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Als war's ein barockes Zaubertheater

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„Von dem Gesetz, das alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der sich überwindet“: dieses Verspaar Goethes hat Hof-mannsthal seinem Mitarbeiter Richard Strauss als Angabe über den „innersten Gehalt“ der „Frau ohne Schatten“ in einem Brief mitgeteilt. Und er erfaßt tatsächlich im großen die seltsam ver-wobene, mit zahllosen orientalischen Motiven, Symbolen, mit psychologischen Aspekten fast schon überfrachtete Geschichte, dieses Märchen von der Tochter des Geisterkönigs, die als Gazelle durch den Wald eilt, vom jagenden Kaiser gefangen wird und sich vor ihm in eine Frau verwandelt. Aber sie hat keinen Schatten, das heißt, keine Zeugungskraft, und wenn sie ihn sich nicht von den Menschen erwirbt; muß der Kaiser yersteihen. Mühen, Entbehrungen, Todesmut, Prüfungen läutern alle, die in diese ^Menschwerdung der Geistertochter schuldhäft verstrickt sind.

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„Von dem Gesetz, das alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der sich überwindet“: dieses Verspaar Goethes hat Hof-mannsthal seinem Mitarbeiter Richard Strauss als Angabe über den „innersten Gehalt“ der „Frau ohne Schatten“ in einem Brief mitgeteilt. Und er erfaßt tatsächlich im großen die seltsam ver-wobene, mit zahllosen orientalischen Motiven, Symbolen, mit psychologischen Aspekten fast schon überfrachtete Geschichte, dieses Märchen von der Tochter des Geisterkönigs, die als Gazelle durch den Wald eilt, vom jagenden Kaiser gefangen wird und sich vor ihm in eine Frau verwandelt. Aber sie hat keinen Schatten, das heißt, keine Zeugungskraft, und wenn sie ihn sich nicht von den Menschen erwirbt; muß der Kaiser yersteihen. Mühen, Entbehrungen, Todesmut, Prüfungen läutern alle, die in diese ^Menschwerdung der Geistertochter schuldhäft verstrickt sind.

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Da zeigt sich die Schwierigkeit dieser „Frau ohne Schatten“: die Schwierigkeiten des aufwendigen Zauber- und Maschinentheaters, das Problem, wie man all diese Symbol-verflechtungen in der Inszenierung verständlich machen kann, die diffizilen Fragen nach dem Stil der monumentalen Ausstattung. Gar nicht zu reden von den Ansprüchen, die hier an die Sänger und das Orchester gestellt werden.

Aber Strauß und Hofmannsthal waren sich von Anfang an darüber klar, daß diese Oper etwas ganz besonderes sei. „Etwas Großes“, eine Art von Analogiestück zur „Zauberflöte“, wie sie es mit dem „Rosenkavalier“ im Vergleich zum „Figaro“ geschaffen hatten. Und dieses große, ungeheuer aufwendige Werk, ist nun eben eine Art von Festspieloper geworden, über die Egon Wellesz schon nach der Wiener Uraufführung (1919) richtig urteilte, daß die „Frau ohne Schatten“ deshalb dereinst keinesfalls „von Bühne zu Bühne wandern kann“.

Ein Werk also, wie geschaffen für die Salzburger Festspiele, für ein Potential an internationalen Künstlern, für ihre Möglichkeiten, einen Monat lang Exemplarisches auf die Bühne zu stellen. Wenngleich man dazu sagen muß, daß die „Frau, ohne Schatten“ natürlich nie ein spektakulärer Publikumsschlager werden kann. Dazu ist das Vierstundenwerk zu synthetisch — was man ihm öfter angekreidet hat — zu spekulativ im Sinne human-philosophischer Zusammenschau.

Immerhin hat nun Dr. Karl Böhm mit seiner vom Publikum zu Recht mit Begeisterung gefeierten Wiederaufnahme aus dem Premierenreigen von 1974 eine große Tat vollbracht. Denn die Aufführung im Großen Festspielhaus steht der vom Vorjahr in keinem Detail nach. Weder in der Klangfülle und -dichte, mit der Böhm die Wiener Philharmoniker spielen läßt, noch in der Besetzung: neu ist da vor allem Ursula Schröder-Feinen als Färberin. Sie verfügt über ein beachtliches Stimmvolumen, singt mit sauberer, gut verständlicher Diktion, spielt sehr lebendig. Ihr Manko: eine manchmal etwas schrille, gepreßte Höhe und mangelndes Gedächtnis für den Text. Leonie Rysanek-Gaußmann ist noch immer eine der imponierendsten Interpretinnen der Partie der Kaiserin. Ihre Höhe leuchtet, ihr Spiel wirkt verinnerlicht und würdevoll-verhalten. Unebenheiten im Registerwechsel überhört man gerne. James King hat als Kaiser seinen schlanken, metallisch wohlklingen-genden Tenor anzubieten, ( Walter Berry leiht dem Färber Barak sein flexibles dunkles Stimmaterial und macht die gläubig-hilflose Verstö-

rung, die Sehnsucht nach dem Glück, verständlich. Ruth Hesse gaukelt als Amme eine Welt böser Verführungen vor und macht auch stimmlich die Vielschichtigkeit dieser Partie, hündische Sklavin, Zauberin, Verführerin zu sein, deutlich.

Die übrigen Partien sind heuer glücklicherweise mit mehr Verantwortungsbewußtsein besetzt als 1974. Vor allem Robert Kerns als Geisterbote hat Format. Unverändert hat sich Günther Rennerts Regie, vor allem, weil die Sänger einen Darstellungsstil erarbeitet haben. Manche im Vorjahr eher leger gesetzten Details wirken sicherer gestaltet, man spürt und versteht motivische Zusammenhänge.

Nur Günther Schneider-Siemssens Bühnenbildern, die «technisch ein Wunder der Verwandlungskunst sind, fehlt teilweise der endgültige Schliff. So reizvoll der Fata-Morgana-gleiche Palast, die schwerelos auf- und niedergleitenden Terrassen und Wälder, die verwucherten Tempel sind, so enttäuschend, ja kitschig wirkt die^ Hütte des Färbers, und so schlecht gelöst ist der Schluß. Welche Inkonsequenz, ein Werk generell in offener Verwandlung zu spielen und nur während der Schlußverwandlung, also vor der übrigens optisch häßlichen Apotheose im Zeichen der Sonne und des Lebens, einen schwarzen Trennvorhang herunterzulassen. Das sieht allzusehr nach nicht Geglücktem, nach Stückwerk aus.

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