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Als Antwort Ratlosigkeit

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Verliert Europa das nach dem Ende des Kalten Kriegs aufgeflackerte Si-cherheitsgefühl wieder so rasch wie es sich eingestellt hat? Auf dem Balkan tobt ein heißer Krieg, der sich an keinerlei Regeln hält. In mehreren Nachfolgestaaten der Sowjetunion -allesamt KSZE-Mitglieder - herrscht eine Bürgerkriegssituation. Die Türkei droht Armenien offen mit Krieg, sollte das an sich christliche Land weiter dem bösen, aber offensichtlich erfolgreichen Beispiel Serbiens folgen und seinen Feldzug gegen Aserbeidschan auch auf Nachitschewan ausdehnen.

Was in Europa gegenwärtig funktioniert, ist - verkürzt und drastisch formuliert - zweierlei: eine Politik mit militärischen Mitteln im Osten und eine (sicherheitspolitisch und menschenrechtlich bedenkliche) Eindämmungshaltung im Westen. Was Wunder, wenn die zentraleuropäischen exkommunistischen Staaten Polen, Ungarn, Tschechische Republik und das neu entstandene Slowenien eine gewisse Torschlußpanik erfaßt.

Eine gigantische Herausforderung für den stabilen Westen, die dieser zwar erkennt, aber nur - sieht man von Einzelinitiativen wie beispielsweise seitens Deutschlands ab - zögerlich angeht. Die NATO will keine Sicherheitsgarantien abgeben. Das Diskussionsforum KSZE ist mehr oder weniger zusammengebrochen, von einem Europäischen Sicherheitsrat mit Früherkennungs-system und Konfliktverhütungsmaßnahmen sind wir weiter enfernt denn je.

An Ideen zur Neugestaltung Europas mangelt es jedoch nicht. Jede Menge „europäischer Foren” entwirft Zukunftsvisionen; sie erweisen sich allerdings als Seifenblasen angesichts der fehlenden Identität Europas. Auf dem „Forum Alpbach” wurde jüngst darüber diskutiert, wie weit Europa eigentlich reiche.

Das weiteste Europa ist jenes, das im Helsinki-Prozeß (KSZE) „vereint” ist. Was läge also näher, als in einer großen Anstrengung einmal ein „Forum für Europa” zu bauen, sprich: dem KSZE-Prozeß neues Leben einzuhauchen, wo die einen Solidarität üben, die anderen demokratische Spielregeln lernen, alle miteinander ihre Vorstellungen von der Zukunft der Alten Welt einbringen können? Jacques Delors hat vor wenigen Tagen eine neue Initiative für Europa gefordert. Die Gefahr, daß die Gelegenheiten zu einer Neuschöpfung verpaßt werden, sehen viele. Die Antwort auf aktuelle Herausforderungen in Europa darf nicht jene sein, die sozialdemokratische Parteiführer bei einer Klausur in Portugal am vergangenen Sonntag gaben: es gebe „noch keine Antwort” darauf.

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