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Als Heumagazin

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Als „ein Gemisch von Venustempel und russischem Bad und Pferdestall respective Heumagazin“ bezeichnete der Thronfolger Franz Ferdinand die 1913 fertiggestellte Kirche zum Heiligen Geist in Wien-Ottakring. Joze Pleänik (1872-1957), der Architekt dieser Kirche, der ersten sakralen Stahlbetonkonstruktion überhaupt, war durch das Urteil des Thronfolgers nicht mehr zu beirren, zu gefestigt war schon sein Ruf in der künstlerischen Fachwelt.

Es war niemand Geringerer als Otto Wagner, der das Talent des slowenischen Tischlersohnes aus Laibach erkannte und förderte. Am Bau der Wiener Stadtbahn war Plecnik schon gleichberechtigt neben Wagner beteiligt.

Das Wien der Jahrhundertwende fand in Pleönik einen typischen Repräsentanten seiner Zeit: künstlerisch der Avantgarde (nicht aber hohlem Modernismus) verpflichtet — seit i901 ist er Mitglied der Secession —, ist er politisch ein treuer, ja fast fanatischer Parteigänger Karl Luegers, militant katholisch, antisemitischen Empfindungen nicht abgeneigt, trotzdem durchdrungen von einem religiös inspirierten Gefühl für soziale Gerechtigkeit, was auch in seiner Architektur zum Ausdruck kommt, entwirft und skizziert er doch die Dienstbotenräume in den Luxusvillen seiner Auftraggeber mit demselben Streben nach Schönheit, Licht und Zweckmäßigkeit wie die Repräsentationsräume.

Als weiteres Element des Fin de siecle findet sich in Ple&üks Gedankenwelt der Nationalismus; als Slowene fühlt er sich in Wien von Anfang an von offiziellen Stellen diskriminiert. Als er im Wettbewerb für die Gestaltung des Wiener Gutenbergdenkmals leer ausgeht, ist er überzeugt, daß ihn nur der Buchstabe „c“ in seinem Namen den Sieg gekostet habe.

Diese Annahme findet ihre Bestätigung im Jahre 1913, als er trotz dreimaligen einstimmigen Vorschlages des Professorenkollegiums der Wiener Kunstakademie zum Nachfolger Otto Wagners auf persönliche Intervention Franz Ferdinands die Professur nicht erhält. Das war wohl auch ausschlaggebend für Pleö-niks Entschluß, Wien endgültig zu verlassen und zunächst in Prag eine neue Heimat zu finden.

Die Ablehnung Plecniks in Wien beschränkte sich allerdings auf offizielle Stellen: die kunstsinnige und kapitalkräftige Wiener Bourgeoisie weiß ihn zu schätzen,, was sich in einer Reihe von Aufträgen niederschlägt, aus denen das Zacherlhaus am Bauernmarkt in der Wiener Innenstadt besonders hervorragt.

Der zur selben Zeit in Wien wohnhafte bedeutende slowenische Schriftsteller und Politiker Ivan Cankar verliert kein Wort über Plecniks Erfolge, die ihn aus nationalen Gründen doch freuen müßten, doch zu konträr stehen der (gerade damals besonders) kämpferische Sozialdemokrat Cankar und der christlichsoziale Nationalist Plecnik einander gegenüber. Fast gehässig und kaum verhüllt karikiert ihn Cankar in seinem Roman „Tujci“ („Die Fremden“) in der Person des Travnik als reaktionären kleinbürgerlichen Aufsteigertypus und Bürokraten im kaiserlichen Wien.

Dieses ungerechte Urteil Can-kars mag wohl einer der Hauptgründe dafür gewesen sein, daß Plecnik in Slowenien lange Zeit unterbewertet blieb. Obwohl (oder gerade weil) er nach dem Ersten Weltkrieg sofort dem Ruf auf die neugegründete Universität in Laibach gefolgt ist - trotz der fast flehentlichen Bitten Thomas Masaryks, doch in Prag zu bleiben —, war er nach 1945 zu sehr mit dem Ödium zu intensiver Bindung an das jugoslawische Königshaus und das Zwischenkriegsregime behaftet.

Nach dem Krieg war er als Architekt geschätzt, was nicht zuletzt dadurch bewiesen ist, daß er mit der Gestaltung von Brioni, der Privatresidenz Titos, beauftragt wurde. Erst im letzten Jahrzehnt erfuhr Plecnik auch in seiner Heimat Slowenien die ihm gebührende Aufmerksamkeit und Würdigung. Zu spät, möchte man sagen: seine Spuren, in Laibach (noch) allgegenwärtig vorhanden, wurden zu einer Zeit (wie-der)entdeckt, da für deren Restaurierung und Wiederherstellung das Geld fehlt.

Der Autor ist Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann-Institutes für neuere österreichisch Geistesgeschichte.

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