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„... als die alternative Kraft profilieren.. “

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FURCHE: Herr Landeshauptmannstellvertreter, vom letzten größeren Ereignis der österreichischen Innenpolitik, der Volksabstimmung über das Kernkraftwerk Zwenten-dorf, war Niederösterreich besonders betroffen. Was ist Ihre persönliche Meinung, was nun mit Zwentejndorf geschehen soll?

CZETTEL: Über die Verwendung des Gebäudes an sich werden sich zunächst die unmittelbar für die Errichtung des Baues Verantwortlichen den Kopf zerbrechen müssen. Da verstehe ich nichts davon, dazu kann ich auch nichts sagen. Und über die Frage, wie der Bau nach dieser

Nimmt den dritten Anlauf: Hans

Czettel Photo: Nö. Landesregierung

Volksentscheidung finanziert werden soll, da ja kein Ertrag aus dem Betrieb zu erwarten sei, wird sicherlich, was Niederösterreich anlangt, die NEW AG in irgendeiner Form an den Landesgesetzgeber und an die Landesregierung herantreten müssen, und zu diesem Zeitpunkt wird man das ganze Problem besprechen müssen.

FURCHE: Nächstes Jahr geht wieder eine Gesetzgebungsperiode des Landtages zu Ende. Sie werden wieder Spitzenkandidat ihrer Partei sein. Mit welchem Wahlziel gehen Sie in diese Wahl?

CZETTEL: Das erklärte Wahlziel wird - wie immer - sein, daß wir stärker in den Landtag einziehen wollen, um in den achtziger Jahren als konstruktive, politische Kraft des Landes mitzuarbeiten. Aber darüber hinaus besteht kein Zweifel darüber, daß sich die SPÖ dieses Mal stärker als sonst als die alternative Kraft zur ÖVP profilieren wird und daß wir gleichzeitig auch den Wählern empfehlen, mitzuhelfen, daß die bestehende ÖVP-Mehrheit gebrochen wird. Das wird über das konkrete Wahlziel hinaus das Kampfziel der Sozialistischen Partei für die nächste Zukunft sein.

FURCHE: Es ist also richtig, wenn man sagt, Sie wollen nicht nur ein schönes Wahlergebnis erzielen, sondern Sie wollen Landeshauptmann werden?

CZETTEL: Ob ich Landeshauptmann werden will oder nicht, steht nicht zur Diskussion. Eine Partei, die etwa 44 Prozent der Wählerstimmen

hat, die bei der Nationalratswahl die ÖVP eingeholt hat, die bei so einer wichtigen Entscheidung wie über Zwentendorf in einer unpopulären Frage gegen den erklärten Willen des Landeshauptmannes für ihre Meinung eine Mehrheit erreicht hat, hat nicht nur das moralische Recht, sondern die politische Pflicht, sich als Alternative zu stellen. Wenn ich Spitzenkandidat dieser Partei bin, dann stelle ich mich selbstverständlich auch als Alternative zum gegenwärtigen Landeshauptmann.

FURCHE: Würden Sie daraus Konsequenzen ziehen, wenn Sie es auch bei Ihrem dritten Anlauf nicht schaffen?

CZETTEL: Was heißt Konsequenzen? Ich habe in meinem 25jährigen politischen Leben viele Siege und manche Niederlagen persönlicher und politischer Art erlebt. Für mich gehört es zur Demokratie, daß man antritt, sich stellt, aufrichtig seinen Willen sagt und die Wähler entscheiden läßt. Von Konsequenzen, ganz gleich welcher Art, kann man erst nach einer solchen Entscheidung sprechen.

FURCHE: Mit welchem Programm gehen Sie in diese Wahl? Wo sehen Sie die wichtigsten Aufgaben für das Land Niederösterreich in den nächsten Jahren?

CZETTEL: Die Plattform für die Wahl haben wir schon gelegt - mit unseren grundsätzlichen Forderungen nach Arbeit, Freiheit und Sicherheit für alle Niederösterreicher. Wobei wir unter Arbeit vor edlem eine mutige Wirtschaftspolitik verstehen, die nicht nur Arbeitsplätze insgesamt sichert, sondern auch entscheidend dazu beiträgt, daß die Unterschiede der Lebensverhältnisse zwischen den einzelnen Regionen ausgeglichen werden und somit möglichst gleichwertige Lebensbedingungen für alle Niederösterreicher geschaffen werden. Unter Freiheit verstehen wir insbesondere eine starke Demokratisierung der Landespolitik und darüber hinaus auch der gesamten Gesellschaft. Und unter Sicherheit verstehen wir - über die übrigen Vorstellungen von Sicherheit hinausgehend - die soziale Sicherheit, die Geborgenheit der Menschen, nachbarschaftshilfliche Aktivitäten der gesamten Bevölkerung, also einen Geist der Solidarität.

