6826760-1974_16_01.jpg
Digital In Arbeit

Alte Frau im Nahen Osten

Werbung
Werbung
Werbung

Bei Bekanntwerden der wohl endgültigen Demission der „Zionistischen Passionaria“ Golda Meir als Ministerpräsidentin Israels jubelte man in Damaskus zunächst, dies sei der eigentliche arabische Sieg des „Ramadan-Krieges“ im vorigen Oktober. Doch die Freude über den Abgang der alten Dame von der politischen Bühne des Vorderen Orients wich erstaunlich rasch sorgenvollen Überlegungen. Die Syrer hatten gehofft, Israel durch den von ihnen ausgelösten und seit zweiunddreißig Tagen andauernden blutigen Stellungskrieg auf dem Golan-Plateau zu größerer Zugeständnisbereitschaft zwingen zu können. Israel ist nun jedoch ohne handlungsfähige Regierung, und Generalspräsident Hafis el-Assid verlor seinen potentiellen Verhandlungspartner. Auf arabischer Seite ist man zwar einerseits nicht unfroh über die seit der halben israelischen Niederlage im Oktoberfeldzug andauernde und für den zionistischen Staat lebensgefährlichen innerpolitischen Auseinandersetzun -gen in Jerusalem. Führende Politiker scheinen sich allerdings schon darüber klar geworden zu sein, daß keine künftige isrealische Regierung — gleichviel, ob ein anderer sie ohne Neuwahlen zu bilden fertig brächte, oder ob sie erst aus dem Ergebnis einer Parlamentsneuwahl hervorginge — den Arabern gegenüber kompromißbereiter sein könnte als das letzten Kabinett Meir.

Nichts zeigt klarer, wieweit die politischen Verhältnisse in den vorderorientalischen Staaten bereits miteinander verflochten sind und wie sehr innenpolitische Veränderungen in Israel und bei den Arabern einander bedingen, als die Lage in Syrien. Präsident al-Assad war überzeugt, durch den Abnützungskrieg an der Golanfront günstigere Bedingungen für die Truppenentflechtungsverhandlungen in diesem Gebiet herausschlagen zu können.

Dieser Tage treten die Spitzen der Regierungspartei zu einer Beratungsklausur zusammen. Zweck: Lehren aus dem Salzburger Debakel der SPÖ zu ziehen.

Nun wird es nicht genügen, Strichmännchenplakate als „bessere Information“ zu affichieren, wie der Parteivorsitzende meint. Es wird vielmehr notwendig sein, sich die Strategie der Regierungspartei gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen zu überlegen. Gegenüber den Bauern etwa. Oder den Sparern — immerhin ein respektabler Teil der österreichischen Bevölkerung. Oder gegenüber den Katholiken, denen man zumutet, ihre Ordensspitäler für Abtreibungen zur Verfügung zu stellen. Oder den Ärzten, die man in Streiksituationen treibt, weil man partout Gesundenuntersuchungen via Ambulatorien machen will. Kurzum: weil man aus ideologischen und dogmatischen Gründen nicht Konsens sucht, sondern Konflikt produziert.

Der SPD gerät der ideologische Schritt nach links nicht sonderlich gut. Man kann ihren österreichischen Parteifreunden nur raten (auch wenn's hier keine JUSOs gibt), nicht die Kollision zur Maxime der Politik zu machen. Das ging noch allemal schief.Nun verlor er den gegnerischen Verhandlungspartner und muß möglicherweise warten, bis die Israelis ein neues Parlament gewählt und eine neue stabile Regierung gewählt haben. Nachdem man hierfür israeli-scherseits etwa ein halbes Jahr veranschlagt, stellen arabische Kenner der Verhältnisse die bange Frage, ob el-Assad diese lange Frist noch überstehen kann. Es ist eine sehr realistische Gefahr, daß einer der traditionsrebellischen Truppenkommandeure seine Panzergeschütze und Artillerierohre umdreht, nach Damaskus marschiert und die Regierung stürzt. Ein Sturz el-Assads würde in Syrien jedoch ebenfalls m't an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein gegenüber allen Lösungshoffnungen indifferentes Militärregime an die Macht bringen.

Für Beiruter Beobachter ein Alptraum wäre die Ablösung der bisherigen Mitte-Links-Koalition in Israel durch eine Rechtskoalition und auch nur eine Regierung der nationalen Konzentration. Etwas verspätet gibt man hier zu, daß etwa Abba Eban der mildeste und verständigungsbereiteste Außenminister sei, den der jüdische Staat jemals präsentiert habe. Eban wäre dann auch so etwas wie der arabische Wunschkandidat für die Nachfolge frau Meirs. Auch Vizepräsident Jigal Allon gilt hier als möglicher akzeptabler Gesprächspartner. Doch bei allen Namen fügt man einschränkend hinzu, daß sie wohl kaum die Autorität Frau Meirs hätten, ihrem Volk notfalls auch schwere Opfer abzuverlangen. Im Libanon sieht man in dem Rücktritt der alten Dame einen schwerwiegenden Rückschlag für den Frieden im Nahen Osten.

Auch in den Kommentaren der ägyptischen öffentlichen Meinung kann man die Befürchtung erkennen, daß die weitere Entwicklung der Friedensbemühungen durch den Abgang Frau Meirs wesentlich erschwert worden sei.

In Jordanien erinnert man sich jetzt wehmütig zweier längst Geschichte gewordener Ereignisse. Um die Jahreswende 1947/1948 war Golda Meir zweimal, als Araberin verkleidet, nach Amman gefahren und verhandelte dm Basman-Falast heimlich mit Emir Abdullah von Transjordanien. Doch der konnte sich dem arabischen Druck nicht entziehen und beteiligte sich, entgegen seiner ursprünglichen Absicht, am ersten Palästinakrieg. Der damit für die haschemistische Krone verbundene Zugewinn Restpalästinas riß das Beduinenemirat in einen bis heute nicht abreißenden Strudel von Staatskrisen. Jenseits des Jordans kennt man Frau Meir folglich genauer als in jedem anderen arabischen Nachbarstaat. Auch König Hussein lernte sie bei einigen Geheimtreffen an dem Schdcksalsfluß beider Nationen, in der Negev-Wüste oder am Golf von Akaba als zwar kompromißlose, aber faire Verhand-lungspartnerdn kennen.

Ungeteilte Freude über das Ende der politischen Karriere dieser Frau herrscht nur bei den Palästinensern. Sie können es dhr nicht vergessen, daß sie mehr als alle anderen zionistischen Politiker die arabischen Rechte auf Palästina negierte und die Guerrilleros niemals zur Kenntnis nehmen wollte. In diesen Kreisen hofft man daher, jeder andere israelische Regierungschef könne einen Wandel in dieser starren Haltung herbeiführen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung