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Alles ist Innovation

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Innovationspolitik ist mehr als die Förderung von Hochtechnologie. Sie ist eine Frage des Klimas, aber auch der Gewerbeordnung und der Bereitschaft zum Einsatz von Risikokapital.

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Innovationspolitik ist mehr als die Förderung von Hochtechnologie. Sie ist eine Frage des Klimas, aber auch der Gewerbeordnung und der Bereitschaft zum Einsatz von Risikokapital.

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Als man über Innovationspolitik zu reden anfing, verstand man darunter automatisch irgendetwas Neues, Hochtechnologisches. Das ist bereits das erste Mißverständnis. Innovativ ist alles, was sich gewinnbringend verkaufen läßt. Wenn man auf Innovationspolitik umsteigt, sollte man also stärker marktorientiert das, was man kann, an Menschen und Märkte heranzubringen.

Wir haben ein noch immer ungewöhnlich hohes allgemeines Bildungsniveau, einen sehr hohen Standard von Facharbeitern und sozialen Frieden. Auf dieser Kombination müßten sich Modernisierungsstrategien aufbauen lassen; daß dies nicht möglich ist.liegtanetabliertenStrukturen, die Innovationen mit geradezu in famer Genialität verhindern. Wenn es einem österreichischen Klein-Pharmakonzern endlich gelingt, einen wirklich guten wissenschaftlichen Produktionsleiter aus Deutschland zu engagieren, so schafft es der Betriebsrat spielend, daß dieser keine Arbeitsgenehmigung bekommt. Beispiele wie dieses lassen sich viele nennen.

Es geht in der Innovationspolitik also auch darum, den Leuten eine andere Einstellung zu Technik und zu Markt einzuimpfen. Wenn man den Grundoptimismus zur Technik nicht hat, verliert man wahrscheinlich den Anschluß an das Zeitalter, das sich jetzt anbahnt. Das sieht man auch, wenn man die neuen Industrieländer in Fernost — Japan, Korea — besucht, dort herrscht ein geradezu ungeheurer Technik-Optimismus.

Nun zu den größten Innovationshindernissen bei uns:

Je mehr Produkte ich jenseits oder am Rand der Sättigungsphase habe, umso geringer werden die Erträge. Wir haben eindeutige Betriebsanalysen, wonach mit Produkten unter fünf Jahren die größten Gewinne gemacht werden, während man mit den „Langrennern” herrliche Marken hat, aber nicht viel verdienen kann.

Mit der rascheren Entwicklung der Technologie wird die Lebensdauer des einzelnen Produktes immer kürzer.

Früher war die Anmeldung eines Patents ein Segen. Heute warten ganze Heere von Technikern darauf, daß einer etwas anmeldet, um es dann im Wege der „kreativen Blaupause” für sich selbst zu verwenden. Wir konstatieren daher bereits teilweise einen Trend zum Nicht-Anmelden.

Wir haben in Wien im Internationalen Patentdokumentationszentrum sämtliche Patente der Welt im Computer gespeichert. Die Japaner haben in jeder Provinzstadt ein Terminal stehen, und fragen gezielt nach. In Österreich gibt es drei Firmen, die an dem Netz hängen.

Der dritte Fehler ist, daß hierzulande die Dauer zwischen Produktidee und Produktverwirklichung viel zu lange ist. Empirische Befunde von österreichischen Unternehmen zeigen, daß es siebzehn Schichten gibt, die darüber nachdenken wie sie einem Innovator das Leben sauer machen können.

Die Konsequenz: Wirkliche Innovation kann heute in großen Betrieben nicht gemacht werden. Noch etwas: Der Skill-Träger.der weiß, wie man etwas macht, geht hinaus und fragt den Kunden: „Welches Bedürfnis hast Du?” Im Metallwerk Plansee kommen sechzig Prozent aller Innovationen auf diese Weise zustande. Dies gilt auch in den USA und Japan. Das Wesentliche ist der Kundenkontakt.

Noch zwei Punkte: Die Lust am Neuen, ein innovatives Klima muß in einem Staat vorhanden sein. Dazu gehört die Akzeptanz von Flops. Die Floprate ist gerade bei Innovationen oft erschütternd hoch.

Nun zur Wirtschaftspolitik: Wie groß oder wie klein müssen nun Unternehmen sein, um innovativ sein zu können? Der Anteil der Klein- und Mittelbetriebe ist in anderen europäischen Ländern faktisch gleich groß wie in Österreich. Für die kleinen ist die kooperative Forschung auf der einen Seite und der Kontakt zu den Hochschulen wichtig. In Österreich funktioniert das nur bei den Großen, die Kleinen haben eine zu große Schwellenangst.

In der Kooperation Wirtschaft Wissenschaft haben wir ungeheure Sprachprobleme, Organisationsprobleme, Willensprobleme, wir haben aber auch die Gewerbeordnung. Wir leben in einem Land, wo man Mechaniker werden kann, wenn man die Lehre und die Meisterprüfung gemacht hat. Wenn Sie aber das Pech haben, Hochschulprofessor zu sein und Patente zu haben, aber nicht nur das verwirklichen zu wollen, was Patentgegenstand ist, können Sie keinen Gewerbebetrieb anfangen. Dann können Sie nur industriell und in großem Rahmen beginnen. Ich halte es daher für eine wesentliche gesetzestechnische Innovation im Rahmen der neuen Gewerbeordnung, daß jeder ein technisches Gewerbe — Produktion oder Dienstleistung — beginnen kann, wo die Vermutung-besteht, daß später eine industriemäßige Fertigung daraus entstehen kann.

Neue Unternehmerschichten sind sicher ein wesentlicher Gesichtspunkt in jeder Innovationsstrategie.

In diesem Zusammenhang gibt es das Schlagwort der Gründerzentren: Man nehme eine alte ausgepowerte Fabrik, setze eine Sekretärin und einen Manager hinein, teile dem einen Computer zu, stelle ein paar Drehbänke hinein und lasse einige Unternehmerlehrlinge dort auf zwei oder drei Jahre basteln. Daraus entwickeln sich vielleicht ein Drittel gut wachsender Unternehmen, ein Drittel geht gleich ein, weil es ein Flop ist, und ein Drittel stirbt nach ein paar Jahren. Diese Brutstätten von Unternehmen werden in der westlichen freien Welt stark gefördert.

Das wichtigste Instrument ist aber wie schon erwähnt, Venture Capital. Jemand der das Wagnis einen neuen Markt zu erobern eingeht, braucht dazu Eigenkapital, für das er keine Zinsen zahlen muß. Das in einem Land einzuführen, wo subventioniertes und versichertes Sparen Inbegriff der bürgerlichen Tugend ist, ist gar nicht so leicht, aber wir arbeiten auch daran. Wir werden in Kürze in Österreich den ersten wirklichen Fonds für Risikokapital haben.

Innovationspolitik benötigt also eine Fülle von verhaltensmäßigen und auch organisatorischen Änderungen. Im Augenblick ist aber in Österreich die Sensibilität dazu in den einschlägigen Kreisen sehr hoch geworden. Mein Wunsch wäre, daß so schnell wir im Jahr Eins nach Hainburg Umweltprogramme beschließen konnten, wir auch von den Verantwortlichen für Innovationspolitik Entscheidungen präsentiert bekommen.

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