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Als Maus brüllen

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Parteitag der Freiheitlichen Partei Österreichs, Innsbruck, September 1974, etwa ein Jahr vor den nächsten Wahlen zum Nationalrat. Stolzes Motto: „Mit Vernunft mitbestim- tnen”, 362 stimmberechtigte Delegierte, weitere 200 Gastdelegierte.

Die Wahl des Parteivorstands war eine abgekartete Sache, die Behandlung aufmüpfiger Anträge ebenfalls. Ganz so, wie das in liberalen Parteien üblich ist, wurde die Abstimmung über den Parteivorstand offen durchgeführt.

„Die FPÖ fühlt sich nicht zu gering, um an der Regierung matzuwirken”, erklärte Parteiobmann Friedrich Peter in seiner 90-Minu- ten-Rede vor dem Parteitag, sie will nicht zu den „politischen Adabeis” zählen und auch nicht „auf dem politischen Trittbrett stehen, ohne zu wissen, wohin die Fahrt geht”. Auf jeden Fall will sich die FPÖ aber als „vertragstreuer” Koalitionspartner bewähren. Kurz und gut: die Freiheitliche Partei will in die Regierung als kleiner Koalitionspartner einsteigen. Da das in Österreich ein kompliziertes Unterfangen ist, nennt sie keinen programmatischen Preis, streng nach dem Olympischen Prinzip: ,Dabeisein ist alles.”

Der aus der Steiermark gebürtige Wiener FP0-Landtagsabgeordneįe Holger Bauer deponierte den Antrag, die FPÖ möge klare Zielsetzungen bekanntgeben, auf deren Grundlage allfällige Koalitionsverhandlungen später einmal geführt werden sollen. Der junge Mann dürfte die Sitten in politischen Alt- herrenschaften schlecht kennen. Sein Antrag wurde mehr oder weniger deutlich äbgescbaben.

Natürlich weiß Friedrich Peter Bescheid über die schlechte Stimmung in seiner Partei, und auch darüber, daß diese Stimmung nach den Landtagswahlen in der Steiermark und in Vorarlberg, wo die FPÖ auf jeden Fall mit Stimmen-, aber auch mit (in Vorarlberg) Mandatsverlusten rechnen muß, noch schlechter werden dürfte. Was, so mag er denken, soll er aus seiner Situation heraus wirklich tun: als Maus brüllen; damit erschlägt er alle Regierungsambitionen, auf die er seine Partei fest eingeschworen hat. Also bleibt’s beim Piepsen. Ein bißchen kommt die Regierungspartei dran, etwas stärker trifft es die ÖVP. Alles Ist streng nach den jüngsten Ergebnissen der Meinungsforschung ausgerichtet, und darin liegt nun einmal dtie SPÖ noch immer besser, wenn auch der Vorsprung schmilzt.

Friedrich Peter betont, daß sich seine Partei „nicht für die Rolle eines politischen Frühstüoksdirek- tors hergibt”. Das ist reine Persiflage auf die Wirklichkeit, eine Koketterie mit den Tatsachen. Früh- stüoksdirektoren haben Saison, wenn Gäste zarte Wünsche äußern, im Geschäftsleben ebenso wie in der Politik. Die Peter-Partei lebt von solchen zarten Wünschen, am besten tat sie das in der Zeit der Minderheitsregierung zwischen April 1970 und Oktober 1971. Ginge es nach Peters Wünschen, dann müßten solche Zeiten wieder auferstehen, dann ließe sich das prinzipienlose Prinzip der Offenheit nach allen Seiten am nachhaltigsten realisieren. Die Frage ist, ob die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation nach den Wahlen des nächsten Jahres tatsächlich für das Äustohen politischer Spielerleidemschaften Gelegenheit bietet. Die österreichischen Uhren laufen langsam und es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß wir erst im Herbst 1975 jene ökonomische Situation erleben werden, wie sie die Bundesrepublik Deutschland jetzt durchmaCht und etwas schärfer im Winter 1974/75 durchmachen wird. Wenn man so will: auf politischer Ebene läuft in Österreich die Zeit für eine große Koalition und — that’s life — gegen Friedrich Peter. Die Jungen in der FPÖ, meist in Universitäten ausgebildet und ohne Ressentiments auf eine „Vergangenheit”, in der Peter noch jung war, wissen das. Ihr Pragmatismus hängt nicht an denkbaren Regierungsämtern — und was bei der

Mehrheit des FPÖ -Pa r te ivorst ands leider noch immer berücksichtigt werden muß —, an Vergangenheitsträumen, sondern an Daten und Fakten, eine Sache, von der Friedrich Peter spricht, ohne sie auch immer zu kennen.

Dieser Nachwuchs, um den die Großparteien die FPÖ beneiden können, hat in InnSbrupk, September 1974, ein wenig aufgemuokt. Er wurde nicht mit Argumenten und auch nicht in offener Schlacht weggefegt, aber er wurde nicht zertrümmert. Er harrt an der liberalen Ecke der FPÖ auf die Zeit nach Friedrich

Peter. Seine politische Stunde dürfte — so oder so — mit den nächsten Nationalratswahlen schlagen. Die Zeit mag Stillstehen, Zurückläufen sollte sie nicht, damit deuten sich auch schon die Erfolgs- aussichten der FPÖ dm siebzehnten Jahr der Herrschaft Friedrich Peters an. Dann sollte die Frühstücksdirektion abgegeben, ein liberales Experiment gestartet werden. Diese Ahnungen und Hoffnungen ließ der Parteitag der Freiheitlichen Partei Österreichs auflkommen, alles andere ist Schnee vom letzten Jahr.

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