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Als inhaltlich haltlos und in seiner Wirkung sinnlos klassifizieren hohe UNESCO-Beam-te, denen der Schutz des Weltkulturerbes anvertraut ist, den Vorschlag des Chefs der österreichischen Fremdenverkehrswerbung, Helmut Zolles. Dieser erklärte nämlich, Österreich möge im Sinne einer besseren Imagepflege und somit zur Hebung des Fremdenverkehrs anläßlich der Weltausstellung in Mexiko den im Wiener Völkerkundemuseum befindlichen „Kopfschmuck des Montezuma, der hier nur ein Sammelstück unter vielen ist“, zurückerstatten.

Nun handelt es sich bei dem aus vierhundert leuchtendgrünen Schwanzfedern des Quetzal-Vogels gearbeiteten und von goldbestickten Bändern zusammengehaltenen Kopfschmuck keineswegs um die Federkrone des letzten Aztekenkaisers Montezuma II. Solche Zierfedern haben, wie aus Forschungsergebnissen längst bekannt ist, die aztekischen Priester getragen. Trotzdem stellt dieser Federschmuck ein ethnologisch überaus bedeutsames Zeugnis eines untergegangenen Volkes dar, das im Völkerkundemuseum hoch geschätzt, dementsprechend vorbildlich restauriert und durch eine Panzerglasscheibe sowie eine Alarmanlage geschützt, präsentiert wird.

Nach Europa kam das aus dem 16. Jahrhundert stammende Stück nach der 1519 erfolgten Eroberung Mexikos wie unzählige andere aztekische Schätze. Bald danach gelangte es in den Besitz der spanischen Habsburger und irgendwann nach 1580—ob als Geschenk oder durch Kauf ist unbekannt, auf keinen Fall aber widerrechtlich — in die Ambraser Sammlung Ferdinands II. von Tirol.

Während der Franzosenkriege wurde die „k. k. Amraser Sammlung“ in das Wiener Belvedere übersiedelt. Dort trug man den Federschmuck wissenschaftlich falsch als „Montezumas Federkrone“ in das Inventurverzeichnis ein, und unter diesem Titel zog er später in das neugegründete Museum für Völkerkunde in der Wiener Hofburg ein.

Irreführend ist übrigens auch der Hinweis unterhalb einer Ko-pie dieses Federschmuckes im Nationalmuseum für Anthropologie in Mexiko-City. Die Aufschrift besagt, Maximilian, der 1876 als Kaiser von Mexiko in Queretero erschossene Bruder Franz Josephs, hätte das Original in die Hauptstadt der Donaumonarchie entführt.

Daß mexikanische Politiker „die Federkrone Montezumas“ gerne wieder innerhalb ihrer Grenzen hätten, davon hat man bei der UNESCO und beim International Council of Museum (ICOM) zwar gehört; offiziell mit diesem Wunsch an sie herangetreten ist man allerdings nicht. Einen steten Zankapfel der internationalen Konferenzen bilden vielmehr die sogenannten Elgin Mar-bles des British Museum in London, jene beschrifteten Steinblök-ke und Figuren von der Akropolis in Athen, die Lord Thomas Elgin mit Bewilligung der Hohen Pforte - Athen gehörte ja zu jener Zeit zum Osmanenreich - zum Preis von 74.000 Pfund erworben und zwischen 1803 und 1812, in zweihundert Kisten verpackt, auf die britische Insel transportiert hat.

Mit der Begründung, Lord Elgin habe diese Architekturteile und Schmuckfriese gekauft und nicht gestohlen, blieb Margaret Thatcher eisern und verweigerte der vom Filmstar zur griechischen Kulturministerin avancierten Melina Mercouri die Herausgabe. Überdies sind nach der Definition des ICOM sowohl das mit viel Emotion zurückgeforderte Parthenonfries als auch die überlebensgroße Korenstatue vom Erechtheion im British Museum besser aufgehoben als auf der Akropolis. Wird doch das Londoner Museum der Aufgabe, altes Kulturgut zu bewahren, zu erforschen und zu präsentieren, weit mehr gerecht, als dies auf dem alten Tempelberg der Hellenen realisierbar wäre.

Dort sind infolge der Luftverschmutzung — in erster Linie durch die Abgase der genau über den antiken Ruinen kurvenden Flugzeuge — die in den letzten dreißig Jahren entstandenen Schäden empfindlich größer als die Folgen des Verfalls, die in einem Zeitraum von dreihundert Jahren zu verzeichnen waren.

Österreich hat sich nach Meinung der Direktoren der Bundesmuseen bei der Rückgabe von Exponaten bis in die jüngste Vergangenheit geradezu willfährig verhalten. Und das, obwohl der Fremdenverkehr zumal in Wien in hohem Maß den Kulturschätzen der Stadt zu verdanken ist. So geben 39 Prozent aller Gäste aus der BRD, 70 Prozent jener aus Großbritannien und 79 Prozent der aus Frankreich an, sie wären Kulturtouristen.

Der erste, der ein Zeugnis der Geschichte verschenkte, war 1920 der sozialistische Staatskanzler Karl Renner. Er gab Stockholm als Dank für die Schwedenhilfe den in der Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums aufbewahrten Leder kodier Gustav Adolfs, den die kaiserlichen Truppen dem 1632 bei Lützen gefallenen Schwedenkönig als Beutestück abgenommen hatten.

Unter Druck trat hingegen die Erste Republik, die sich zum Erben der habsburgischen Sammlungen ernannt hatte, im Jahr 1921 neben zahlreichen anderen Objekten auch eine der wertvollsten Gemmen an Italien ab. Es ist die Darstellung des Kopfes der Athe-na Parthenos des Phidias. Dabei war diese Gemme niemals, wie behauptet wurde, Eigentum des Großherzogs von Toskana, sondern stammt aus der 1724 aufgelösten Privatsammlung des Kardinals Ottoboni und landete etwas später als Präsent des Kardinals Albani bei Kaiser Karl VI. In den Jahren 1942 und 1944 wurde von der Direktion der Antikensammlung der Versuch unternommen, die berühmte Gemme wieder nach Wien zu bekommen, vergebens. Nichtsdestoweniger gelang es noch keinem Besucher des Mu-seo Nazionale delle Terme in Rom, das Original zu sehen. Es dämmert nämlich seit mehr als sechzig Jahren in einem der Depots dahin.

Die Befriedigung neu aufbrechender Nationalismen ist für die Kulturgeschichte jedenfalls weniger wichtig als die sichere Aufbewahrung bedeutender Kunstschätze in den großen Museen.

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