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Als Weltbesitz

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Traditionelle Maßnahmen zum Schutz von Kulturgütern - mögen sie sich in staatlichem oder privatem Besitz befinden, von künstlerischer, historischer, bibliophiler, technischer oder völkerkundlicher Bedeutung sein, gesellschaftliche oder soziale Aspekte dokumentieren - entsprechen nicht mehr den Erfordernissen der Gegenwart. Diese veränderte Situation wurde ausgelöst einerseits durch die Rück-stellungsforderungen vieler zu neuem kulturellem Selbstbewußtsein gelangter Völker und Staaten und durch den immer stärker kon-kurrierenden Kunstmarkt und die Umstrukturierung der Käuferschicht andererseits.

Bei einem kürzlich in Wien abge-haltenen Symposion zum Kultur-güterschutz lieferte einen der mu-tigsten Diskussionsbeiträge Wilfried Seipel, der Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums in Wien, und zugleich ein Credo für seine künftige Museumspolitik. Mit Thesen wie: "Der beste Kulturgü-terschutz ist noch immer ein Mu-seum" oder : "Kulturgut ist unter dem Gesichtspunkt des Weltbesitzes zu betrachten - alles andere ist provinziell", stieß er dabei auf Zustimmung bei Fachkollegen, auf Schweigen bei den Denkmalpflegern und Mißfallen bei der UNES-CO-Delegation.

Wie beispielsweise Wilhelm Brauneder, Direktor des Ludwig-Boltzmann-Institutes für internationale Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen, und Reinhard Mußgnug aus Heidelberg vertrat auch Seipel den Standpunkt, Kulturgut sei in Museen wie dem Britischen Museum in London, dem Kunsthistorischen Museum in Wien oder den Staatlichen Museen in Berlin besser aufgehoben als in den Herkunfts-Staaten mit ihren konservatorischen Mängeln.

Hingegen käme die - geforderte -Abtretung der Kaiserkrone aus der Wiener Schatzkammer nach Nürn-berg, wo sie bis zum Zusammen-bruch des Heiligen Römischen Rei-ches Deutscher Nation verwahrt worden war, der Zerstörung eines Kulturgutes in Gestalt der Samm-lung der Reichsinsignien und -kleinodien gleich und entbehre zu-dem jeder juristischen Grundlage.

Ähnliches gelte für den Perga-mon- (Zeus-)Altar. Zwischen 180 und 160 v. Chr. im heute türkischen Bergama erbaut, brachte der deutsche Ingenieur und Archäologe Carl Humann in den Jahren 1878 und 1886 die mit Göttern, Giganten und dem mythischen Gründer von Per-gamon geschmückten Friese und Architekturteile nach Berlin, wo sie rekonstruiert und in einem nach dem Fundort benannten Museum aufgestellt wurden.

Laut einem Beitrag der letzten Nummer von "The Art Newspa-per" soll kürzlich der Bürgermeister von Bergama in der Spree-Metropole vorstellig geworden sein, um die Rückstellung dieses berühmten Monuments zu verlangen und erklärte, er werde sich mit einem diesbezüglichen Appell auch an die UNO und die EG wenden: der sei-nerzeitige Abtransport sei ohne die Erlaubnis des damals herrschenden Sultan Abdulhamid erfolgt.

Verfolgt man "allerdings das Schicksal gerade des Zeus-Altars weiter, so wird diese Forderung noch merkwürdiger. Carl Humann hatte nämlich tatsächlich der "Hohen Pforte" das Monument um zwei Millionen Goldmark abgekauft. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschleppten die Sowjets den viele Tonnen schweren Altar nach Leningrad. Jahre später boten sie ihn den Türken im Tausch gegen die Gründung eines sowjetischen Kulturinstituts in Istanbul an. Als Ankara ablehnte, gab Moskau das Monument dem damaligen Ostber-lin zurück. Jetzt lehnt Berlin die Auslieferung ab.

Ein eisernes Nein setzt auch Margaret Thatcher seit Jahr und Tag den steten Forderungen Ägyp-tens nach Rückgabe der zwischen 1803 und 1812 vom englischen Lord Thomas Elgin zum Preis von 74.000 Pfund erworbenen Figuren und beschrifteten Steinblöcke von der Athener Akropolis entgegen. Auch das Ersuchen, den im Besitz des Britischen Museums befindlichen Bart der desolaten Sphinx, - sie steht als riesiger Torhüter am Eingang des Pyramidenfeldes von Gize - leihweise zu schicken, um einen Abguß machen zu können, wird abschlägig beantwortet. Etliche Bruchstücke des von den Mamlu-ken mehrfach mutwillig zerstörten und als Schießscheibe benutzten Bildwerkes lagern irgendwo im Ägyptischen Museum von Kairo und machen den Hinweis auf die bevorstehende Restaurierung der Sphinx höchst unglaubwürdig.

Mexiko wiederum möchte den früher irrtümlich als Federnkrone des Montezuma bezeichneten Fe-dernschmuck aztekischer Priester aus dem Wiener Völkerkundemu-seum zurückerhalten und Albanien beharrt auf der Herausgabe des in der Waffen- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museum aufbe wahrten "Helmsdes Scanderberg", eines albanischen Nationalhelden des 15. Jahrhunderts, den Ferdinand II. regulär erworben hat. Wilfried Seipel denkt - wie sein Vorgänger Hermann Fillitz - nicht daran, das künstlerisch, historisch und technisch bedeutsame Objekt einem von politischen Krisen geschüttelten Staat zu überlassen.

Einer Neuregelung bedarf nach Meinung Seipels allerdings das vom Bundesdenkmalamt verhängte Ausfuhrverbot für bestimmte Ob-jekte. Kunst sei international. Überdies stelle ein Sperrvermerk für Kunstgegenstände, für die sich in Österreich kein Käufer finde, einen Eingriff in das Verkaufsrecht von Privatbesitz dar. So würde beispielsweise der Familie Harrach dadurch schwerer Schaden zuge-fügt, daß für deren Eigentum, die einzige große Kunstsammlung Österreichs in Privatbesitz, das Bundesdenkmalamt das Ausfuhr-verbot nicht aufhebe. (So etwa für das als eines von sechs Gemälden zur Versteigerung angebotene Werk Jan Breughels, "Die 7 Werke der Barmherzigkeit".) Schließlich seien weder das Kunsthistorische Museum noch ein österreichisches Landesmuseum willens oder finan-ziell in der Lage, dieses Bild zu erwerben.

Überhaupt denke er, Seipel, nicht daran, die Sammlung des Kunsthi-storischen Museums wahllos zu vervollkommnen. Für ihn habe ein Museum in einer Zeit weltweiter Touristik und Informationsmög-lichkeiten exemplarischen Charak-ter. Auch einen Verkauf der Depot-bestände halte er für sinnlos.

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