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Als der Caudillo dem Führer Paroli bot

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Jetzt ist es offiziell, was bisher nur einer Minderheit von „Insidern" bekannt war: Generalissimus Franco - der doch von vielen als Faschist angesehen wurde und wird - rettete Zehntausende von Juden vor der NS-Verfolgung.

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Jetzt ist es offiziell, was bisher nur einer Minderheit von „Insidern" bekannt war: Generalissimus Franco - der doch von vielen als Faschist angesehen wurde und wird - rettete Zehntausende von Juden vor der NS-Verfolgung.

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Francisco Brahamonde Franco hatte als Generalstabschef der spanischen Armee im Jahre 1936 gegen die sozialistische Regierung seines Landes geputscht und konnte - dank großer italienischer und deutscher Hilfe -den Bürgerkrieg! der sich aus dem Putsch entwickelte, 1939 siegreich für die Armee beenden. Kurz nach dem Sieg der deutschen Armee im Frühjahr .1940 über die belgischen, niederländischen und vor allem französischen Streitkräfte, trafen sich der „Führer" und der siegreiche spanische Franco, der jetzt den Titel „Caudillo" führte, zu einem Gespräch an der französisch-spanischen Grenze in Hendaye im Salonwagen, welche Art von Treffen der „Führer" in dieser Art bereits öfter mit Mussolini am Brenner praktiziert hatte.

Bei diesem Treffen wollte Hitler unbedingt, daß Spanien an der Seite Deutschlands in den Krieg eintrete. Er versprach Franco goldene Berge für den Fall, daß der „Caudillo" diesen Vorschlag annehmen würde: vor allem sollte Gibraltar - das ja seit 1704 britischer Besitz ist - mit großer deutscher Unterstützung wieder an Spanien fallen.

Mit der Besitznahme von Gibraltar durch Spanien hätte Hitler natürlich das Mittelmeer hermetisch absperren können. Die britischen Garnisonen auf Malta, auf Zypern, am Suezkanal und weitergehend auch die britischen Streitkräfte in Indien wären von einer Zufuhr abgeschnitten oder Transporte nach Indien durch die Umfahrung von Afrika sehr erschwert gewesen.

Aber Franco, dem doch Hitler während des Bürgerkrieges bedeutende Hilfe geleistet hatte, verhielt sich gegenüber allen Verlockungen Hitlers negativ: er sagte beharrlich „Nein" zu allen Vorschlägen Hitlers. Verstimmt fuhr' Hitler nach Hause zurück. Lieber ginge er für 24 Stunden zum Zahnarzt als sich noch einmal mit diesem Franco zu treffen, sagte er verstimmt zu seiner Umgebung.

Als knapp vor Ausbruch des deutsch-russischen Krieges im Jahre 1941 Hitler noch rasch vorher fast den ganzen Balkan besetzen konnte, scheint Franco geahnt zu haben, was den zahlreich am Balkan wohnenden Juden bevorstehe, wobei zu bedenken ist, daß dies Juden waren, die Nachkommen jener spanischen Juden darstellten, die 1492 aus Spanien vertrieben worden waren.

Aus welchen Gründen immer -vielleicht weil Franco diese Sephar-dim - wie diese Juden genannt wurden und werden - noch immer als Spanier ansah, vielleicht weil zu einem sehr kleinen Prozentsatz jüdisches Blut in seinen Adern rollte, vielleicht weil er doch christlicher dachte als man angesichts der Grausamkeiten des spanischen Bürgerkrieges anzunehmen bereit ist, vielleicht auch weil er es sich nicht ganz mit Großbritannien, das angesichts der Sperre des Mittelmeeres sehr verstimmt gewesen wäre - verderben wollte - jedenfalls seine Hilfe rettete Zehntausende von Juden vor der Verschickung in die KZs oder in die Gaskammern: Franco befahl allen auf dem Balkan befindlichen spanischen Konsulaten, die es dort in nicht geringer Anzahl gab, all jenen, die sich als „spanische" Juden oder als „Sephar-dim" meldeten, sogleich einen spanischen Paß auszustellen.

Nach staatlichen spanischen Angaben wurden 70.000 solcher Pässe ausgestellt, die nicht nur für die Antragsteller galten, sondern auch für die darin eingetragenen Familienangehörigen. Mehr als 100.000 sephardische Juden wurden auf diese Weise gerettet. Denn Juden, die spanische Pässe besaßen, tasteten die Schergen Hitlers nicht an.

Als vor relativ kurzer Zeit das offizielle Spanien jenes traurigen Tages gedachte, da die „reyes catolicos" -die katholischen Könige - das Gesetz unterzeichneten, auf Grund dessen alle Juden und Araber, die in Spanien seßhaft waren, sofern sie sich nicht taufen ließen, das Land zu verlassen hätten (was übrigens Spanien einen ungeheuren Kulturverlust bescherte), gedachte der Präsident Israels Chaim Herzog bei einer Gedenkstunde in der Madrider Synagoge dieser großen Hilfe für die am Balkan lebenden Juden. Womit das Wissen um diese Heldentat Francos endlich aller Welt bekannt ist.

An dieser Feier injder Madrider Synagoge nahm auch der spanische König teil. Dabei sagte er, es sei sein brennender Wunsch, daß niemals mehr Haß Menschen in ein Exil verjage. Es gehe darum, fuhr er fort, daß Spanien von nun an ein Ort der Begegnung für kommende Generationen von Juden und Spaniern werde. Mit dieser Feier, setzte er noch fort, sei die Versöhnung zwischen Juden und Spaniern besiegelt. Und der Monarch beendete seine Rede mit dem jüdischen Gruß „Schalom".

Der Erlaß Francos galt allerdings nur für die meisten Balkanstaaten, nicht für Nordafrika, wo ebenfalls viele sephardische Juden siedelten. Diese wurden durch das mit Hitler kollaborierende Vichy-Regime gnadenlos den Schergen Hitlers ausgeliefert.

Ähnlich wie Franco verhielten sich nur wenige Staatsoberhäupter Europas: vom dänischen König Christian X. ist bekannt, daß er den Nazis, als diese die dänischen Juden zwingen wollten, den gelben .Judenstern" zu tragen, den Okkupanten, die vor dem Westfeldzug Dänemark besetzt hatten, wissen ließ, daß er sich dann auch einen solchen Judenstern anheften und mit diesem durch Kopenhagen reiten werde.

Vom bulgarischen Zaren Boris III., den Hitler „den Fuchs" nannte, ist bekannt, daß er - trotz Anschluß an den Drei-Mächte-Pakt - keinen einzigen Juden an die NS-Schergen auslieferte und auch mit Sowjetrußland weiterhin diplomatische Beziehungen unterhielt. Auch Reichsverweser Nikolaus von Horthy schützte die Juden in Ungarn, solange das Pfeilkreuzlerregime nicht an die Macht kam.

Als Horthy abdanken mußte, versuchte der damalige päpstliche Nuntius in Ungarn, Erzbischof Angelo Rotta, durch Verteilung von päpstlichen Schutzbriefen an Juden diese zu schützen. Auch konnte er jüdische Waisenhäuser und Spitäler vor dem Zugriff der NS-Deutschen und den ungarischen Pfeilkreuzlern retten. Erst vor kurzem wurde im Gedenken an dieses Wirken des päpstlichen Vertreters für ihn eine Gedenktafel in Budapest enthüllt.

Aber alle diese Beispiele übertrifft Papst Pius XII., dem es gelang, während des Krieges - nach Angaben des österreichischen Historikers Friedrich Engel-Manosi - rund 850.000 Juden das Leben zu retten.

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