FURCHE: Ein Hauptproblem der nächsten Jahre wird die Sicherung der Arbeitsplätze sein. Glauben Sie, daß das Land Niederösterreich aus eigenem viel mehr machen kann, oder muß da nicht vor allem der Bund unterstützend eingreifen?

CZETTEL: Die Frage kann ich so gar nicht akzeptieren. Der Bund leistet ja nachweisbar Erhebliches, vor allem an finanziellen Mitteln, um den Anschluß an die nächste Konjunktur zu gewinnen. Das Land muß mehr Mittel als bisher, mit mehr regionaler Differenzierung als bisher und mit mehr politischem Weitblick als bisher aus dem Budget in die Wirtschaft investieren. Das ist durch unsere bisherigen Initiativen, die wir in der Industrie- und Wirtschaftskonferenz erarbeitet haben, klar umrissen, was wir uns darunter vorstellen. Wie ich überhaupt glaube, daß die gesamte Landespolitik viel mehr als bisher den Schwerpunkt auf solche wirtschaftspolitische Aktivitäten lenken wird müssen.

FURCHE: Wie ist in Niederösterreich das Klima zwischen den politischen Parteien? Man gewinnt oft den Eindruck, es sei schlechter als etwa in der Steiermark oder in Oberösterreich ...

CZETTEL: Die Problematik des Klimas in Niederösterreich könnte man einfach so umschreiben: Es gibt harte Auseinandersetzungen - in der Regierung, im Landtag, die perma-

nent in diesen Gremien die politischen und gesellschaftspolitischen Profile der beiden Parteien bloßlegen. Daneben gibt es im persönlichen Verkehr der politischen Mandatare ein - wie ich glaube - allgemein korrektes menschliches Verhältnis. Also Gegnerschaft in Niederösterreich ist noch nicht in persönliche Feindschaft ausgeartet. Was aber den Hintergrund dieses Stils anlangt, soll man nicht unterschätzen, daß es - so glaube ich - kein Bundesland gibt, in dem das Obrigkeitsdenken der politischen Mehrheit oder ihrer Funktionäre und in dem die Vorstellung, daß Macht Herrschaft über Land und Leute bedeutet, so stark verwurzelt ist wie in Niederösterreich.

Mit Landeshauptmannstellvertreter Hans Czettel sprach Heiner Boberski

Niederösterreich ist das bedeutendste i Agrarland Österreichs geblieben und trotz einer starken Industrialisierung, die sich in weiten Teilen des ganzen Landes ausbreitet, erzeugen unsere Bauern mehr denn je, um den Tisch des Volkes decken zu können. Wenn heute in Österreich etwa 80% aller Nahrungsmittel im eigenen Land produziert werden, so hat Niederösterreich daran den entscheidenden Anteil. Nicht weniger als 80% des Qualitätsweizens, 73% des Zuckers, 60% der Kartoffeln, fast 30% des Rindfleisches und 35% des Schweinefleisches, 31% der Eier, 22% der Milch, 60% des Weines und 21% des Holzes stammen aus Niederösterreich.

Der hohe Stand der agrarischen Produktion ging natürlich nicht ohne Sorgen vor sich. Zunächst mußten unsere Bauern ihre Betriebe weitgehend modernisieren und mechanisieren, um die Abwanderung der Arbeitskräfte einigermaßen auszugleichen. Oft unter größten persönlichen Opfern hat der Bauer die notwendigen Maschinen für seinen Betrieb kaufen müssen, um seine Aufgaben erfüllen zu können.

Diese wirtschaftliche Entwicklung hat auf der anderen Seite einen gewaltigen Strukturwandel innerhalb der Landwirtschaft ausgelöst, der durch die enormen Kostensteigerungen bei den Betriebsmitteln noch verstärkt wurde. So ist die Zahl der Vollerwerbsbetriebe, deren Inhaber und Familienangehörige ihr Ein-

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