austria Email und kleinere Mittelbetriebe schon Sorgen um die qualifizierten Arbeitskräfte machen müssen. Dazu kommt, daß sich Philips in Treibach/Althofen vor allem weibliche Arbeitskräfte aus dem Raum Neumarkt/St. Lamprecht holt. Bauknecht holt sich seine Arbeitskräfte mit Autobussen aus dem Raum Murau, so daß heute auch schon Murau um die Erhaltung der Arbeitskräfte besorgt ist. Projektiert ist ein Finalbetrieb von Puch-Junior-Alpine in Aichfeld.

Das Planungsprojekt Aichfeld-Murboden ist ein klassischer Beweis dafür, daß eine moderne Raumordnungspolitik bisher schwer überwindbare Probleme in verhältnismäßig kurzer Zeit lösen kann. Allerdings nur, wenn jeder Verantwortliche seine engumgrenzten Interessen denen der Gesamtheit hintanstellt. Was für das Modell Aichfeld-Murboden gilt, soll beispielgebend auch für andere Bereiche der Steiermark sein. Was für den Fohnsdorfer Raum zutrifft, gilt im wesentlichen auch für das Kohlenrevier der WestSteiermark, wo es ebenfalls gelang, neue Betriebe anzusiedeln, so bei Deutschlandsberg die Schuhfabrik POLO, die Eldra M.-AG sowie die Firma Siemens. Ebenso gelang es, neue Betriebe in den Gemeinden Stainz, Eibiswald, Groß-St. Florian und Wies zu errichten. Damit wurde die Wirtschaftsstruktur in diesem Raum verbessert, was um so notwendiger war, als inzwischen die SOLO-Zündholzfabrik ihre Tore schloß. So ist es erfreulich, daß die Firma Siemens ihren Stand von 700 Beschäftigten auf rund 1500 erhöhen will. Die Junior-Werke in Köflach, die fast ausschließlich exportieren, konnten rund 100 Arbeitskräfte an sich binden. In Voitsberg konnte die westdeutsche Firma Holz-Her für die Erzeugung von Holzverarbeitungsmaschinen zweihundert Arbeitskräfte einstellen.

Aber auch am Stadtrand von Graz-Süd errichtete (1971) Anker-Datentechnik einen neuen 70-Mil-lionen-Betrieb mit 1000 Arbeitsplätzen, der gar nicht besser als in dieser Hochschulstadt liegen könnte.

Diese Bemühungen werden in Zukunft auch weitere Landschaften der Steiermark einbeziehen, so daß als sicher angenommen werden kann, daß (trotz vieler Unkenrufe) die Steiermark im Zuge der internationalen positiven Wirtschaftsentwicklung nicht von Arbeitslosigkeit betroffen werden wird, sondern daß hier, im Gegenteil, alle Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen beschäftigt sein werden.

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