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Alte Klamotten

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Sind die Österreicher der Wahlkämpfe müde? Das hört man nicht nur allenthalben, das wissen auch die Wahlkampfmanager der Parteien. Sie müssen daher mit allen Mitteln versuchen, das Augenmerk auf die Verdienste ihrer Partei oder — wie es im Fall des derzeit laufenden Präsidentschaftswahlkampfes ist — auf den jeweiligen Kandidaten lenken. Daß kein Mittel mehr zu schlecht ist, zeigen die jüngsten Ereignisse.

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Sind die Österreicher der Wahlkämpfe müde? Das hört man nicht nur allenthalben, das wissen auch die Wahlkampfmanager der Parteien. Sie müssen daher mit allen Mitteln versuchen, das Augenmerk auf die Verdienste ihrer Partei oder — wie es im Fall des derzeit laufenden Präsidentschaftswahlkampfes ist — auf den jeweiligen Kandidaten lenken. Daß kein Mittel mehr zu schlecht ist, zeigen die jüngsten Ereignisse.

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Die SPÖ-Wahlstrategen in der Wiener Löwelstraße waren in ihrer Propaganda auf einen ÖVF-Präsi-dentschaftskandldaten namens Hermann Withalm programmiert, das ist ein offenes Geheimnis. Und was man der ÖVP vorgeworfen hat, als sie sich dann für Alois Lugger entschied, nämlich, daß die Unmengen /von Withalm-Werbematerial wieder einstampfen mußte, das schon vorbereitet war, gilt auch für die SPÖ. Sie hatte zum Beispiel ihre Anti-Withalm-Fernsehfilme bereits abgedreht. Sie waren natürlich unverwendbar.

Die Kandidatur Luggers hat die Sozialisten im höchsten Grade nervös gemacht; die Reaktionen beweisen es. Die Wahlpropagandisten der linken Reichshälfte griffen mangels besserer Ideen aber jetzt offenbar mit beiden Händen in die Klamottenkiste: da mußte die Heimwehrzugehörigkeit des (damals) 16jährigen Lugger herhalten und selbstverständlich auch sein Monatseinkommen. Ebenso selbstverständlich und erwartungsgemäß fielen diese Argumente den Sozialisten postwendend wieder auf den Kopf.

Die Aussagen des Bundeskanzlers bei seiner letzten Pressekonferenz in Wien, man wolle ja niemandem seine Vergangenheit vorhalten, doch schließe die Zugehörigkeit zur Heimwehr oder auch zur NSDAP die Qualifikation für das höchste Amt im Staat aus, blieben nicht unbeantwortet. Prompt kamen — nicht etwa aus der ÖVP, sondern aus den kritischen Massenmedien — die Hinweise auf Bundespräsident Theodor Körner, der hoher Schutzbundoffizier war, oder auf SP-Regierungs-mitglieder (wie den Landwirtschaftsminister Oellinger, der SS-Mann gewesen war. Schließlich veröffentlichte der „Kurier“ am vergangenen Samstag dann auch noch die NS-Mitgliedsnummern von Ministern aus dem heutigen Kabinett Kreisky.

Auch die Veröffentlichung der Monatsbezüge Luggers durch sozialistische Zeitungen blieb nicht unbeantwortet. Meldeten die Gazetten unter Anspielung auf den Neidkomplex, daß Lugger pro Monat mehr als 100.000 Schilling verdiente, so mußten sie sich vorrechnen lassen, daß auch SPÖ-Kandidat Kirchschläger nicht gerade zu den Ärmsten des Volkes zählt. Auf Grund des von Bundeskanzler Kreisky vehement betriebenen „Privilegienabbaues“ ist er in der glücklichen Lage, nach der Bezugserhöhung allein aus seinem Ministergehalt mehr als 80.000 Schilling zu verdienen. Ob er vielleicht noch über andere Bezüge verfügt, wurde erst gar nicht erörtert. Jedenfalls wäre es der SPÖ sicher nicht sehr angenehm, würden die Salärs einiger ihrer Spitzenpolitiker — man' denke etwa an Präsident Benya — veröffentlicht'. Dem Neidkomplex wären dann keine Grenzen mehr gesetzt.

Sieht man von den Ausfälligkeiten der Wahlpropaganda ab, so muß man

allerdings sagen: die Generalstabsplanung des Wahlkampfes der Sozialisten braucht die Konkurrenz der ÖVP nicht zu fürchten. Wahlkampfleiter Max Strache hat schon unzählige Schlachten geschlagen — und alle liefen mit größter Akribie und zeitlicher Präzision ab. Nicht zuletzt hat er Bundespräsident Jonas 1971 durch die Lande gehetzt.

Lugger hat aber auch noch gegen ein anderes Handikap, zumindest in der Bundeshauptstadt zu kämpfen. Gegen das Nichtvorhandensein von Plakatflächen für sein Konterfei. Hatten die Sozialisten einfach die für ihre Parteipropaganda gemieteten Flächen mit dem Kirchschläger-Plakat überklebt, so war die ÖVP nicht in dieser Lage. Sie mußte erst versuchen, Plakatflächen zu ergattern und bekam entsprechend wenige. Wie dazu verlautet, waren auch in Wien noch andere Umstände im Spiel, um die ÖVP möglichst von der Plakatwerbung auszuschließen.

Noch haben beide Kandidaten viel aufzuholen, an Bekanntheit, an Profil beim Wahlvolk. Und dennoch sagen viele, ein offeneres Rennen habe es noch selten gegeben.

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