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Alles mißlungen? Gedanken zum Osterfest"

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Ostern ist das Siegesfest des ewigen Lebens — damit ist sein unsagbar geheimnisvoller Charakter bezeichnet. Mit dem Geheimnis des Osterfestes verglichen, erscheint das Weihnachtsgeheimnis noch fast offenkundig: die Gottesmutter und der heilige Josef umgeben das Kindlein in der Krippe, der Stern verkündet es, Hirten und Weise eilen herbei, selbst der Königshof zu Jerusalem wird beunruhigt.

Das Geheimnis des Ostermor-gens vollzieht sich ohne menschliche Zeugen - nur den Auferstandenen, nicht den Auferstehenden erblicken die frommen Frauen und die Jünger. Das Geheimnis der Weihnacht ist verborgen unter irdischer Armut und irdischer Nacht—das Geheimnis des Oster-morgens verhüllt, tiefer als Nacht und Armut, die Herrlichkeit des absoluten Lichts.

Nur in der Sprache des Lichts kann die Auferstehung verkündet werden — das weiß nicht nur die Kirche, sondern auch die große christliche Kunst des Abendlandes. Nur selten hat sie gewagt, den Ostermorgen zu verkünden — ganz vermocht mit jener zwingenden Schau ihrer Krippen- und Kreuzesbilder hat sie es niemals. Rembrandt ahnte das Geheimnis nur, wie es vielleicht die betäubten Wächter ahnten, darum setzte er Licht gegen Finsternis. Matthias Grünewald begriff nur das Versagen der irdischen Farbenskala, darum rief er die des Regenbogens als Symbol der himmlischen an. Wirklich verkündigt hat den Ostermorgen in der Kunst vielleicht nur Fra Angelico, der einzige, der als Künstler die visio beata besaß. Denn das Osterlicht ist ja der Morgenglanz nicht dieser, sondern einer neuen Erde — dies meint die Kirche, wenn sie Karsamstag nachts mit der ersten Prophetie auf den Schöpfungsmorgen zurückweist. Ostern ist das göttliche „Es werde Licht!" zu einer verklärten Welt. Darin liegt sein einzigartiges Sursum corda; kein anderes Fest fordert so gebieterisch die Überschreitung der irdischen Grenzen als dieses, doch von aller Lieblichkeit des erwachenden Frühlings umblühte - die verjüngte Erde ist nur demütiges Gleichnis.

Im christlichen Osterglauben geht es nicht um die unendliche Erneuerung des natürlichen und darum immer wieder sterblichen Lebens - nicht die Natur, sondern Taufe und Beichte sind die eigentlichen christlichen Symbole der österlichen Erneuerung: der Auferstandene, den die Jünger erblickten, es ist der, der zum Himmelauffährt; das Alleluja, das die Kirche anstimmt, stellt in seiner schier endlosen Wiederholung nicht den Jubel dieser Zeit, sondern den jenseitigen der Ewigkeit dar.

Und doch ist mit dieser Jenseitigkeit noch nicht der tiefste Geheimnischarakter des Ostermor-gens ausgeschöpft: er liegt darinnen, daß dieses die Ewigkeit bedeutende Alleluja schon auf Erden gesungen wird. Der Auferstandene, der zum Himmel fährt, ist seinen Jüngern erschienen. Er, der Verklärte, hat sie aus der Nacht von Golgatha gerissen. Der Verklärte hat zu ihnen gesprochen: „Lehret alle Völker" - der Verklärte ist es, der in seiner Kirche fortlebt. Das besagt nicht nur, daß die Berufung der Kirche aus der Verklärung des Jenseitigen stammt, es besagt auch, daß ihr Schicksal im Grunde immer und schon hier ein jenseitiges bleibt, daß sie in dieser Welt, aber nicht aus dieser Welt ist.

Von hier aus erklärt sich vieles Schmerzliche, das sonst unerklärlich bliebe. Es erklärt sich, daß die Kirche in ihrer eigentlichen Absicht und Herrlichkeit nur so selten von dieser Welt verstanden wird. Die Athener, die St. Paulus bei der Verkündigung der Auferstehung verlachten, stehen hier für alle Zeiten. In ihrer Ablehnung kommt keineswegs zuerst der Zweifel an der Auferstehung zum Ausdruck, sondern es kommt zum Ausdruck der ungeheure Diesseitswille des natürlichen Menschen. Nicht die so oft als bloße Macht empfundene äußere Erscheinung der Kirche ruft den tiefsten und eigentlichen Widerspruch hervor - gerade diese Seite ist ja den Gegnern des Christentums im Grunde Trost und Zuflucht, weil es die Sphäre ist, wo sie sich noch, wenn auch kämpfend, mit ihr zu begegnen vermögen. Der eigentliche Widerspruch hängt an dem überweltlichen und überzeitlichen Charakter des Christentums.

Dieser Widerspruch der Gegner aber hat seine schmerzliche Analogie in der Enttäuschung und Mutlosigkeit vieler frommer Christen bei äußeren Mißerfolgen des Christentums. Von ihnen redet der christliche Geschichtsphilosoph Berdjajew. In der großen geistigen Schau seines Buches „Der Sinn der Geschichte" ist der erschütterndste Augenblick der, wo die Einsicht durchbricht, daß in der Geschichte im Grunde „alles mißlungen" sei, auch die herrlichsten Hoffnungen des Christentums, soweit sie die Verwirklichung seiner Ziele schon auf Erden angehen. Berdjajew sagt von diesen Hoffnungen: „Sie könnten nur verwirklicht werden durch den Sieg über die Zeit, den Ubergang zur Ewigkeit" - mit anderen Worten: Sie werden es erst in der Verklärung des ewigen Osterta-ges.

Im Blick auf ihn bedeutet alles Mißlingen, ja der Triumph der widerchristlichen und heidnischen Mächte im Grunde nur den Triumph Christi, nämlich seines Leidens und seines Todes - aber zunichte wird in diesem Triumph immer nur die triumphierende Welt; dem Christentum selbst setzt sie die Krone auf, sein Tod ist „verschlungen in den Sieg". Was vom Menschen aus gesehen Kreuz und Grab heißt, heißt von Gott aus schon Verklärung und ewiges Leben. So wird das höchste Jubellied möglich, das je auf Erden erklungen ist, das Exsultet und das Alleluja des Osterfestes -diese beiden, von denen man gesagt hat: sie sind keine Lieder mehr, sondern gesungenes Licht der Ewigkeit.

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