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Als Pilger in den Himmel

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Dem 1950jährigen Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Jesu ist das Heilige Jahr gewidmet. Durch Buße und Umkehr sollen sich die Katholiken neu auf das Geschenk der Erlösung besinnen.

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Dem 1950jährigen Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Jesu ist das Heilige Jahr gewidmet. Durch Buße und Umkehr sollen sich die Katholiken neu auf das Geschenk der Erlösung besinnen.

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Wie wir aus der Chronik eines Augenzeugen der Wende zum Jahr 1300, des Kardinals Jacopo Stefaneschi, wissen, eilten damals die Menschen von allen Seiten nach Rom und drängten sich an das Petrusgrab, weil sie glaubten, sie könnten dort zu Beginn des neuen Jahrhunderts eine besondere Gnade erlangen. Aber nichts geschah, denn der Papst hatte die Gläubigen weder gerufen, noch ihnen etwas versprochen. Da sie sich jedoch weigerten, unverrichteter Dinge abzuziehen, entschloß sich Bonifaz VIII. nach langem Zögern und Ratschlagen, dieser spontanen Volksbewegung seinen päpstlichen Segen zu geben.

Am 22. Februar 1300, an dem damals das Fest der Cathedra Petri gefeiert wurde, verkündigte er das erste Jubiläumsjahr. Er ließ die Bulle zur Bestätigung auf das Petrusgrab legen und den Text in Stein meißeln. Diese Marmortafel hängt noch heute in der Vorhalle der Peterskirche links oben neben der Hl. Pforte.

Von nun an sollte, so verfügte der Papst, zu Beginn eines jeden neuen Jahrhunderts ein Jubiläumsjahr stattfinden, um das Geburtsjahr Christi zu ehren. Wer im Laufe eines solchen Jahres die beiden Hauptkirchen St. Peter und St. Paul reumütig und bußfertig 15mal an 15 verschiedenen Tagen besuchen würde (die Römer mußten es 30mal tun), der könne einen vollkommenen Ablaß, das heißt die Nachlassung aller abzubüßenden SündenStra- fen, erlangen.

Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch das christliche Abendland. Wer konnte, ließ Haus und Hof in Stich, um diese einmalige Chance seines Lebens wahrzunehmen. Viele machten zuvor ihr Testament, denn sie wußten ja nicht, ob sie je wieder heil nach Hause kommen würden.

Wenn ein „romeo“, ein Romfahrer, auf dem Wege an den Entbehrungen und Gefahren starb, dann wurde er nicht etwa bedauert, sondern fast beneidet, denn man glaubte, daß ein Rompilger auf diese Weise direkt in den Himmel kommt und sich das Fegefeuer erspart.

So wurden die Jubiläumsjahre zu wirklichen „Jubeljahren“, wie sie alsbald genannt wurden; und sie wurden immer häufiger. Schon 50 Jahre später fand das nächste statt, wobei man sich auf die Sitte des Alten Testaments berief, das im 3. Buch Moses im 25. Kapitel den Juden vorschrieb, jedes 50. Jahr zu heiligen und durch den Klang der „Jobei“, der Widderhörner, anzukündigen. Im „Jobeljahr“ sollten Menschen, Äcker, Weinberge und Vieh ruhen, die Geldschulden gestrichen, die jüdischen Gefangenen und Sklaven befreit werden. Es sollte ein Jahr der Ruhe, Befreiung und Versöhnung sein, in dem jeder wieder in den Besitz seiner Freiheit wie auch seines Hab und Gutes gelangen sollte. Dieses jüdische Jobeljahr wurde nun christlich gedeutet als Befreiung von Sündenschuld und Strafe, als Aufforderung zur Buße und Versöhnung mit Gott.

Die schöne Sitte der Heiligen Pforte verdanken wir Papst Alexander VI. Borgia, der Weihnachten 1499 zum ersten Mal mit einem dreifachen Hammerschlag eine besondere Tür geöffnet hat. Die Hl. Pforte hat auch eine tiefe symbolische Bedeutung: sie versinnbildlicht den Zugang zur Gnade, zu Jesus Christus, zum ewigen Leben. Wer von da an die Jubiläumsablässe gewinnen wollte, der mußte demütig betend und singend durch die verhältnismäßig schmale Seitentür gehen und nicht durch die großen Mitteltüren, wie es die Touristen tun.

In der Zeit der Gegenreformation wurden die Jubiläen mit solchem Ernst und Eifer gefeiert, daß die Bezeichnung „Heiliges Jahr“ geläufig wurde. Und die Sitte kam auf, alle sieben Hauptkirchen (St. Peter, St. Paul v. d. Mauern, Lateran, S. Maria Maggiore, St. Sebastian, St. Lorenz und Hl. Kreuz zu Jerusalem) in Prozession singend und betend zu besuchen, möglichst an einem Tag, barfuß und nüchtern, wirklich eine Bußübung.

Paul II. hatte verfügt, daß von 1475 an alle 25 Jahre ein Jubiläum gehalten werden soll, damit jeder Christ einmal im Leben die Möglichkeit habe, die Jubiläumsablässe zu gewinnen. Doch konnte dieser Zyklus der 25 Jahre nicht immer eingehalten werden. Im vorigen Jahrhundert blieben die Hl. Pforten wegen der politischen Verhältnisse 74 Jahre lang verschlossen. Dafür feierte Pius XI. gleich dreimal ein Heiliges Jahr: 1925 war das reguläre fällig, 1929 beging er sein 50jähriges Priesterjubiläum mit einem außerordentlichen Heiligen Jahr; und 1933 fand zur Erinnerung an die 1900. Wiederkehr des Todesjahres Christi nochmals ein außeror dentliches Heiliges Jahr statt, das allerdings gleichzeitig auch das unheilige Jahr der Machtergreifung Hitlers war.

Es hatte schon zuvor, von 1518 an, mehrere „außerordentliche“ Heilige Jahre gegeben aus ganz verschiedenen Anlässen, die örtlich oder allgemein, mehr oder weniger feierlich begangen wurden. Einmal ging es um die Besiegung der Türken, dann um die Rückgewinnung der Protestanten oder um das Gelingen des Konzils von Trient und schließlich um die Erhaltung des Kirchenstaates. Nun aber wurde 1933 nicht — wie ursprünglich - das Geburtsjahr Christi gefeiert, sondern „die

Vollendung unserer Erlösung“ durch Christi Tod und Auferstehung. ,

Heute, 50 Jahre später, ist dieses Anliegen noch genauso dringlich wie damals, „nämlich ein ganzes Jahr dem besonderen Gedenken der Erlösung zu widmen, damit diese immer tiefer das Denken und Handeln der ganzen Kirche durchdringe“, wie Johannes Paul II. in seiner Verkündigungsbulle zur „1950-Jahr-Feier der Erlösung“ erklärte.

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